Der Wechselrichter-Chirurg
Er hat schon fast alles repariert, was Platinen hat: zunächst Fernseher und Hifi-Verstärker, später Rasenmäher-Roboter und Computerdrucker. Heute widmet sich Ewgeni Stark fast ausschließlich der Reparatur defekter PV-Wechselrichter. Schon immer fing es für ihn an interessant zu werden, wo andere nicht mehr weiterkamen.
Gefühl für Elektronik
„Ich habe viel Gefühl für Elektronik“, sagt der gelernte Informationselektroniker für Geräte und Systeme von sich. Und aus diesem Gefühl heraus hat sich der heute 42-jährige 2019 mit seiner Geschäftsidee im westfälischen Minden selbstständig gemacht. Seine Einzelfirma stark electronic hat sich seitdem bei PV-Installateuren zum Geheimtipp entwickelt.
Bittet man Ewgeni Stark um eine für seinen Job typische Handbewegung, so überlegt der nicht lange. Er legt die Brille ab und greift zum Operationsbesteck: Die Rechte nimmt den Lötkolben, die Linke eine Pinzette. Damit beugt sich der Inverter-Chirurg über die Platine eines Wechselrichters.
Doch bevor der Lötkolben zum Einsatz kommt, schaut Stark sich seinen jeweiligen Patienten erstmal gründlich an. „Wenn ganze Bereiche der Platine verbrannt sind, ist wahrscheinlich nichts zu retten. Aber das ist nur selten der Fall.“ Im Umkehrschluss: Die meisten defekten Wechselrichter sind durchaus reparabel.
Oft ist das für den erfahrenen Elektroniker nicht schwer. Denn bei vielen Wechselrichter-Modellen kennt Stark bereits die typischen Schwachstellen. „Manchmal sind es abgenutzte Relais, in andere wurden zu schwache Transistoren eingebaut, die ich durch stärkere ersetzen kann. Aber in ganz vielen Fällen sind Kondensatoren defekt“.
Schwachstelle Kondensator
Kondensatoren haben generell eine begrenzte Laufzeit. Sie trocknen mit der Zeit aus. Hitze verkürzt die Lebenszeit zusätzlich. Bei bestimmten Typen lässt sich schon mit dem bloßen Auge erkennen, dass sie defekt sind. Stark zieht zum Beweis eine Platine aus dem Regal und zeigt auf eine ganze Staffette großer, zylinderförmiger Kondensatoren, deren eigentlich flache Kopfseiten aufgewölbt sind. „Die müsste ich erstmal alle austauschen, bevor ich den eigentlichen Fehler suchen und einen Kostenvoranschlag schreiben kann“, erklärt er.
Nur in einigen Fällen hilft der bloße Augenschein, um defekte Teile zu erkennen. Zumal manchmal nichts kaputt ist, sondern einfach nur ein Software-Problem den Fehler verursacht. Also sind neben Erfahrung auch Prüfgeräte und Geduld gefragt. Damit arbeitet sich der Experte Schritt für Schritt durch die kritischen Bereiche einer Wechselrichterplatine: „Messen – Bauteil tauschen – wieder messen“, so geht das manchmal stundenlang.
Wechselrichter-Reparatur
Nicht selten rückverfolgt Stark auf diese Weise Kettenreaktionen: Oft wurde ein sehr teures Bauteil, wie ein Leistungstransistor (IGBT) zerstört, nur weil anderswo ein Bauelement im Wert weniger Cent durchgebrannt ist.
Hat er den Fehler gefunden, hilft dem Elektroniker oft ein gezielter Griff in seine Schatzkiste. Die hängt an der Rückseite seiner Werkstatt und besteht aus 400 kleinen durchnummerierten Schubladen. In diesem Kleinteile-Sortiment bevorratet er sowohl Standardware als auch Raritäten. Denn wenn es ein Problem gibt, das dem Wechselrichter-Chirurgen täglich Kummer bereitet, dann dieses: „Man kriegt viele Bauteile nicht.“
Bestimmte Bauelemente von Elektronik-Zulieferern würden nämlich speziell nach den Vorgaben eines Herstellers gefertigt, erläutert Stark. Solche kundenspezifischen OEM-Bauteile seien zwar Massenware, würden in Chargen von hunderttausenden oder auch Millionen Stück gefertigt, aber eben nicht für den Markt, sondern nur für einen bestimmten Hersteller.
