Wirbelschleppen von Offshore-Windparks verändern Strömung in der Nordsee

Offshore-Windpark in der Nordsee - Windstille im Lee der Turbinen zeigt sich am glatten WasserFoto: Hereon/ Sabine Billerbeck
Offshore Windpark in der Nordsee. An der Wasseroberfläche sieht man die unterschiedlichen Windverhältnisse.
Ein Team um Nils Christiansen vom Helmholtz-Zentrum Hereon hat eine Studie zu den Einflüssen von Offshore Windparks auf die Ozeandynamik veröffentlicht.

Im Fokus stand eine Abschwächung des Windes und damit einhergehende physikalische Veränderungen in den betroffenen Gebieten der Nordsee. Die Windkraftanlagen stellen Hindernisse für Wasser und Luft dar. Die Effekte für Wind und Strömung sind für die Planung zukünftiger Offshore-Windparks in der Nordsee von großer Bedeutung, erklärt das Hereon-Institut für Küstensysteme. Die Studie erschien im Fachmedium Frontiers in Marine Science.

Reduzierte Windgeschwindigkeit bis zu 70 Kilometer hinter Offshore-Windparks

Die Studie des Hereon-Instituts für Küstensysteme – Analyse und Modellierung simuliert eine Abschwächung der Windgeschwindigkeit auf der windabgewandten Seite (Lee-Seite) der Windparks. Ein Hereon-Team, dessen Studie im Journal Nature erschien (Akthar et al., 2021), hat dies kürzlich nachgewiesen.

Die Turbinen der Offshore-Windparks entziehen dem Windfeld kinetische Energie. So entstehen im Lee der Windräder sogenannte atmosphärische Wirbelschleppen. Diese zeigen sich in der verringerten Windgeschwindigkeit, aber auch in speziellen Druckverhältnissen und einer erhöhten Luftturbulenz. Unter stabilen atmosphärischen Bedingungen ist die verminderte Windgeschwindigkeit noch 70 km hinter den Windparks nachweisbar.

Wirbelschleppen wirken auch unter Wasser auf die Nordsee

Mit hochauflösenden, hydrodynamischen Computersimulationen hat das Team die Effekte auf die südliche Nordsee für den Sommer 2013 (Mai bis September) analysiert. Die Analyse zeigt einen Zusammenhang von Wirbelschleppen und Änderung des impulsgetriebenen Austauschs zwischen Atmosphäre und Wasser. Dies könnte wiederum die horizontalen Strömungen und die Schichtung des Wassers beeinflussen.

Die Effekte der Wirbelschleppen der Windparks sind so stark, dass sie die vorhandene Strömung in der Nordsee umlenken können. Dadurch verschiebt sich die mittlere Verteilung der Temperatur und des Salzgehalts. „Die auftretenden Änderungen bleiben im Rahmen der interannuellen Variabilität“, erklärt der federführende Autor Christiansen vom Hereon Institut. Die Änderungen hätten allerdings eine ähnliche Größenordnungen wie die vermuteten mittleren Änderungen aufgrund des Klimawandels oder der Variabilität von Jahr zu Jahr.  

Schichtung des Wassers ist in den Windparks stabiler

Die Wirbelschleppen mindern zudem die Scherkräfte an der Meeresoberfläche. Im Umkreis von Dutzenden Kilometern um die Windparks gibt es an der Oberfläche weniger turbulente Durchmischung, als es normalerweise der Fall wäre. Schichten im Wasser sind also stabiler. So hält sich zum Beispiel eine Schicht wärmeren Wassers in der Nähe eines Windparks länger auf einer kalten Schicht. Besonders zeigte sich der Unterschied während des Rückgangs der sogenannten Sommerschichtung. Im Sommer ist die natürliche Schichtung des Wassers besonders markant, zum Herbst nimmt sie ab. Im Gebiet der Windparks wurde jedoch eine stabilere Schichtung außerhalb der jahreszeitlichen Schwankung berechnet.

Strukturelle Veränderungen im System der Nordsee

„Die Größenordnung der induzierten mittleren Veränderungen deutet nicht auf schwerwiegende lokale Auswirkungen hin. Allerdings treten weitreichende strukturelle Veränderungen im System auf“, sagt Christiansen.

Die Forschenden rechnen damit, dass die veränderte Strömung und Durchmischung sich auf die Planktonproduktion auswirken. Das hätte wiederum Auswirkung auf die Struktur des Nahrungsnetzes und könne Schutzgebiete beeinflussen. Daher sei es wichtig, die neuen Erkenntnisse auch bei der Entwicklung von Meeresschutzkonzepten zu berücksichtigen“,  sagt die Hereon-Institutsleiterin Prof. Corinna Schrum. Es seien weitere Untersuchungen erforderlich, um mögliche Rückkopplungen auf den Luft-Meer-Austausch zu analysieren. In weiterführenden Studien soll es zum Beispiel um regionale atmosphärische Bedingungen und die Ökosystemdynamik gehen.

Der Bau von Offshore-Windparks in der Nordsee soll in den nächsten Jahren noch deutlich zunehmen. Bundesminister Robert Habeck hat Ende 2021 Flächen für zusätzliche 3 GW Windparks über die bisherigen Pläne hinaus angekündigt.

22.2.2022 | Quelle: Hereon | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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