Osterpaket: Kabinett beschließt EEG-Entwurf von Habeck
Das Osterpaket mit der EEG-Novelle als Kern bezeichnete Robert Habeck heute in einer Pressekonferenz nach der Kabinettsentscheidung als „Antwort auf die Eröffnungsbilanz“, mit der er im Januar das Verfehlen der aktuellen Klimaschutzziele im laufenden Jahr ankündigen musste. Das Bundeskabinett hat mit dem Osterpaket nun vor allem eine EEG-Reform in zwei Stufen beschlossen. Die erste soll unmittelbar nach den Beschlüssen von Bundestag und Bundesrat voraussichtlich ab Sommer gelten, die zweite Stufe soll erst ab dem 1. Januar 2023 greifen, nachdem die EU-Kommission die EEG-Novelle notifiziert haben wird.
Erneuerbare im überragenden öffentlichen Interesse
Bereits in Stufe 1 will die Bundesregierung im EEG festschreiben, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien „im überragenden öffentlichen Interesse“ liegt und der „öffentlichen Sicherheit“ dient.
Um das neue Ziel von 80 Prozent Regenerativanteil am Strommix bis 2030 zu erreichen, will die Bundesregierung Ziele und Maßnahmen vor allem für die Windenergie und die Photovoltaik auf ein neues Niveau heben. Die Bundesregierung geht dabei von einer erneuerbaren Strommenge von 600 Terawattstunden (TWh) im Jahr 2030 aus.
Kabinett beschließt Änderungen gegenüber EEG-Referentenentwurf
Gegenüber dem Referentenentwurf von 28. Februar, über den die Solarthemen berichtet haben, hat das Kabinett – teils wohl auch unter dem Eindruck des Ukraine-Krieges – einige Veränderungen beschlossen.
115 GW Windenergie 2030
Unter anderem steigert die Bundesregierung das Ausbauziel für die Windenergie im Jahr 2030 von 110 Gigawatt (GW) im Referentenentwurf leicht auf 115 GW. Bereits 2025 will das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) ein jährliches Ausbautempo von 10 GW pro Jahr erreichen. Für 2022 rechnet sie zunächst mit etwa 3 GW Windkraft-Zubau.
22 GW Photovoltaik-Zubau pro Jahr
Ebenso ist geplant, die Photovoltaik noch schneller anwachsen zu lassen. Mithilfe eines Neubaus von nunmehr 22 GW Photovoltaik pro Jahr sollen bis zum Jahr 2030 insgesamt 215 GW installiert sein (Referentenentwurf: 200 GW). Das Ausbautempo soll von geplanten etwa 7,5 GW 2022 zügig auf 22 GW im Jahr 2026 steigen und dann bis zum Jahr 2035 konstant bleiben. Erklärtes Ziel ist es dabei, den Ausbau hälftig auf Dach- und Freiflächen zu verteilen.
Im Vorfeld hatten Teile der Solarszene kritisiert, dass eine Beschleunigung für den Dachbereich mit den geplanten Maßnahmen kaum möglich sei. Der Kabinettsbeschluss sieht vor, dass die Degression der Einspeisevergütung bis Anfang 2024 ausgesetzt werden soll. Künftig soll das EEG dabei zwischen volleinspeisenden PV-Anlagen und solchen mit einem Eigenverbrauchsanteil unterscheiden.
Die Kritik an den daraus resultierenden Vergütungssätzen für Prosumeranlagen ließ der Staatssekretär des BMWK, Patrick Graichen, allerdings in der heutigen Pressekonferenz nicht gelten: Es gehe dem Ministerium darum, „dass wir es für Volleinspeiser attraktiver machen wollen, die Dächer voll zu belegen“. Daraus abzuleiten, dass dies schlecht für Prosumermodelle sei, findet Graichen abwegig.
