Wagner-Solar: Ein Solar-Dino marschiert Richtung Zukunft

Wagner-Solar-Schild unten links, darüber vor blauem Himmel die Rückseite einer PhotvoltaikanlageFoto: Guido Bröer
Wagner Solar ist eines der ältesten Solarunternehmen Deutschlands. Nach der Insolvenz im Jahr 2014 und einer schmerzhaften Schrumpfkur verzeichnet das Unternehmen seit Jahren wieder Wachstum und Gewinne. Die Zahl der Mitarbeiter:innen hat sich seit der Insolvenz fast verdoppelt und neue Hallen sind in Planung.

Sonnenallee 2 – die Adresse am Rand des hessischen 16.000-Einwohner-Städt­chens Kirchhain bei Marburg wurde der Eigentümerin auf den Leib geschneidert. 2008 eröffnete hier auf der sprichwörtlichen grünen Wiese die damals stark expandierende Wagner & Co Solartechnik GmbH, kurz Wagner Solar, ihre neue Solarkollektorfabrik. Fast drei Jahrzehnte nach Unternehmensgründung durch eine Gruppe ökobewegter Studenten im Jahr 1979.

Bei der Werkseinweihung 2008 war die Sonnenallee nur einer von drei Standorten des Unternehmens in Cölbe und Kirchhain. Die neue Halle beherbergte vier Produktionslinien zur Herstellung von solarthermischen Kollektoren. Teils mit Roboterunterstützung entstanden Standard- und Großflächenkollektoren wie am Fließband. Nach einer Erweiterung 2020 konzentriert sich an der Sonnenallee nun das gesamte Geschäft von Wagner Solar – Photovoltaik und Solarthermie unter einem Dach. Vom Traditionsstandort Cölbe hat man sich dafür verabschiedet. Die Zusammenarbeit sei nun erheblich einfacher, beschreiben langjährige Mitarbeiter:innen den Vorteil.

Wagner ohne „Co“

Zwischen damals und heute liegen für sie bewegte Jahre mit einer Zäsur. Mit der Insolvenz im Jahr 2014 ist das „Co“ aus dem Firmennamen verschwunden. Die neue Firma Wagner Solar GmbH gehört nicht mehr der Mitarbeiterschaft, sondern Gerard Sanderink, einem niederländischen Investor.

Andreas Knoch hat Höhen und Tiefen bei Wagner miterlebt. Seit 1999 ist er Wagnerianer. Als mittlerweile einer der drei Prokuristen leitet er die Geschicke des Unternehmens im Bereich der Technik.

„Klar war das ein Umbruch“, sagt Knoch. Früher seien schließlich alle Wagnerianer zu einem Teil Eigentümer des Unternehmens gewesen. „Wir haben keine Belegschaftsbeteiligung mehr. Aber wir haben weiterhin flache Hierarchien – vielleicht sogar noch flacher als früher“, sagt er.

Das liege sicherlich auch daran, dass die Zahl der Mitarbeitenden in der Krise massiv geschrumpft sei, erklärt Knoch. Von 400 Kolleginnen und Kollegen in den Hochzeiten konnten nach der Insolvenz nur etwa 60 im Unternehmen bleiben. Inzwischen stehen wieder 110 Leute bei Wagner in Lohn und Brot. Die Firma ist aktuell auf Expansionskurs.

Standort von Wagner Solar kommt an seine Grenzen

Und so kommt der kombinierte Fabrik-, Lager-, Logistik- und Verwaltungsstandort schon wieder an seine Grenzen. Neue Hallen sind auf dem Grundstück an der Sonnenallee in Planung. Danach wird auch der letzte Winkel bebaut sein.

Beim Rundgang mit Andreas Knoch durch die Hallen wird klar, wie die „neue“ Wagner Solar heute tickt. In der ehemals reinen Kollektorfabrik stapeln sich heute Solarmodule und andere Elemente von Photovoltaik- und Solarthermieanlagen. Mitarbeiter sausen mit elektrischen Gabelstaplern durch die Gänge. Nur in einem Teilbereich der Halle werden weiterhin solarthermische Kollektoren gebaut. Die Fertigungstiefe ist aber unverändert hoch. Es beginnt mit der Verarbeitung von Kupferrohr zu gelöteten Registern in Harfenform. Weiter gehts über die Laserschweißanlage, wo die beschichteten Absorberbleche aus Aluminium mit den Kupferrohren zu fertigen Absorbern verbunden werden. Und schließlich werden diese zusammen mit Rückwand, Dämmung, Aluminiumprofilen und Glasscheibe zum fertigen Kollektor gefügt.

Mehr Flexibilität

Die Kapazität der Kollektorfertigung ist allerdings deutlich geschrumpft. Statt vier Fertigungslinien in den besten Jahren gibt es nun nur noch eine, auf der laut Knoch vier verschiedene Kollektortypen produziert werden: „Wir sind deutlich flexibler geworden und auch etwas weniger automatisiert. Unsere beiden Roboter haben wir zum Beispiel wieder verkauft. Bei den heutigen Stückzahlen könnten wir die nicht auslasten. Die meisten Mitarbeiter sind heute für verschiedene Tätigkeiten zuständig.“ Mit dem neuerlichen Wachstum des Unternehmens nehme allerdings auch die Arbeitsteilung wieder etwas zu, berichtet Knoch.

Und das bezieht er vor allem auch auf den Bereich der Photovoltaik, der inzwischen im Unternehmen bei weitem überwiege. Die Solarthermie-Sparte habe jedoch auch in Krisenzeiten nie in Frage gestanden, versichert Knoch. „In den Investorengesprächen während der Insolvenzphase stand sogar eher die Photovoltaik auf der Abschussliste“, verrät er rückblickend.

Heute allerdings denke man beide Bereiche vor allem vom hauseigenen Gestellsystem „Tric“ her, berichtet der Technik-Chef: „Mit den Montagesystemen erreichen wir die größere Wertschöpfung.“ Das bildet sich auch in den Hallen an der Sonnenallee ab. Metallverarbeitung mit selbst konstru­ier­ten Spezial­maschinen prägt das Bild. Viele Bauteile, etwa Modulklemmen, werden im Werk vormontiert. Zum Beweis greift Knoch in eine Kiste mit den Bauteilen aus Alu und Edelstahl: „Wir werden in diesem Jahr wahrscheinlich etwa 1,5 Millionen Modulklemmen herstellen.“

Bis unter die Decke stapeln sich dafür in Regalen Aluminiumprofile. Mit Blick auf Corona und die weltweiten Lieferprobleme ist hier statt „Just in time“ langfristige Lagerhaltung gefragt. „Wir kaufen Aluminium mittlerweile 6 Monate im voraus“, erklärt Knoch.

18.3.2022 | Autor: Guido Bröer
© Solarthemen Media GmbH

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