Windstrom & Co. regional vermarkten

Symbolbild für regionale Vermarktung von Windstrom: ältere Windenergieanlagen mit Strommast im Sonnenuntergang.Foto: Nightman / stock.adobe.com
Es gibt verschiedene Möglichkeiten für die Vermarktung regional erzeugten Windstroms und Solarstroms.
Dezentralität ist ein Merkmal erneuerbarer Energien. Mit Regionalstrom hat der Gesetzgeber im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) eine Möglichkeit schaffen wollen, Windstrom & Co. lokal zu vermarkten. Doch es gibt auch weitere Lösungen für den Stromverkauf vor Ort.

Andreas Schmitt, Geschäftsführer der Westfalenwind Strom GmbH, kann sich vor Kundenanfragen derzeit kaum ret­ten. Kein Wunder, denn der vor allem regional im Paderborner Raum tätige Energiever­sor­ger bietet auch Neukun­den in der Re­­gion einen Strompreis von unter 30 Cent je Kilowattstunde. Ein Blick in Ver­gleichs­por­tale zeigt bei anderen Stromanbietern dagegen Preise von gut über 40 Cent. Dabei machen Schmitt und seine Kolleg:innen jetzt nichts anders als in den Vorjahren. Sie haben von Anfang an auf Erzeugungsanlagen aus der Region gesetzt. Westfalenwind verkauft Strom aus den ei­ge­nen Wind- und Solarparks sowie aus Anlagen anderer Betreiber:innen. Mit letzteren hat Westfalenwind langjährige Stromlieferver­trä­ge – Power Purchase Agreements (PPA) – geschlossen. Das gab den Partnern in den Vorjahren Sicherheit, jetzt ver­schafft es Westfalenwind in Zeiten mit sehr hohen Börsenstrompreisen gün­stige Strombezugspreise.

Dabei setzt sich das Portfolio aus ausgeförderten älteren Anlagen sowie neueren zusammen. Und das auf regionalem Strom aus Wind-, Solar-, Biogas- und Wasserkraftanlagen basierende Geschäftsmodell scheint aufzugehen. Westfalenwind habe aber nie mit Regionalnachweisen gearbeitet, so Schmitt: „Das System ist zu kompliziert und geht am Kunden vorbei..”

Regionalnachweis für Strom aus der Region

Regionalnachweise standen zum ersten Mal im Jahr 2017 im EEG. Nutzbar sind sie seit dem 1. Januar 2019. Die Idee dieser Regionalnachweise: eine klare Zuordnung von regional mit erneuerbaren Energien erzeugten Kilowattstunden, die so handelbar sind. Das Umweltbundesamt erhielt den Auftrag, das Regionalnachweisregister zu führen. Hier können Betreiber der Anlagen ihren Regionalstrom zertifizieren und Energieversorger können die Nachweise nut­zen, um Regionalstrom zu vermarkten. Allerdings sind in diesen Regionalstrom EEG-Marktprämien geflossen. Weil es aber nicht erlaubt ist, diesen Strom doppelt als grünen zu vermarkten, wird der Regionalstrom zu Graustrom. Und wollen Energieversorger ihn doch als regional erzeugter Ökostrom anbieten, müssen sie ihn über zusätzlich er­wor­bene Ökostromzertifikate wieder ergrünen lassen. Dies wiederum den Verbraucher:innen zu erklären, macht diese Art der Vermarktung von Regionalstrom nicht gerade zu einem Selbstläufer.

Wie Elke Mohrbach vom Umweltbundesamt (UBA) erklärt, seien am 3. Januar 2022 im Regionalstromnachweis­re­gis­ter 427 Anlagenbetreiber, 147 Händ­ler und 146 Ener­gieversorgungs­un­ternehmen (EVU) registriert gewe­sen. Diese Zahlen könne man jedoch nicht einfach addieren. Die Registerteilnehmenden können gleichzeitig Anla­gen­betreiber und/oder Händ­ler und/ oder EVU sein.

Bisher habe der Regionalstrom eine überschaubare Bedeutung, sagt Mohrbach. „Nach unserer Einschätzung sind es vor allem Stadtwerke mit eigenen Anlagen, die hier punkten können.” Mit dem Angebot von Regionalnachweisen komme man dem Wunsch der Verbraucher:innen nach, Strom aus der Region zu beziehen. Regionalität sei ja auch sonst ein häu­figes Kriterium beim Kauf von Produk­ten und nehme in der Bedeutung weiter zu.

Stadtwerk bietet Regionalstrom an

Eines der Stadtwerke, das sich mit EEG-Regionalstrom einen speziellen Markt erschließt, sind die Stadtwerke Soest. „Nach dem Start am 15. November 2019 haben wir bereits innerhalb weniger Wochen eine hohe dreistellige Zahl an Kunden gewinnen können”, berichtet Harald Feine, Pressesprecher der Stadtwerke: „Inzwischen liegen die Kundenzahlen bei über 1500 Haushaltskunden und verschiedenen Gewerbebetrie­ben.” Und diese Kunden sind offenbar bereit, rund 2 Cent je Kilowattstunde für das Regionalstromprodukt im Vergleich zum üblichen Stromangebot der Stadtwerke zu zahlen.