Die Änderungen am Vergütungsmechanismus will die Bundesregierung vorbehaltlich einer späteren Notifizierung durch die EU-Kommission bereits im Laufe des Jahres in Kraft setzen. Damit will sie Investitionszurückhaltung – den gefürchteten Attentismus – bei potenziellen PV-Betreibern zu vermeiden.
Agri-PV und Moor-PV sollen Standard werden
Für Freiflächenanlagen will die Bundesregierung die Flächenkulisse erweitern. Neben den bisherigen Konversionsflächen und Seitenrandstreifen von Verkehrswegen sowie den sogenannten benachteiligen Gebieten sollen nun Agri-Photovoltaik, Floating-PV und Moor-PV neu hinzukommen. Die neuen Kategorien will Habeck aus den Innovationsausschreibungen in die regulären PV-Freiflächenanusschreibungen überführen. Wobei es für bestimmte Agri-PV- und für Moor-PV-Anlagen einen Bonus geben soll.
Windenergie-Booster teils auf Sommerpaket vertagt
Die wesentlichen Hemmnisse für den Ausbau von Wind an Land kann die Bundesregierung aber nicht im EEG selbst lösen. Habeck will diese Hürden nicht im aktuellen Osterpaket angehen, sondern in einem später zu beschließenden sogenannten „Sommerpaket“ abbauen. Dieses zweite Paket kündigte BMWK-Staatssekretär Patrick Graichen jetzt aber bereits für den Mai an, nicht erst für die späteren Sommermonate.
Zur Flankierung dieser Maßnahmen enthält das EEG 2023 aber bereits einige Detailänderungen. So wird – ähnlich wie bei der PV-Vergütung – unter anderem die Degression des Höchstwerts in den Ausschreibungen für zwei Jahre ausgesetzt. Außerdem macht der heutige Kabinettsbeschluss das Referenzertragsmodell für windschwache Standorte attraktiver und hebt die Größenbegrenzung für Pilotwindenergieanlagen auf.
Bei der Bürgerenergie bleibt noch was zu tun
Robert Habeck hob in der Pressekonferenz Verbesserungen für die Bürgerenergie hervor. Beispielsweise werde der Staat künftig für Bürgerenergiegesellschaften einen Teil des Ausschreibungsrisikos übernehmen. 70 Prozent der Vorinvestitionen könnten künftig ersetzt werden, falls solche Projekte an Ausschreibungen scheitern sollten. Dass es dazu komme, halte er allerdings angesichts der künftigen Ausschreibungsvolumina für unwahrscheinlich, so Habeck.
Unverändert gegenüber dem Referentenentwurf blieben aber einige umstrittene Regelungen zur Bürgerenergie. Beispielsweise soll für Beteiligte an Bürgerenergiegesellschaften die Vorgabe gelten, dass diese „in den vorangegangenen fünf Jahren keine weiteren Windenergieanlagen an Land in Betrieb genommen haben.“
Möglicherweise ist darüber das letzte Wort noch nicht gesprochen. Nina Scheer, klimaschutz- und energiepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion lobte den heutigen Beschluss der Bundesregierung. Nachbesserungsbedarf für das parlamentarische Verfahren sieht sie aber offenbar noch im Bereich der Bürgerenergie. In Ihrer Pressemitteilung deutet Scheer an: „Um weitergehende Genehmigungshemmnisse zu beseitigen, gilt es zudem, Ausbaumöglichkeiten auch jenseits der Ausschreibungsgrenze der EU-Beihilfeleitlinie noch weitergehender zu nutzen; dies reizt die breite Beteiligung an der Energiewende an und hilft, Akteurinnen und Akteure der Energiewende zurück zu gewinnen. In der Vereinfachung der Beteiligung liegt das zentrale Beschleunigungspotential.“
Der heute beschlossene Kabinettsentwurf zur EEG-Änderung findet sich unter diesem Link auf der Internetseite des BMWK.
6.4.2022 | Autor: Guido Bröer
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