Prof. Dr. Daniela Thrän: Die Wärmewende ist vielfältig

Portrait Prof. Dr. Daniela ThränFoto: Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung:
Prof. Dr. Daniela Thrän
Prof. Dr. Daniela Thrän spricht im Solarthemen-Interview über die Rolle und Perspektiven der Bioenergie für die Energiewende. Die Ingenieurin ist neu gewählte Sprecherin des Forschungsverbunds Erneuerbare Energien. Sie leitet seit 2011 das Department „Bioenergie“ am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig sowie den Bereich „Bioenergiesysteme“ am Deutschen Biomasseforschungszentrum. Ihre Expertise bringt Thrän auch in zahlreiche Gremien wie zum Beispiel dem Bioökonomierat der Bundesregierung ein.

Solarthemen: Wo sehen Sie Aufgaben für die Wärmewende? 

Daniela Thrän: Die erste Herausforderung für die Wärmeversorgung ist, dass sie mittelfristig klimaneutral sein muss. Hier waren die Fortschritte bislang aber eher langsam. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Vor allem ist Wärmeversorgung komplex und vielfältig – das hängt auch von der Art und der Menge ab, in der Wärme gebraucht wird. Es hängt aber auch von der Frage ab, wer die Wärme erzeugt. Und ein weiterer Faktor ist zudem, dass Wärme nicht gut transportfähig ist. Mit Blick auf die Komplexität gute Lösungen zu finden, wird nun auch von der Politik stärker eingefordert. Und wir als Forschungsverbund Erneuerbare Energien sehen, dass viel passieren muss, aber auch viel passieren kann. Denn es gibt vielfältige technische sowie konzeptionelle Lösungen. Außerdem kann uns die Digitalisierung helfen, die Wärmeversorgung auf erneuerbare Energien umzustellen.

Welche Energieträger werden aus Ihrer Sicht künftig die wesentlichen sein?

Auch in der Wärme wird an vielen Stellen Strom eine größere Rolle spielen. So sind Wärmepumpen in vielen Anwendungsfällen eine gute Option. Es stehen zudem andere strombasierte Lösungen zur Verfügung. Daneben wird es aber auch weiterhin die aktuell wichtigste erneuerbare Wärmequelle Bioenergie, insbesondere Holz, geben. Wobei sie künftig nur in bestimmten Bereichen ein Wachstumsmarkt ist.

Wie würden Sie die Funktion der Wärmepumpe in einem künftigen Wärmesystem beschreiben?

Sie ist immer dann besonders inter­essant, wenn der Wärmebedarf eines Gebäudes nicht so groß ist, also vor allem im Neubaubereich. Sie kann auch im Gebäudebestand eine Rolle spielen, wobei hier noch ein paar Schritte mehr zu gehen sind. Die Herausforderung für den Einsatz von Wärmepumpen ist es, deren Strombedarf künftig durch erneuerbare Energien zu decken. Man muss sich überlegen, wo auch an einem kalten, trüben und windstillen Wintertag dieser Strom sicher und bezahlbar herkommen soll.

Da sprechen Sie einen wichtigen Punkt an. Können wir denn den Strombedarf für Wärmepumpen an kritischen Tagen überhaupt durch erneuerbare Energien sicherstellen?

Dieses Dilemma wird durch die Wärmepumpen besonders deutlich. Die Frage betrifft aber auch den generellen Umbau des Energiesystems. Wie bekommt man große Mengen variabel erzeugter Strommengen aus Solar- und Windenergie gut ins Netz. Da ist es aus unserer Sicht unstrittig, dass man ein ganzes Portfolio aus Maßnahmen ergreifen muss, um genau diese Integration zu erreichen. Dazu zählen technische Lösungen zur Flexibilisierung der Energienachfrage, wie Sektorenkopplung und Speicher. Gut geeignet können auch vernetzte Quartiere mit hohen Anteilen lokaler Erzeugung und geeigneten Speichern sein. Wichtig ist außerdem die Weiterentwicklung des regulatorischen Rahmens für eine bessere Systemintegration. Dazu gehört es, die Rechte und Pflichten von Betreibern vor Ort zu verbessern und die stärkere Zusammenarbeit im Netzbetrieb zu fördern. Und nicht zuletzt müssen wir den gesellschaftlichen Rahmen für die Systemintegration beachten. Hierzu zählt etwa die bessere Information der Verbraucher. Sie müssen aber auch besser in die Fragen der Entwicklung eingebunden sein. Das betrifft dann zum Beispiel das Lastmanagement und nutzerintegrierte Produkt- sowie Dienstleistungsangebote.

Sie weisen auf Bioenergie und insbesondere Holz als Energieressource hin. Was denken Sie denn, wie groß wird deren Rolle künftig sein?

Die große Chance von Holz im Wärmemarkt ist die Spezifizierung, nicht die Expansion. Wärme aus Holz wird ja heute in vielen kleinen und dezentralen Einzelfeuerungen in Haushalten gewonnen. An die zehn Millionen Anlagen gibt es in Deutschland. Bei neuen und besser gedämmten Gebäuden gibt es aber Alternativen zu Holz. Daher erwarten wir hier eher eine rückläufige Tendenz. Gleichwohl muss man sehen, dass nicht jedes Gebäude kosteneffizient gedämmt werden kann. Gerade im ländlichen Raum wird Holz im Gebäudebestand eine wichtige Wärmequelle bleiben. Dennoch geht dessen Anteil hier insgesamt eher zurück. Dagegen können wir künftig bei der Bereitstellung von Prozesswärme in der Industrie einen größeren Anteil von Holz erwarten. Da stellt dies eine günstige, teils auch schon gut erprobte Option dar. Aber hier hängt es auch von den Spezifikationen des Prozesses, unter anderem der Temperatur, ab, ob Holz hier der beste Energieträger ist.

