Brandschutz: Abstand zu Nachbarn bremst Photovoltaik
Feuersbrünste wie sie noch vor wenigen Jahrhunderten ganze Stadtviertel zerstörten, sind – zumindest in Friedenszeiten – selten geworden. Das liegt zu einem nicht geringen Teil an einer Errungenschaft des deutschen Baurechts: der Brandschutzmauer. Überall dort, wo platzsparend gebaut wird, wo ein Haus ans nächste grenzt, ist dazwischen eine eine solche zu finden. Vom Keller bis zum Dach sorgt die Brandschutzmauer in Reihenhäusern dafür, dass Funken und Flammen nicht allzuleicht zum Flächenbrand führen. Gerade auf dem Dach ist das eine heikle Angelegenheit, weshalb Auf- und Einbauten wie Dachflächenfenster, Lichtkuppeln, Gauben und auch Solaranlagen im Reihenhaus bestimmte Sicherheitsabstände von Brandschutzwänden einzuhalten haben. Dieser Abstand zum Nachbarn liegt für Photovoltaik- und Solarthermieanlagen in der Regel heute zwischen 50 Zentimetern und 1,25 Metern.
Branchenverbände monieren, auf typischen Reihenhäusern und Doppelhaushälften stehe wegen dieser antiquierten Sicherheitsabstände mehr als die Hälfte der eigentlich nutzbaren Dachfläche nicht für die Energiegewinnung zur Verfügung. Vielfach müssten PV-Anlagen wegen Brandschutzabständen so sehr eingedampft werden, dass sie schlicht nicht mehr wirtschaftlich seien.
PV-Abstand zum Nachbarn – bundesweit verschieden
Die Abstände regeln die Landesbauordnungen, teilweise auch die zugehörigen Ausführungsbestimmungen der Landesbauministerien. Bundesweit herrsche bei dem Thema ein heilloses Durcheinander, berichtet Björn Hemmann von der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) Franken. Er hat mit seinen Kollegen die Bauordnungen und Ausführungsbestimmungen aller 16 Bundesländer gesichtet.
Während in einzelnen Ländern wie Baden-Württemberg die Landesbauordnungen auf die Erwähnung von Solaranlagen im Kontext von Brandschutzabständen verzichten, um Photovoltaik und Solarthermienutzung keine Knüppel zwischen die Beine zu werfen, gelten in anderen unterschiedlos 1,25 Meter. Die Zahl stammt aus der Musterbauordnung des Bundes. Einzelne Länder wie etwa Nordrhein-Westfalen und Bayern haben in ihren Landesbauordnungen offensichtlich nach einem Kompromiss gesucht, indem sie den Mindestabstand von speziellen Solaranlagen, deren sämtliche Außenseiten aus nichtbrennbaren Materialien bestehen, auf einen halben Meter verringern.
Weniger Abstand für Glas-Glas-Module
In der Praxis bezieht sich dies nur auf gerahmte Glas-Glas-PV-Module und thermische Solaranlagen. Bayern hat als Besonderheit zudem die Einschränkung formuliert, dass der verringerte Mindestabstand für „dachparallele“ Aufdachanlagen, und somit nicht für aufgeständerte Module gleichen Typs gilt. DGS-Experte Hemmann beklagt: „Es ist wirklich von Land zu Land unterschiedlich“
Das haben freilich auch die Bauministerien von Bund und Ländern erkannt. In ihrer gemeinsamen Fachkommission Bauaufsicht arbeiten sie aktuell an einer Novelle der bundesweiten Musterbauordnung, an der sich die Bauordnungen der Länder – zumindest teilweise – orientieren.
Neue Musterbauordnung soll PV helfen
Der aktuelle Entwurf der Kommission sieht vor, den verringerten Abstand von 50 Zentimetern für gerahmte Glas-Glas-Module, den einige Länder heute schon praktizieren, in die Musterbauordnung zu übernehmen.
Der Branche geht dies allerdings nicht weit genug. In einer gemeinsamen Stellungnahme argumentieren die DGS, der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) und der Landesverband erneuerbare Energien Nordrhein-Westfalen (LEE NRW) ausführlich, warum von Solaranlagen auf Dächern keine besondere Brandgefahr ausgeht. Ihr Vorschlag: Die Bauordnungen sollten sich an den Brandschutzklassen nach der internationalen Prüfnorm für PV-Module IEC 61730 orientieren. Module mit Brandschutzklasse C sollten bis auf 50 Zentimeter an eine Brandmauer herangebaut werden dürfen. Solche mit Klasse A sogar bis unmittelbar an die Grenze zum Nachbarn.
Zwar wäre dies auch heute schon möglich. Dafür müsste Bauämter aber auf Antrag von ihrem Recht auf Abweichung nach § 69 der Bauordnungen Gebrauch machen. Aber das passiere in der Praxis nicht, so Hemmann, denn: „Bauämter wollen Vorgaben.“
14.4.2022 | Autor: Guido Bröer
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