PVT: Eine simple Idee hat es schwer
Die Idee ist simpel: Die solare Hybridtechnologie PVT kombiniert Photovoltaik und Solarthermie und erzeugt mit einem Solarmodul gleichzeitig Strom und Wärme. Das bringt einen doppelten Nutzen und spart Platz auf dem Dach. Doch so einfach ist es nicht. Mit welchen Leistungskennzahlen lassen sich PVT-Systeme angemessen beurteilen? Wie sind sie auszulegen? Und welche Normen gelten überhaupt? In den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass die Photovoltaik- und die Solarthermiewelt recht weit auseinander liegen, wenn es um solche Fragen geht.
Das zeigt sich schon daran, dass die meisten Aktivitäten hinsichtlich technologischer Einordnung und öffentlichkeitswirksamer Information aus der Solarthermiewelt kommen. So hat sich mit der IEA SHC Task 60 die wesentliche Arbeitsgruppe zur PVT-Technologie innerhalb des Solarthermie-Programms der Internationalen Energieagentur gegründet. Und während die internationale Kollektornorm ebenso wie das Zertifizierungsprogramm Solar Keymark die Hybridtechnologie einbezieht, finden sich in der PV-Normenarbeit keine Vorhaben, die sich mit ihr befassen. Wenn PVT noch nicht einmal in der Fachwelt vollständig angekommen ist, muss man sich nicht wundern, dass sie von den europäischen Fördergebern größtenteils unberücksichtigt bleibt.
Komplexe Fördersituation behindert PVT-Markt
Die deutsche Bundesförderung für effiziente Gebäude erwähnt Hybridkollektoren als eigenständigen Fördertatbestand nicht. Sie werden lediglich als förderfähige Wärmequelle einer Wärmepumpenanlage berücksichtigt. Dafür kommen PVT-Kollektoren und Luft-Wärmeübertrager zur Abwärmenutzung von PV-Anlagen inklusive Unterkonstruktionen infrage.
Nicht besser sieht es in den europäischen Nachbarstaaten aus. Österreich fördert nur im Rahmen innovativer Projekte. Frankreich hat vor zwei Jahren sein spezielles Innovationsprogramm ausgesetzt. In der Schweiz subventionieren zwar einige Kantone, doch fallen die Zuschüsse in der Regel niedrig aus, weil sie von der für traditionelle Warmwassersysteme berechneten thermischen Leistung abhängen. Sie erfordern hohe Temperaturen, die von PVT-Kollektoren aber nicht effizient erzeugt werden können. Solche Richtlinien benachteiligen die Hybridtechnologie.
In einer Übersicht hat die SHC Task 60 die Fördersituation für einzelne europäische Länder zusammengetragen und weitere Probleme aufgelistet. Demnach geht aus vielen Förderrichtlinien nicht eindeutig hervor, ob PVT-Anlagen überhaupt als förderfähig gelten. Teilweise werden die verschiedenen Kollektoren – abgedeckt, nicht abgedeckt, luftbetrieben, wasserbetrieben – unterschiedlich berücksichtigt, was es recht aufwändig macht herauszufinden, ob sie eine Förderung bekommen können. Die getrennte Förderung des thermischen und des elektrischen Teils macht das Ansinnen nicht einfacher. Fazit der Arbeitsgruppe: „Eine Vereinfachung der PVT-Fördersituation ist notwendig!“
Fehlen Normen, fehlt Vertrauen
Die solare Hybridtechnologie PVT ist eine relativ junge Technologie. Damit sie sich im Markt etablieren kann, braucht es Vertrauen vonseiten der Investorinnen und Investoren, dass die Produkte funktionieren und bestimmten Qualitätsstandards entsprechen. Es existieren zwar Testverfahren für Photovoltaikmodule und Solarthermiekollektoren, mit denen sich die elektrische und thermische Leistung von PVT-Elementen messen lässt. Es fehlt jedoch ein spezieller PVT-Standard.
Ihn hält die SHC Task 60 für notwendig, „um die Kosten für einen Test zu reduzieren und die Risiken, die durch die Kombination der beiden Technologien entstehen“, wie sie in einem Positionspapier schreibt. Dabei gehe es um integrierte Standards, die den Photovoltaik- und den Solarthermie-Teil in einem einzigen Prüfzyklus zu vertretbaren Kosten für den Hersteller und bei kleinen Änderungen am Design kombinieren.