Kooperation mit Wechselrichter-Herstellern
Zu etlichen Herstellern pflegt Stark deshalb ein gutes Verhältnis. So lobt er beispielsweise den Support und die Ersatzteilversorgung von Firmen wie Kaco, Kostal, Fronius und vielen anderen. Bei SMA ist er sogar „Solar-Fachpartner“ und nimmt regelmäßig an Schulungen teil. In anderen Fällen ist die Ersatzteilbeschaffung schwieriger, vor allem wenn Hersteller die Solarinverter-Produktion aufgegeben haben oder ganz vom Markt verschwunden sind. Mitunter kann Stark dann für die Reparatur ein proprietäres Wechselrichter-Bauteil durch ein ähnliches von der Stange ersetzen. Mitunter hilft aber auch das Internet. Wer sich gut auskenne, finde dort einiges, sagt Stark lächelnd: „Man bekommt auch Bauteile, die es gar nicht gibt.“
Zumindest kostet die Suche nach Spezialteilen aber viel Zeit und führt auch längst nicht immer zum Erfolg. Auch das ist ein Aspekt, mit dem sich die Politik beschäftigen muss, wenn sie das „Recht auf Reparatur“ demnächst tatsächlich durchsetzen will.
Mundpropaganda
Zwischendurch klingelt es. Ein Kunde bringt einen defekten Wechselrichter zur Reparatur. Der Betriebselektriker einer Handels-genossenschaft ist 100 Kilometer Umweg gefahren, um einen 27-kW-Inverter von ABB zu bringen. Der sei acht Jahre alt und stamme aus einer mehrere Hundert kW starken Dachanlage. Die Garantie ist abgelaufen, ABB bietet für diesen Typ keinen Service mehr an – ein typischer Fall für Ewgeni Stark.
Der Kunde ist das erste Mal hier, Starks Telefonnummer hat er von einem Kollegen. Auch das ist typisch. Mundpropaganda beschert stark electronic mittlerweile ein gut gefülltes Auftragsbuch. Besonders im Frühjahr und Sommer, wenn Inverter bei Sonnenschein am häufigsten ihren Geist aufgeben. Und wenn die Kunden es besonders eilig haben. Denn Ausfallzeiten kosten bares Geld. Dann wird oft ein Ersatzgerät montiert, bevor Ewgeni Stark dazu kommt, das defekte Exemplar zu begutachten.
Manchmal kauft er solche defekten Geräte auf, repariert sie in Ruhe und verkauft sie als gebraucht im Internet. Oder er repariert sie im Auftrag von PV-Installateuren, die sich gern für Notfälle ein günstiges Ersatzgerät ins Lager legen.
Generalüberholte Geräte
Denn eines gehört für den Wechselrichter-Doktor zu seiner Firmenphilosophie: Wenn ein Patient seine Klinik als geheilt verlässt, dann ist der richtig fit. Stark hat dann nicht nur das defekte Bauteil getauscht, sondern er gibt ausschließlich generalüberholte Geräte ab. Verschleißanfällige Bauelemente hat er vorsorglich erneuert und hat das Gerät mit seinem PV-Simulator im Dauertestlauf geprüft.
Und was kostet so eine Reparatur samt Frischzellenkur im Schnitt? Mit 200 bis 400 Euro könne man rechnen, sagt Stark. Wenn aber ganze Platinen getauscht und kalibriert werden müssten, seien eher 700 Euro fällig.
Deutlich billiger ist das als eine Neuanschaffung – wenngleich ohne die bei Herstellern übliche Garantie von mindestens 5 Jahren. Stark versteht, dass viele PV-Betreiber Wert legten auf die Herstellergarantie. Doch die Frage, ob denn ein generalüberholter Wechselrichter tatsächlich ebenso lange seinen Dienst tun könne wie ein neuer, quittiert er mit einem souveränen Nicken.
20.2.2022 | Autor: Guido Bröer
© Solarthemen Media GmbH
Kontakt: stark electronic • Am Westhof 1 • 32423 Minden • Tel. 0160 92010023