Erneuerbare Energie in Zeiten des Krieges
Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschafts- sowie Klimaminister Robert Habeck sind sich mit Blick auf den Krieg von Russland gegen die Ukraine und die Energie-Versorgung in Deutschland einig. Aus ihrer Sicht ist es derzeit nicht möglich, auf den Import von russischem Gas, von Öl und Kohle zu verzichten. Wie Habeck nach einem Sondertreffen mit den Energieministern der Länder am 8. März erklärte, sei es entscheidend, beschlossene Sanktionen durchhalten zu können. Und bei einem Embargo für russische Energieimporte geht es aus seiner Sicht nicht um „individuelle Komforteinschränkungen”, sondern um „gesamtgesellschaftliche Schäden schwersten Ausmaßes”. Diese wiederum könnten das „Durchhalten von allen möglichen Sanktionen” gefährden. Anders sei es jedoch, wenn Russland die Importe stoppen sollte. „Wir werden damit umgehen können”, so Habeck.
Ausbau Erneuerbarer Energie wegen des Krieges beschleunigen
„Es ist das Gebot der Stunde, uns aus der Abhängigkeit von fossilen Energien aus Russland zu befreien”, sagt Habeck. Und dazu gehöre auch der massive Ausbau erneuerbarer Energien. Hier habe sich bei der Energieministerkonferenz, „einer Konferenz im Zeichen des Krieges”, so Habeck, auch eine große Einigkeit gezeigt. „Wir müssen schneller werden beim Ausbau der erneuerbaren Energien.” Das sei Konsens bei der Konferenz gewesen.
Für Habeck ist es laut eigener Aussage wichtig, die „Schlafmützigkeit” abzulegen. So sollen auch LNG-Terminals auf des Krieges deutlich schneller aufgebaut werden, wie der Wirtschaftsminister bei einem Treffen mit Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Daniel Günter verabredete. Genehmigung, Planung und Bau müssten hier parallel erfolgen. Beispielgebend ist für Habeck dabei die Tesla-Fabrik in Brandenburg. Und offenbar will der Minister dies nicht nur bei LNG-Terminals, sondern auch bei Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energie ermöglichen.
Das jedoch erfordert zunächst die Reform einer Reihe von Gesetzen, die bislang die Genehmigung von Energieprojekten verzögern. Es geht aber auch darum, die wirtschaftlichen Grundlagen für einen schnellen Ausbau erneuerbarer Energien zu schaffen. Das maßgebliche Instrument dafür ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), zu dessen Reform ein erster Entwurf aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) vorliegt. Der Entwurf trägt das Datum vom 28. Februar 2022. Das war nur vier Tage nach dem Einmarsch von Russland und dem Krieg gegen die Ukraine. Die Verschärfung der Situation kann daher nur sehr bedingt im vorgelegten Entwurf zur EEG-Novelle enthalten sein.
Ist das BMWK wach genug?
Gleichwohl gibt es eine neue Situation. Und es stellt sich die Frage, ob das BMWK beim EEG nun business as usual betreiben kann. Oder ob die Regierung die Gesetzesnovelle, die eine wesentliche Basis für den Ausbau erneuerbarer Energie darstellt, angesichts des Krieges radikaler angehen sollte. Die Regierung sei nicht mutig genug, sagt Hans-Josef Fell im Interview mit den Solarthemen. Es sei widersinnig, in einer Krise den Ausbau zu beschränken, so Fell. Dies aber mache das BMWK in seinem Entwurf für die Novelle weiterhin.
Fell war zusammen mit Hermann Scheer von der SPD Ende der 90er und im Jahr 2000 einer derjenigen, die das erste EEG maßgeblich formuliert hatten. Dieses EEG sollte zu Beginn der 2000er Jahre vor allem eins: den erneuerbaren Energien in ihrer Breite einen Anschub geben. Erstmals sollte ein Gesetz es potenziellen Betreibern ermöglichen, überall in Deutschland Photovoltaikanlagen zu bauen. In den nachfolgenden Jahren prägten das EEG mehr und mehr regulierende Paragrafen. In dieser Zeit schrieben nicht mehr die Abgeordnete die Energiegesetze, sondern Ministeriums-Beamte.
Mehr Regulierung im EEG
Von diesem Anspruch, den Ausbau der Erneuerbaren im Griff zu behalten, ist auch die neue Novelle geprägt. Zwar hat das BMWK, den Vorgaben der Ampelkoalition folgend, die Ausbauzahlen deutlich erhöht. Das Ziel des EEG ist es ab dem kommenden Jahr, wenn es nach Genehmigung durch die EU-Kommission in Kraft treten könnte, bis 2030 einen Anteil der Erneuerbaren im Stromsektor von 80 Prozent zu erreichen. 2035 sollen es dann 100 Prozent sein.
Eine neue Hürde für Projekte
Aber die Ministerialbürokratie hat sich von einzelnen Restriktionen noch nicht verabschieden können. Als Beispiel dafür können kleine Windparks bis 18 Megawatt dienen. Bis dahin sollen Marktprämien in den Betrieb der Anlagen fließen, ohne dass sich die Betreiber bei einer Ausschreibung beteiligen müssen. Allerdings gilt dies nur für Bürgerenergiegesellschaften. Und um offenbar einen Missbrauch dieser Ausnahme zu vermeiden, wie er in früheren Jahren aufgetreten war, hat das Ministerium die Vorschriften für Bürgerenergiegesellschaften noch enger gefasst. Kurz gesagt: Es dürfen sich nur Gesellschaften und Personen an einem solchen Projekt beteiligen, die in den fünf Jahren zuvor keine andere Windenergieanlage in Betrieb genommen haben. Und es ist ebenfalls nicht gestattet, sich in den kommenden fünf Jahren an einem weiteren Windkraftprojekt zu beteiligen.