Nun gibt es von Energieversorgern Pläne, Holz in bisherigen Kohlekraftwerken zu verfeuern und so ein regeneratives Kraftwerk daraus zu machen. Von Umweltverbänden wird dies durchaus kritisch gesehen. Was halten Sie von dieser Möglichkeit, die ja auch Konkurrenz für den Wärmesektor bedeutet?

Das hängt schon auch davon ab, wo man sich befindet. Ich spreche jetzt mal von Deutschland. Hier ist es so, dass wir eine Holzindustrie haben, die nicht nur Möbel und Baustoffe herstellt, sondern etwa in der Leuna-Region auch stark in biobasierte Chemikalien investiert. Das heißt, es herrscht eine relativ klare Erwartung an eine hochwertige Nutzung. Gleichzeitig gibt es mit Blick auf den aktuellen Waldzustand aber auch das eine oder andere Fragezeichen, wie gut man die Rohstoffbasis künftig nutzen kann. Die energetische Holznutzung ist in diesem Kontext vor allem dann gut und hilfreich, wenn man auf Reststoffe aus der Forstwirtschaft oder der Produktion zurückgreifen kann. Das können zum Beispiel Durchforstungshölzer und Sägespäne sein. Die energetische Nutzung passt umso besser ins Konzept, je mehr sie auf solche vorhandenen Materialien zurückgreift.

Beim Einsatz von Holz in Kohlekraftwerken braucht man allerdings einen sehr homogenen Brennstoff. Das sind in der Regel Holzpellets. Und die müssten in sehr großen Mengen bereitgestellt werden. Deren Produktion würde voraussichtlich nur in geringem Umfang in Deutschland erfolgen, sondern vor allem importiert werden. Nun gibt es zwar auch für importierte Pellets Nachhaltigkeitsanforderungen, dennoch sind solche Entwicklungen aus dem Blickwinkel der Forstwirtschaft und des Naturschutzes risikobehaftet. Rein aus Energiesicht ist die Mitverbrennung von Holz aber schon interessant, weil es mit niedrigen CO2-Vermeidungskosten einhergeht. Allerdings kann sich das in Zukunft ändern, denn in der Wissenschaft wird kontrovers diskutiert, ob man Holz tatsächlich immer als klimaneutralen Brennstoff bilanzieren kann oder hier vorsichtiger agieren sollte.

Welches Potenzial sehen Sie für umweltverträglich genutztes Holz

Am Deutschen Biomasse-Forschungszentrum, kurz DBFZ, haben wir berechnet, dass man ungefähr zehn Prozent des Energiebedarfs – sowohl in Deutschland als auch weltweit – mit Biomasse gut decken kann. Das sind dann überwiegend Reststoffe und Abfallstoffe wie Gülle, Altholz, Biomüll, aber auch Holz, das beim Forstmanagement anfällt. Diese Größenordnung wird auch langfristig erwartet und ist stabil da. Und da muss man sich natürlich fragen, wofür man diese Biomasse einsetzt. Die gemeinsamen Forschungen am DBFZ mit dem Umweltforschungszentrum, UFZ, zeigen, dass Prozesswärme ein wichtiges Einsatzgebiet ist. Aber interessant ist auch die Entwicklung von Kerosin-Ersatz für den Flugverkehr.

Wo sehen Sie denn die entscheidenden Stellschrauben, um bei der Wärmewende voranzukommen?

Abgesehen von den Dingen, die schon auf den Weg gebracht wurden, ist das die Frage, wie man die verschiedenen Elemente technisch zusammenbekommt. Das betrifft die Automatisierung und einfache Implementierung. Außerdem müssen Randbedingungen, wie auch die Förderinstrumente, verlässlich ausgestaltet sein. Drittens muss die industrielle Wärmewende, also der Einsatz Erneuerbarer für Prozesswärme, dringend angegangen werden. Und insgesamt, das muss uns klar sein, ist die Wärmewende nur realisierbar, wenn der Bedarf heruntergeht. Es geht nicht um eine rein technische Substitution, sondern wir müssen gleichzeitig dafür sorgen, dass sich der Bedarf durch besser gedämmte Gebäude und auch durch ein Nicht-Weiter-Wachsen des Wohnraums pro Kopf reduziert.

Welche Impulse sollte aus Ihrer Sicht die Politik setzen, um die Wärmewende anzuschieben?

Es ist bei der Wärmewende zu berücksichtigen, dass sie sehr vielfältig ist. Es gibt auch einige Bereiche, wo das schon gut funktioniert hat. Ein Beispiel ist da der individuelle Sanierungsfahrplan für einzelne Gebäude. Und in Zukunft ist es wichtig, diese Vielfalt im Blick zu haben. Für die einzelnen Bereiche – Haushalte, Kommunen, Industrie – brauchen wir spezielle Lösungen und Rahmenbedingungen. Das heißt, dass man zum Beispiel auf kommunaler Ebene viel Wissen bereitstellt, um zu guten Lösungen zu kommen. Dazu gehören etwa Wärmekataster. Im Gebäudebestand müssen wir durch attraktive Angebote vorankommen. Und für die Industrie benötigen wir mehr gute Modellvorhaben.

18.2.2022 | Interview: Andreas Witt
© Solarthemen Media GmbH

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