„Mit dem Regionalstrom machen wir die Energiewende vor Ort erlebbar und erhöhen zugleich die Bindung an den Versorger vor Ort als lokalen Motor der Energiewende”, sagt Feine zur Motivation der Stadtwerke. Die erhöhte Nachfrage nach regional erzeugtem Ökostrom könne dessen weiteren Aus­bau zusätzlich unterstützen.

Rund ein Viertel der Partneranlagen seien ausgeförderte EEG-Anlagen, so Feine. Alle Anlagen seien in eine Softwareplattform eingebunden. Den Kunden des Regionalstromproduktes bie­ten die Stadtwerke darüber an, ganz konkret einzelne Anlagen in der Region aus­zu­wäh­len, von denen sie den Strom beziehen wollen.

Schwieriger Markt der regionalen Stromvermarktung

Bislang sei es nur ein kleiner Teil der Stadtwerke, die ein regionales Produkt anbieten, sagt Torsten Brose von der Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) im Verband kommunaler Unternehmen (VKU). Die ASEW berate einige der Stadtwerke bei der Produktentwicklung und bem Marketing. Dabei sei der EEG-Regionalstrom kein einfaches Produkt. Er sei noch erklärungsbedürftiger als Ökostromprodukte. Und in der Regel sei auch nur ein Teil des Stroms zer­ti­fi­zier­ter Regionalstrom. Denn ge­mäß den Regelungen des EEG könne dieser nicht größer sein als der als EEG-Strom ausgewiesene Anteil an einer Stromlieferung. Und er bilde davon nur eine Teilmenge. Da außerdem derzeit die Marktsituation nicht für höher­prei­sige Premiumprodukte spreche, sei es schwierig, ein Regionalstromprodukt zu platzieren. Es gebe leider nur wenige Beispiele wie in Soest, wo es gut laufe. Aus Sicht von Brose ist es dafür wichtig, den Regionalstrom in ein überzeugen­des Gesamtkonzept für den Ausbau erneuerbarer Energien einzubinden.

Interesse an Regionalstrom wächst

Das Umweltbundesamt verzeichne allerdings seit dem letztem Jahr seitens der EVU vermehrt Fragen zum Thema regionaler Grünstrom, erklärt Mohr­mann. Das sei auch anhand der Gesamtentwertungsmengen im Regionalnachweisregister (RNR) abzulesen. Für das Stromlieferjahr 2019 sind demnach rund 54,6 Millionen Regionalnachweise von den im RNR registrierten EVU entwertet worden. Im Jahr 2020 seien diese bereits auf rund 214,1 Millionen gestiegen. Dabei entspreche ein Regionalnachweis einer an Letztverbraucher gelieferten Kilowattstunde Strom.

Als lokale Akteure sind Stadtwerke durchaus bedeutsam für den Ausbau erneuerbarer Energien in ihrer Region, sofern sie diese Aufgabe annehmen. Das gilt mindestens ebenso für Energiegenossenschaften. Und für sie sei regionaler Strom durchaus ein spannendes und wichtiges Thema, sagt Felix Schäfer, Vorstand der Bürgerwerke eG, einem Zusammenschluss von rund 100 regionalen Energiegenossenschaften. Ebenso wie die Nutzung des Stroms von der eigenen Solaranlage könne der Strom aus der Region ein guter Hebel sein, um den Menschen die Energiewende nahezubringen, betont Schäfer. Er sollte dann aber auch einen finanziellen Mehrwert liefern.

Und genau dies sei beim Regionalstrom gemäß EEG nicht der Fall. Die aktuelle Rechtslage sei alles andere als trivial, das Verfahren kompliziert, so Schäfer. Das hätten die Erfahrungen einzelner Genossenschaften mit dem EEG-Regionalstrom gezeigt. Dieser Regionalstrom sei damit mindestens ge­nauso teuer wie Egalstrom und überdies sehr erklärungsbedürftig. „Damit holt man niemanden hinterm Ofen hervor“, so das Fazit von Schäfer. Die Energiegenossenschaften nutzen daher eher ihre Verankerung in den Regionen, um ihren Strom zu vermarkten. Helfen könne dagegen den regionalen Energiegenossenschaften ein Energie-Sharing-Konzept, wie es das Institut für Öko­logische Wirtschaftsforschung (IÖW) empfehle.

Energy Sharing als Alternative

Demnach sollten Bürger:innen Windkraft- oder Solaranlagen in ihrer Umgebung mitfinanzieren und den produzierten Strom selbst mit einem Kostenvorteil beziehen können. Doch die bestehenden Strukturen zur Förderung erneuerbarer Energien sähen dies aktuell nicht vor, so das IÖW: „Wir schlagen daher vor, dass Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften das Stromnetz nutzen können und einen finanziellen Vorteil erhalten sollten, wenn sie selbst erzeugten Strom aus ihrer Anlage zeitgleich verbrauchen.“ Dafür sollten die regulatorischen Rahmenbedingungen jetzt geschaffen werden, fordern die Wissenschaftler:innen.
Das vom IÖW vorgeschlagene Mo­dell hängt noch von politischen Entscheidungen ab.

Stadtwerke, Genossenschaften und Unternehmen wie Westfalenwind können aber auch jetzt schon regional erzeugten Erneuerbare-Energien-Strom voranbringen – und damit auch Kunden gewinnen.

19.4.2022 | Autor: Andreas Witt
© Solarthemen Media GmbH

Schließen