Genehmigung für große Solarthermie aus Behördensicht
Felix Landsberg, Berater beim Hamburg-Institut hat in den vergangenen Wochen viel mit Bauämtern, unteren Naturschutzbehörden und Stadtwerken gesprochen. Mit Hilfe qualitativer Interviews versucht der Wissenschaftler ein Bild der aktuellen Praxis bei der Genehmigung von großen Solarthermie-Anlagen zu zeichnen. Die Studie des Hamburg-Instituts soll Aufschluss darüber geben, wo es bei den Genehmigungsprozessen für große Solarthermieanlagen in Deutschland noch hakt, was gut läuft und wie es noch besser laufen könnte. Die Studie finanziert sich aus Mitteln des Bundesumweltministeriums im Projekt SolnetPlus.
Erste Trends aus den Befragungen
Noch sind die Befragungen nicht abgeschlossen. Doch erste Trends ließen sich schon erkennen, verriet Landsberg der Energiekommune: „Meist geht es in der einen oder anderen Weise um das Thema Fläche.“ Denn große Solarthermieanlagen für die Fernwärme werden heute zumeist auf Freiflächen realisiert und benötigen Platz. Im Gegensatz zu Photovoltaikprojektierern sind Fernwärmebetreiber bei der Standortsuche für Solarkollektoren allerdings deutlich weniger flexibel. Die Anlagen können nicht allzu weit von den Wärmenetzen und den Verbrauchern entfernt entstehen. Andernfalls würde der Leitungsbau die Kosten steigern und der Netzverlust die Effizienz senken.
Nach Landsbergs Erkenntnissen lief es in den bisherigen Projekten meist so, dass für ein bestimmtes Solarprojekt eine Fläche gesucht wurde. Ist ein potenzielles Gelände gefunden, dann landet der Fall bei den kommunalen Genehmigungsbehörden. Zwischen Projektierer und Behörde ist zu klären, ob, wie und unter welchen Auflagen eine Freiflächen-Solarthermieanlage an diesem Standort genehmigungsfähig ist. Zumeist geschehe dies im Rahmen eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans, weiß Landsberg zu berichten. Es seien aber auch Anlagen auf bereits bestehenden Bebauungsplänen entstanden. Ferner seien im Außenbereich einige Anlagen auf Basis der Privilegierung für Versorgungsinfrastruktur nach § 35 des Baugesetzbuches realisiert worden.
Welche Gutachten sind für Solarthermie-Flächen nötig?
Egal auf welcher dieser Grundlagen der Prozess der Genehmigung laufe, stets bedeute eine Solarthermie-Anlage für die zuständigen Unteren Bau- und Naturschutzbehörden einen Sprung ins kalte Wasser. „Da schwingt immer eine gewisse Unsicherheit mit, weil die Behörde es zum ersten Mal macht“, sagt Landsberg. „Es fängt damit an, welche Gutachten überhaupt einzuholen sind. Wir sind bei unseren Befragungen auf Blendgutachten gestoßen, auf Versickerungsgutachten, auf Umweltgutachten zu Natur- und Artenschutz, sogar auf Verkehrsgutachten wegen des Lieferverkehrs für die ergänzende Hackschnitzelfeuerung.“ Für diese Gutachten gebe es wegen der individuellen Erfordernisse vor Ort keine Standards, so Landsberg. „Hilfreich wäre aber aus Sicht der Behörden, wenn es ein Muster gäbe, welche Gutachten nicht für jedes Projekt individuell erstellt werden müssen.“
Für die Mitarbeiter:innen der Ämter ergäben sich weitere Unsicherheiten, „welche Träger öffentlicher Belange überhaupt zu beteiligen sind und welches Maß an Ausgleichsmaßnahmen unter welcher Art der Flächengestaltung zu fordern ist.“ Mitunter sei es in den vom Hamburg-Institut untersuchten Projekten möglich gewesen, die Kollektorfelder so naturverträglich zu gestalten, dass sich kein weiterer Ausgleichsbedarf ergeben habe. Teils hätten die Anlagenbetreiber die Ämter überzeugen können, dass sie intensiv genutztes Ackerland in eine extensive Beweidung überführten. Es fehle aber eine klare Richtschnur für solche Behördenentscheidungen, sagt Landsberg.
Behörden wünschen klare Regeln für Solarthermie-Genehmigung
Zwar komme es vor Ort immer auf den Einzelfall an, und deshalb sei die kommunale Planungshoheit so wichtig, betont Landsberg. Und dennoch wünschten sich viele der Befragten klarere Regeln und Vorgaben für den Genehmigungsprozess: „Zum Beispiel wäre eine Vorgabe der Länder sinnvoll, wie Ausgleichsmaßnahmen zu quantifizieren sind oder welche Auflagen für die Nutzung der Flächen zwischen den Kollektorreihen sowie für deren Abstände oder Bauhöhen gelten sollten.“ Solche Vorgaben seien größtenteils Ländersache, erklärt Landsberg.
