Habecks Sommerpaket: Mehr Fläche für Windenergie

Windenergie-Anlagen im WolkenmeerFoto: christian / stock.adobe.com
Bis zum Sommerpaket soll sich der Nebel um weitere regulatorische Erleichterungen für den Windenergie-Ausbau gelichtet haben.
Für den Ausbau der Windenergie ist es einer der entscheidenden Faktoren, ob der Gesetzgeber für sie mehr Flächen verfügbar machen kann. Die Regierung hat nun gleich an mehreren Stellen Initiativen dafür gestartet. Doch Verbände wie der Bundesverband Windenergie (BWE) sind skeptisch, ob das reicht.

Wirtschaftsminister Robert Habeck und seine Kolleg:innen im Kabinett wollen gleich mehrere Hebel ansetzen, um mehr Flächen für die Windenergie zu erschließen. Das beginnt ganz grundsätzlich beim Gewicht, das erneuerbaren Energien in der Abwägung beigemessen wird. Und es geht für die Windenergie weiter mit neuen Regelungen zu Abstandsflächen und zum Artenschutz, die mit dem sogenannten Sommerpaket kommen sollen.

Sommerpaket soll Hürden für Windenergie abbauen

Die Baustellen, die sich Habeck und Co. jetzt vorgenommen haben, sind gleich mehrere. Und sie zeigen zudem die Stellen, wo der Windenergie bislang teils hohe Hürden gesetzt sind. Die eine ist in den teils widersprüchlichen Zielen zu sehen, die in Genehmigungsverfahren konkurrieren. Darin lautet dann zum Beispiel eine Frage: Ist der Ausbau der erneuerbaren Energien wichtiger oder das Landschaftsbild? Die Antwort auf diese Frage ist Aufgabe der behördlichen Abwägung. Und sie entscheidet, ob eine Fläche für ein Windrad zur Verfügung steht oder nicht.

Vorrang für Windenergie

Mit der ersten Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), die im Rahmen des „Osterpaketes” erfolgt, gibt es eine klare Verschiebung der Gewichte. Und an diesem Punkt hat der Kabinettsbeschluss zum EEG gegenüber dem zunächst vorgelegten Entwurf noch einmal nachgelegt. Im ersten Entwurf stand zum neu gefassten Paragrafen nur ein Satz: „Errichtung und Betrieb von Anlagen sowie den dazugehörigen Nebenanlagen liegen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit.“

Im Kabinettsbeschluss zum EEG findet sich dort nun eine weitergehende Klarstellung: „Bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral ist, sollen die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden. Satz 2 gilt nicht gegenüber Belangen der Landes- und Bündnisverteidigung.“ Diesen Vorrang hatte im Vorfeld bereits der BWE gefordert. Dieser müsse ausdrücklich festgeschrieben werden. Das ist nun zumindest für das EEG selbst erfolgt.

„Konkret sollen die erneuerbaren Energien damit im Rahmen von Abwägungsentscheidungen u.a. gegenüber seismologischen Stationen, Radaranlagen, Wasserschutzgebieten, dem Landschaftsbild, Denkmalschutz oder im Forst-, Immissionsschutz-, Naturschutz-, Bau- oder Straßenrecht nur in Ausnahmefällen überwunden werden”, führt die Begründung zur EEG-Novelle aus. Andere öffentliche Interessen könnten Erneuerbaren insbesondere im Außenbereich nur dann entgegenstehen, wenn sie einen dem Artikel 20a des Grundgesetzes vergleichbaren verfassungsrechtlichen Rang besäßen. Artikel 20a richtet sich auf den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Tiere.

Abwägung pro Windenergie

Andere Belange werden also wohl künftig häufig gegenüber dem Ausbau der erneuerbaren Energien zurückstehen müssen. Gleichwohl unterstreicht die Regierung mit Verweis auf den Artikel 20a GG die hohe Bedeutung des Natur- und Artenschutzes. Und Habeck hat sich zusammen mit der Bundesumweltministerin Steffi Lemke dieses Themas angenommen. Sie haben sich zunächst auf Eckpunkte zum Verhältnis vom Ausbau der Erneuerbaren und dem Artenschutz verständigt.

Letzterer ist häufig ein Anlass, um gegen Windenergieanlagen vor Gericht zu ziehen.
Die Verständigung der beiden Ministerien soll ebenfalls zu mehr Fläche für die Windenergie führen. Dies scheint bis Ostern aber noch nicht möglich zu sein. Die erforderliche Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes ist daher ein Teil des sogenannten „Sommerpaketes”. Dieses wolle die Regierung aber, sagt Habeck, möglichst schon in den Mai vorziehen.

Artenschutz und Windenergie

Lemke und Habeck haben sich darauf verständigt, künftig Landschaftsschutzgebiete vollumfänglich als Fläche für die Windenergie vorzusehen. Das soll nur dann nicht erfolgen, wenn die Flächen gleichzeitig als höherrangige Schutzgebiete ausgewiesen sind. Außerdem soll der Artenschutz für Windenergieprojekte an klareren Kriterien bundeseinheitlich ausgerichtet sein. So haben die beiden Ministerien schon eine Liste mit 16 Vogelarten vorgelegt, bei denen von einem höheren Kollisions- und damit Verletzungs- sowie Tötungsrisiko auszugehen ist. Für jede dieser Arten sind bestimmte Schutzzonen rund um die Brutstätten definiert. Dort ist es dann nicht oder nur eingeschränkt möglich, eine Wind­energieanlage zu errichten. Allerdings soll es künftig auch nicht erlaubt sein, in Flächen, die für die Windenergie vorgesehen sind, künstliche Nistplätze zu errichten.

