Sommerpaket: Regierung will Wasserkraftanlagen unter 500 kW finanziell trockenlegen
Im Erneuerbare-Energien-Gesetz gibt es bislang Einspeisevergütungen bzw. Marktprämien für Wasserkraftanlagen bis 500 Kilowatt (kW) Leistung. Diese will die Regierung nach Vorschlag von Wirtschaftsminister Robert Habeck für neue Anlagen komplett streichen. Das würde allerdings auch für Anlagen gelten, die die Betreiber erneuern und auf eine höhere Leistung bringen wollen.
Stopp der Wasserkraftanlagen aus ökologischen Gründen
„Mit der Änderung in § 40 Absatz 1 EEG 2023 wird die Förderung für neue Wasserkraftanlagen auf Anlagen ab einer installierten Leistung von 500 kW aufgrund der besonderen gewässerökologischen Auswirkungen kleinerer Anlagen eingegrenzt“, heißt es dazu in der Gesetzesbegründung. Und weiter: „Mit der Änderung in § 40 Absatz 2 Satz 1 EEG 2023 wird auch für bestehende Anlagen mit einer installierten Leistung bis 500 kW im Fall der Erhöhung des Leistungsvermögens die Vergütung ausgeschlossen. Auch dies trägt den besonderen gewässerökologischen Auswirkungen Rechnung.“
Damit gewönnen Naturschützer sowie Anglerverbände die Oberhand in einem Streit um die Wasserkraft. Den führen sie schon seit vielen Jahren mit Befürwortern erneuerbarer Energien. Gerade bei Bündnis 90/Die Grünen ist dies auch eine innerparteiliche Auseinandersetzung.
Sterberisiko von Fischen
Die Naturschützer stützen sich auf Studien wie die von Christian Wolter vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB). Er hat einen Bewertungsindex zum Sterberisiko von Fischen an Wasserkraftanlagen entwickelt. Sein Fazit: „Die rund 7000 Wasserkraftanlagen in Deutschland mit einer installierten Leistung von weniger als einem Megawatt produzierten nur etwa 14 Prozent des Gesamtstroms aus Wasserkraft von 17,5 Terawattstunden pro Jahr im Jahr 2019.“ Ihr Beitrag zur Energiewende sei damit marginal. Und die von der Wasserkraft verursachten Schäden in Gewässerökosystemen und an den Fischbeständen sei aber vergleichsweise hoch. Wolter stellt den Beitrag der kleinen Wasserkraftanlagen für die Energiewende in Frage. Denn diese seien häufig gar nicht grundlastfähig und liefen in wenig effizienter Teillast, weil die Wassermengen zu gering seien.
Pro und contra Wasserkraft
Auf wenig Gegenliebe stößt Wolter mit dieser Forderung bei Helge Beyer, dem Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Wasserkraftwerke (BDW). Die Wasserkraftanlagen werden nach seiner Überzeugung gebraucht, um Schwankungen bei Solar- und Windkraftwerken auszugleichen. Wichtig seien dabei im lokalen Zusammenhang auch kleinere Wasserkraftanlagen. Und die Durchgängigkeit an Flüssen sei auch mit Wasserkraftanlagen herzustellen, so Beyer. Letztlich sei das eine Kostenfrage. Der Wasserkraftvertreter fragt aber auch, ob die Durchgängigkeit überhaupt immer erforderlich sei.
Während Beyer meint, gerade die kleinen Anlagen könnten ökologische Auflagen am besten erfüllen, sieht Wolter ein Potenzial für ökologische Verbesserungen eher bei größeren Anlagen ab mindestens 1 Megawatt. Wolter räumt allerdings ein, dass die ökologischen Probleme in deutschen Flüssen nicht allein auf die Wasserkraft zurückzuführen seien. So gebe es in Deutschland allein 200.000 Wehre. Würde davon ein größerer Teil – wo möglich – zurückgebaut und ein kleinerer Teil der Standorte für Wasserkraftanlagen genutzt, so wäre das für die Gewässer schon eine Verbesserung.
Wasserkraft kann ökologische Qualität verbessern
Chancen, die ökologische Qualität bei Nutzung der Wasserkraft zu heben, sieht auch das europäische Forschungsprojekt FitHydro. Es lief von November 2016 bis April 2021 und wurde von Prof. Peter Rutschmann von der Technischen Universität München koordiniert. Leitgedanke des Projektes sei es, dass umweltfreundliche und nachhaltige Wasserkraft die Entwicklung gesunder Flüsse und sich selbst erhaltender Fischpopulationen unterstützen und andere erneuerbare Energiequellen ergänzen könne. Um dies zu erreichen, entwickelte das Forscherteam eine Reihe von Ideen.
Diese jedoch wären hinfällig, wenn der Gesetzgeber mit dem neuen EEG die Wasserkraftanlagen bis 500 kW von den gesetzlichen Vergütungen ausschlösse. Dabei will Habecks Ministerium die Vergütung von Wasserkraftanlagen sowieso an ökologische Standards koppeln. Sie müssten künftig ausdrücklich die Regelungen des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) einhalten, um über das EEG eine Förderung zu erhalten. Diese ausdrückliche Bestimmung will das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) neu in das EEG aufnehmen. Dann fiele es Wasserschutzbehörden auch leichter, die Vergütung auch bestehender Anlagen jeglicher Größe auszusetzen, wenn ihrer Auffassung nach der Betrieb einer Anlage gegen das WHG verstößt.
Widerstand gegen Pläne der Regierung
Jetzt formiert sich erster Widerstand gegen die Neuregelungen. Der Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW) hält sie für „völlig fehlgeleitet“. „Diese völlig unerwartete Neuausrichtung der Wasserkraftförderung passt überhaupt nicht in die Zeit, in der jede regenerative Kilowattstunde zählt, um die Importabhängigkeit im Energiesektor zu senken“, betont LEE NRW- Vorsitzender Reiner Priggen. „Sollte es im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren nicht gelingen, diese Änderungen rückgängig zu machen, droht der kleineren Wasserkraft hierzulande mittelfristig das Aus.“
Nach Angaben des LEE NRW haben von den bundesweit circa 7.300 Wasserkraftwerken rund 90 Prozent eine Leistung von weniger als 500 kW. Nach vorliegenden Statistiken versorgten allein die kleinen Wasserkraftwerke mehr als eine Million Haushalte bundesweit mit Strom.
Für Priggen ist nicht nur die Förderkappung bei 500 Kilowatt „absolut willkürlich und nicht nachvollzierbar“, sondern auch die Verknüpfung mit den gewässerökologischen Anforderungen nicht sachgerecht .„Die ökologische Verträglichkeit von Wasserkraftanlagen wird bereits von den zuständigen Wasserbehörden auf Basis des Wasserhaushaltsgesetzes und den Landeswassergesetzen geprüft und bewertet. Deshalb hat dieses Kriterium im EEG nichts zu suchen.“
19.4.2022 | Autor: Andreas Witt
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