Zertifizierung für die solare Hybridtechnologie PVT
Wie sich die Situation bezüglich einer Zertifizierung derzeit darstellt, erklärt Andreas Bohren, Leiter des Prüflabors am Schweizer Institut für Solartechnik SPF. Er unterscheidet vier Fälle:
- Fall 1: Ein Hersteller verändert ein zertifiziertes Photovoltaikmodul zum PVT-Element, indem er einen Wärmetauscher auf dessen Rückseite befestigt. Dafür existieren Richtlinien zur Wiederholungsprüfung. Das Prüflabor muss entscheiden, welche Nachprüfung durch das Anbringen des Absorbers erforderlich wird. Die Prüfkosten bewegen sich laut Bohren zwischen 9.000 und 18.000 Euro, bei nicht bereits zertifizierten Photovoltaikmodulen zwischen 27.000 und 37.000 Euro. Solche Produkte finden sich auf dem Markt und sind laut Bohren zertifiziert.
- Fall 2: Ein Hersteller ersetzt den Solarthermieabsorber durch ein Photovoltaikmodul oder packt die Solarzellen unter eine Glasabdeckung in einen gedämmten Kollektorkasten. Bei solchen Konstruktionen besteht die Gefahr, dass hohe Stagnationstemperaturen die EVA-Folie des Photovoltaikmoduls beschädigen. Da sich für Temperaturen über 100 Grad Celsius keine bestehende PV-Norm anwenden lässt, müssten für eine Zertifizierung erst maßgeschneiderte Test entwickelt werden. Die Prüfkosten schätzt Bohren deshalb auf bis zu 90.000 Euro. Solche abgedeckten PVT-Elemente werden ebenfalls bereits angeboten, sind seines Wissens nach aber nicht zertifiziert.
- Fall 3: Ein Hersteller stattet sein abgedecktes PVT-Modul aus Fall 2 mit einem Stagnationsschutz aus. Dann kann er es wie in Fall 1 zertifizieren lassen, allerdings ebenfalls zu recht hohen Prüfkosten. Solche angebotenen Produkte sind soweit bekannt nicht zertifiziert.
- Fall 4: Eine bestehende Photovoltaikanlage wird mit Wärmetauschern ausgerüstet. Dafür gibt es laut Bohren noch keine Zertifizierungslösung und keine Förderung.
Die solare Hybridtechnologie PVT bekannt machen
Dennoch wächst der PVT-Markt. In Deutschland finden sich erste prominente Beispiele. So liefern 43 Quadratmeter abgedeckte PVT-Kollektoren auf dem Freiburger Rathaus im Stühlinger warmes Wasser für Duschen und die Kantine. Im Karlsruher Stadtteil Durlach haben 2020 das kommunale Immobilienunternehmen Volkswohnung und die Stadtwerke bei fünf Mehrfamilienhäusern aus den 1960-er Jahren die alte Wärmeversorgung ersetzt. In zwei Gebäuden versorgen PVT-Kollektoren eine Wärmepumpenanlage mit ihrer Energie. Die Universität Freiburg hat ein Monitoringsystem aufgebaut und wertet drei Jahre lang die erhobenen Messdaten aus. Der PVT-Technologie könnte das Projekt in Durlach wegen seiner Größenordnung und der beteiligten Akteure zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen.
Verbundvorhaben Integrate
An einer Verbreitung der Technologie arbeitet seit Dezember 2019 das Verbundvorhaben Integrate. Darin haben sich das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE, das Institut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung der Universität Stuttgart und das Institut für Solarenergieforschung Hameln zusammengeschlossen. Gemeinsam wollen sie den Einsatz von PVT-Kollektoren in Kombination mit Wärmepumpen voranbringen. Die solare Hybridtechnologie PVT biete die Chance, Bestandsgebäude mit einer Wärmepumpenheizungsanlage ausstatten zu können. „Bislang kamen nahezu ausschließlich entweder Erdwärme oder Außenluft als Wärmequelle für Wärmepumpen im Gebäudesektor in Frage“, schreiben die Partner in einer Projektinformation. Bei Sanierungen könnten die beiden Wärmequellen jedoch häufig nicht erschlossen werden.
In einem ersten Schritt wollen die Integrate-Beteiligten die wesentlichen Kenndaten definieren, um die Technologie beschreiben und bewerten zu können. Als Basis hierfür klassifizieren sie die am Markt verfügbaren Konzepte und vermessen zwei Jahre lang ausgewählte Anlagen. Ende 2022 wollen sie praxistaugliche Auslegungs- und Planungswerkzeuge präsentieren sowie eine umfangreiche Sammlung an Informationsmaterialien. Mit Broschüren, Internetauftritten, Social Media-Kampagnen und Videos sollen sowohl Baugesellschaften, Planungsbüros und Industrie als auch Verbraucherinnen und Verbraucher aufgeklärt werden. Auch einen Eintrag in Wikipedia über PVT-Gebäudeenergieversorgungssysteme wollen sie schreiben. Auf diese Weise sollen Argumenten und Fakten einer simplen Idee zum Erfolg verhelfen.
Diesen Beitrag hat das Redaktionsteam des Solarthermie-Jahrbuchs verfasst. Sie können das Solarthermie-Jahrbuch 2023 unter diesem Link bestellen.