Ü20-Windstrom für Wasserstoff und Methan

Biogas- und Windkraftanlagen vor einem FlachgebäudeFoto: O. Horn
Biogas und Windkraft wirken hier in Nordhackstedt bei der Produktion von Methan mit.
Windstrom zur Wasserstoffproduktion einzusetzen, kann für Ü20-Anlagen eine wirtschaftliche Alternative zum Verkauf des Stroms an der Börse darstellen. Das zeigt ein Konzept, das aus dem Wasserstoff zusammen mit Kohlendioxid aus der Biogasproduktion Methan gewinnt.

Mit Ü20-Windstrom Wasserstoff zu erzeugen, kann für Windmüller mehr Sinn machen als den Strom an der Börse zu verkaufen. Das gilt zumindest in Zeiten „normaler“ Strompreise. Ein Konzept, das auch noch Kohlendioxid aus einer Biogasanlage nutzt, haben dazu zwei Hochschulen entwickelt. Wie die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) mitteilte, handelt es sich dabei um die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) und die Hochschule Flensburg. Konkret ging es um ein Power-to-Gas-Konzept für einen Erneuerbare-Energien-Standort in Nordhackstedt in Schleswig-Holstein. Das Konzept soll den Weiterbetrieb von zwei Windrädern ermöglichen, die keine gesetzlich garantierte Stromvergütung mehr bekommen. Die Berechnungen ergaben: Wirtschaftliche Methan-Gestehungskosten sind möglich – vorausgesetzt, es erfolgen Anpassungen bei den regulatorischen Rahmenbedingungen für die Energiewende.

In der Gemeinde betreibt der Landwirtschaftsbetrieb Nissen Biogas GmbH & Co. KG eine 900 kW-Biogasanlage, zwei Satelliten-BHKW (je 400 kW), ein Nahwärmenetz und zwei Windkraftanlagen mit 600 bzw. 1,5 MWel Nennleistung. Für die beiden Windräder läuft der 20-jährige Vergütungszeitraum nach Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ab. Allerdings erhalten die Betreiber Bernd und Dirk Nissen für den Strom aus diesen Anlagen nur noch Börsenstrompreise, mit denen die Windräder kaum rentabel zu betreiben sind. Um sie nicht abschalten zu müssen, suchten die Nissens nach neuen Geschäftsmodellen.

Power-to-Gas mit Wasserstoff und Biogas

Die BTU-Forscher entwickelten dafür eine Idee rund um den Ansatz Power-to-Gas (PtG). Konkret sieht das Konzept vor, dass die Windräder den Strom für einen Elektrolyseur liefern. Die Biogasanlage liefert wiederum Rohbiogas, dessen CO2-Anteil in einem Reaktor mit dem Wasserstoff zu Methan (CH4, erdgasäquivalent) reagiert. In diesem Fall handelt es sich um eine biologische Methanisierung in einem innovativen Rieselbettreaktor, in dem spezialisierte Mikroorganismen, sogenannte Archaeen, unter anaeroben Bedingungen Methan erzeugen und dabei auch Wärme freisetzen.

Im Gegensatz zur katalytischen Methanisierung ist das Verfahren apparatetechnisch weniger aufwändig und technologisch sehr robust. Es benötigt zudem weder Überdruck noch hohe Temperaturen. Ferner verbraucht es relativ wenig Energie, vor allem durch den Verzicht auf ein Rührwerk. Schließlich kann das Verfahren mit einer hohen Produktgasreinheit punkten. Für die synergistische Kopplung mit Biogasanlagen spricht nicht nur die Verwendung von Rohbiogas als Input, sondern auch, dass die Nährstoffversorgung der Mikroorganismen im Rieselbett über die flüssigen Gärreste der Biogasanlage erfolgen kann und die ausgekoppelte Reaktionswärme für eine Nutzung, z. B. für die Fermenterheizung, zur Verfügung steht.

Wirtschaftlicher Betrieb möglich

In ihrer Durchführungsstudie legten die Forscher eine entsprechende Anlagenkombination für den Standort Nordhackstedt technisch aus und errechneten in verschiedenen Szenarien potentielle Methanerzeugungskosten. Es zeigte sich, dass Rohbiogas als CO2-Quelle für die biologische Methanisierung geeignet sei. Die Forschenden erreichten eine dauerhafte und stabile Methanbildungsrate von 7 Nm³ CH4 pro m³ Reaktionsvolumen und Tag bei einer Methankonzentration im Produktgas von 95 Prozent.

Die Untersuchungen zur Ökonomie deuten auf einen wirtschaftlichen Betrieb hin. Voraussetzung ist, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen und die Anlagentechnik weiter optimiert werden.

Weltweite Pilotanlage

In Nordhackstedt wollen Landwirte und Forschende das beschriebene Konzept künftig praktisch erproben, die Errichtung eines Elektrolyseurs und eines Rieselbettreaktors sind geplant. Sie wollen dafür den Strom zunächst nur von der älteren der beiden Windkraftanlagen beziehen. Die vorgesehene Anschlussleistung des Elektrolyseurs liegt bei 333 kWel. Unterstützung für die Konzeptumsetzung ist seitens des Dresdner Ingenieurdienstleisters Gicon geplant. Dieser habe das Rieselbettverfahren für die biologische Methanisierung gemeinsam mit der BTU entwickelt. In Nordhackstedt würde die weltweit erste kontinuierlich betriebene Pilotanlage dieser Art entstehen, die die biologische Methanisierung mit Rohbiogas unter Praxisbedingungen demonstrieren und als Blaupause für Praxisanlagen dienen könnte.

14.2.2022 | Quelle: FNR | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

Schließen