Darüber hinaus soll offenbar nicht mehr geprüft werden, ob Windenergieanlagen einzelne Individuen von Arten gefährden. Vielmehr soll es um den bundesweiten Erhalt von Arten gehen. Windenergieanlagen dürfen dann errichtet werden, wenn es einen Nachweis für eine Nicht-Verschlechterung der Artensituation im bundesweiten Maßstab gibt.

Sonderregeln für Vogelansammlungen und Fledermäuse

Und in den ersten drei Jahren nach Inkrafttreten der Novelle reicht es dafür aus, wenn das Bundesamtes für Naturschutz die Art nicht auf einer Gefährdungsliste führt oder das Amt die Nicht-Gefährdung feststellt. Abweichende Regelungen der Länder sollen nicht möglich sein. Lediglich beim Umgang mit Vogel-Ansammlungen und bei Fledermäusen können die Länder ihre individuellen Vorgehensweisen beibehalten.

Dabei soll es für potenzielle Projektierer möglich sein, Windenergieanlagen auch auf Flächen zu errichten, wo einzelne Arten gefährdet sein könnten. Hier können sie mit Vermeidungsmaßnahmen, zum Beispiel Antikollisionssystemen oder einer angepassten Bauweise der Anlagen, arbeiten. Ziel ist, dass sie das Tö­tungsrisiko unter eine definierte Signifikanzschwelle senken. Vorgesehen ist zudem, dass die Betreiber der Windenergieanlagen in ein noch zu schaffendes Artenhilfsprogramm einzahlen, wenn sie eine artenschutzrechtliche Ausnahmeregelung nutzen.

Bitte keine neuen Tabuzonen

„Neue Tabubereiche, zusätzliche Prüfbereiche oder gegriffene Zumutbarkeitsschwellen für Abschaltungen lehnen wir ab”, sagt BWE-Präsident Hermann Albers. Gerade bei Abschal­tun­­gen sei zu fragen, in welchem Umfang diese artenschutzrechtlich tatsächlich erforderlich seien. Zu bedenken sei auch, dass durch die Maßnahmen der Stromertrag sinke und sich dadurch der Gesamtbedarf an Fläche für Windenergieanlagen erhöhe.

Jörg-Andreas Krüger, Präsident des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu), bemängelt hingegen, die Eckpunkte der Ministerien schwächten an vielen Stellen den Naturschutz. „Für eine naturverträgliche Energiewende muss hier dringend nachgearbeitet werden.“ Das Problem für den Ausbau der Windenergie sieht Krüger in den Mindestabständen zur Wohnbebauung, die die Bundesländer beliebig festlegen könnten. Dies sowie fehlende Kapazitäten in den Genehmigungsbehörden würgten den Ausbau der Windenergie ab.

Abstände von Windrädern zur Wohnbebauung

Allerdings will sich die Regierung auch dieses Themas annehmen. Klara Geywitz, Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, hat einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Aufhebung der Länderöff­nungs­klausel zur Vorgabe von Min­dest­ab­ständen zwischen Windenergieanlagen und Nutzungen zu Wohnzwecken vorgelegt. Dieser ist mit dem Kabinett bislang noch nicht abgestimmt. Das Ministerium will damit erreichen, dass die Länder keine neuen Mindestabstände nach § 249 Abs. 3 des Baugesetzbuches beschließen. Allerdings sollen bestehende Regelungen, also auch die 10-H-Regelung in Bayern, Bestand haben.

Der BWE fordert hingegen, den § 249 Abs. 3 BauGB in der aktuellen sowie einer älteren Fassung unver­züg­lich ohne Übergangsvorschrift mit sofortiger Wirkung aufzuheben.

Mehr Windenergie-Fläche im Radar-Umfeld

Recht schnell wirksam sein sollen Erleichterungen im Umkreis von Drehfunkfeuern und Radaren. Darauf haben Robert Habeck und Volker Wissing, der Bundesminister für Digitales und Verkehr, hingewirkt. Laut Wissing soll eine neue Verordnung möglichst sofort greifen, sobald Institutionen wie die Deutsche Flugsicherung die letzten offenen Fragen geklärt hätten. Mit ihr und weiteren Institutionen wie dem Deutschen Wetterdienst hatten sich die Minister laut eigener Aussage persönlich zusammengesetzt, um mehr Fläche für Windenergie zu schaffen. Denn in einem weiten Umkreis um die Drehfunkfeuer und die Wetterradare durften bislang keine Windenergieanlagen errichtet werden. Auch aufgrund technologischer Entwicklung können sich diese Tabuzonen nun deutlich verkleinern.

Habeck schätzt, dass dadurch Flächen für Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 5 Gigawatt frei würden. Und er rechnet auch mit einem schnellen Aufbau der Anlagen, da in diesen Regionen die Planungen teils schon weit gediehen seien.

So kann es hier kurzfristig zu einer größeren Fläche für die Windenergie kommen. Weitere sollen im Rahmen des Sommerpaketes folgen. Dazu gehört es auch, im Immissionsschutzrecht Grundlagen für ein leichteres Repowering zu schaffen.

15.4.2022 | Autor: Andreas Witt
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