Ein Beispiel: In Schleswig-Holstein besteht für Solarparks die Vorgabe, auf die Abstände zwischen Boden und Unterkante der Module Acht zu geben. Umweltverbände fordern hier sogar die Festsetzung einer Mindesthöhe, um Schafen zu ermöglichen darunter hindurch zu schlüpfen. Im Gegensatz dazu bestand eine Genehmigungsbehörde in NRW aus optischen Gründen auf einer Maximalhöhe der Kollektor-Oberkante von 2 Metern über Grund.
Einen konkreten Tipp hat Felix Landsberg in dieser Situation für alle Fernwärmebetreiber und Planungsbüros, die mit der Idee einer solaren Freiflächenanlage schwanger gehen: „Sprechen Sie sehr frühzeitig mit der Umweltbehörde beziehungsweise der Unteren Naturschutzbehörde. Wenn man früh in den Dialog geht, kann man spätere Probleme vermeiden.“
Öffentlichkeit einbinden für Solaranlagen
Das gelte im Prinzip auch für die Beteiligung der Öffentlichkeit, meint Landsberg. Immerhin laufe diese bei Projekten zur Fernwärmeversorgung meist besser als mitunter bei großen Photovoltaikparks. Dort rege sich schon allein deshalb Widerstand, weil ein externer Investor eine Kommune mehr oder weniger mit seinen Plänen überraschte. Derlei sei von Solarthermieprojekten bislang kaum bekannt, so Landsberg: „Solare Wärmenetze entstehen meist aus der Mitte der kommunalen Gesellschaft. Der vorgelagerte Planungsprozess findet vor Ort statt. Die Betreiber sind oft in der Kommune ansässig. Und auch die Nutznießer, die Wärmeabnehmer, leben in der Gemeinde. Idealerweise gibt es sogar eine finanzielle Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an den Anlagen. Sei es, dass diese genossenschaftlich organisiert sind oder dass der finanzielle Nutzen über den Querverbund eines Stadtwerks der Allgemeinheit zugute kommt.“
Flächensuche für Solarthermie vom Kopf auf die Füße stellen
Wenn alles gut läuft, dann gibt es mit der Flächenfindung und Genehmigung für eine große Solarthermieanlage keine besonderen Probleme. Dennoch sind die Wissenschaftler:innen des Hamburg-Instituts mittlerweile zu der Überzeugung gekommen, dass der Prozess der Flächensuche insgesamt vom Kopf auf die Füße gestellt werden muss, um bei der Energiewende mit der nötigen Geschwindigkeit voranzukommen. Landsberg: „Unser Credo lautet ,von der Fläche zum Projekt, nicht vom Projekt zur Fläche‘.“ Will heißen: Kommunen werden im Zuge der Energiewende so viele Flächen für die Energieernte ausweisen müssen, dass ein systematisches Flächenscreening für die verschiedenen regenerativen Energien das Gebot der Stunde ist. Landsberg sagt: „Die meisten Kommunen müssen erstmal die Grundlagen legen für den erforderlichen Abwägungsprozess. Sie müssen sich fragen: Wieviel Energie können und müssen wir auf unserem Stadt- oder Gemeindegebiet erzeugen. Dafür bedarf es einer interkommunalen strukturierten Flächenanalyse.“
Mit diesem Begriff beschreibt Landsberg ein Vorgehen, das eigentlich sogar über die neuesten Vorgaben einer kommunalen Wärmeplanung hinausgeht, wie sie Baden-Würtemberg vorexerziert und laut Ankündigung der Bundesregierung demnächst auch bundesweit Pflichtaufgabe werden soll: „Wärmeplanung ist sehr gut und wichtig. Aber dabei ist auch die Sektorenkopplung, also die Verknüpfung mit dem Strombereich zu bedenken. Es muss ein generelles Umdenken stattfinden, wie Stadtgesellschaften mit Flächen umgehen.“
23.4.2022 | Autor: Guido Bröer © Solarthemen Media GmbH
Dieser Artikel ist original in der Ausgabe 4/2022 der Zeitschrift Energiekommune erschienen. Energiekommune ist der Infodienst für die lokale Energiewende. Er erscheint monatlich. Bestellen Sie jetzt ein kostenloses Probeabonnement mit drei aktuellen Ausgaben!