Fehlende Erfahrung als Voraussetzung?
Per Gesetz will das BMWK so letztlich fehlende Erfahrung zur Voraussetzung einer wirtschaftlichen Tätigkeit machen. Ist nur eine Person dabei, die sich in den vergangenen Jahren an einem Windprojekt beteiligt hat oder in den nächste fünf Jahren beteiligt, so gefährdet dies das gesamte Projekt. Ebenso gilt dies für Bürgersolarparks zwischen ein und sechs Megawatt.
Das folgt einer gewissen Logik, wenn man versuchen will, Bürgerenergie zu definieren und möglichst trennscharf zu regulieren. Allerdings könnte das Ministerium den neuen Leitlinien für Umweltbeihilfen folgend auch weniger restriktiv vorgehen. Generell sind demnach kleine Windparks bis 18 MW für Bürgerenergieprojekte bzw. Erneuerbare-Energien-Gemeinschaften förderfähig, wenn sich an ihnen nur Bürger:innen und kleine sowie Kleinstunternehmen beteiligen.
„Mit den richtigen Rahmenbedingungen, die ein faires Geschäftsfeld eröffnen, ermöglichen wir einen schnellen Ausbau”, sagt Fell: „Die Solar- und Windkraftfirmen wollen doch etwas tun.” Habeck müsse sein Ministerium mit Rückendeckung durch das Kabinett anweisen, aus dem EEG wieder ein echtes Ausbaugesetz zu machen, fordert Fell.
Verbände fordern mehr
Das sehen auch Verbände für erneuerbare Energien so. Am heutigen Donnerstag präsentieren der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE), der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW), der Bundesverband Windenergie (BWE) und der Fachverband Biogas ihre Forderungen zur Novelle des EEG.
Die Bundesregierung wolle zwar den Ausbau der erneuerbaren Energien entschieden angehen, so der BEE, „dennoch greift der vor dem Ukraine-Krieg verfasste Entwurf insbesondere vor dem Hintergrund der sich verschärfenden Versorgungskrise der fossilen Energien nicht weit genug”. Und weiter: „Die Reform des EEG muss deshalb ein noch deutlicheres Startsignal für alle erneuerbaren Technologien senden, die die Dringlichkeit des Ausbaus über alle Sektoren hinweg deutlich macht.”
So sieht der BSW einen erheblichen Nachbesserungsbedarf am aktuellen Gesetzesentwurf. Die Solarbranche begrüße zwar die Heraufsetzung der Solarenergie-Ausbauziele, so BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig. Diese müssten nun aber auch mit wirksamen Maßnahmen politisch unterfüttert werden. „Die von der Ampel-Koalition geplante Vervierfachung der jährlich neu installierten Solarstromleistung ist nur erreichbar, wenn jetzt auch die gewährten Förderanreize daran ausgerichtet werden. Ihre Höhe sollte so nachjustiert werden, dass sie den Erwartungen potenzieller Investoren entspricht.“ Der BSW kritisiert damit die seiner Meinung nach zu geringe Erhöhung von Einspeisetarifen. Schon vor einigen Wochen hatte sich der BSW ebenso wie die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie, der Solarenergie-Förderverein Deutschland und auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft für höhere Vergütungen für Solarstrom ausgesprochen.
Und es geht den Verbänden nicht allein um mehr Geld für die Anlagenbetreiber. So sei auch der im Koalitionsvertrag vorgesehene Vorrang erneuerbarer Energien bei der Schutzgüterabwägung zu ergänzen”, sagt BEE-Präsidentin Simone Peter. Und das gelte auch für eine Reihe weiterer Maßnahmen zur Energiewende-Beschleunigung.
Gegen die Schlafmützigkeit
In seinem ersten Lagebericht zum Krieg gegen die Ukraine erklärte der BDEW am 28. Februar, der Ausbau der erneuerbaren Energie und der dazugehörige Aus- und Umbau der Netzinfrastruktur müsse absolute Priorität haben. „Wenn wir unsere Energieversorgung resilienter und unabhängiger machen wollen, dann muss der Ausbau der erneuerbaren Energien in einem Tempo und Maße zulegen, welches wir in Deutschland bis dato nicht kennen.”
Offenbar sind einige Verbände der Ansicht, dass dieses Ziel mit dem vorgelegten Entwurf zur EEG-Novelle nicht erreichbar ist. Im weiteren Verlauf haben dabei auch die Bundestagsabgeordneten noch ein gewichtiges Wort mitzureden. Bislang haben diese sich zur Novelle allerdings noch nicht öffentlich geäußert. Die Frage ist, ob sie wie Minister Habeck die „Schlafmützigkeit” ablegen wollen und ob ihnen der Entwurf wach genug erscheint.
17.3.2022 | Autor: Andreas Witt
© Solarthemen Media GmbH