Kohleausstieg bis 2030 auch ohne Erdgas aus Russland möglich
Das ist das zentrale Ergebnis einer Studie, die Energy Brainpool im Auftrag der Ökoenergiegenossenschaft Green Planet Energy erstellt hat. Auch der CO2-Ausstoß würde im kalkulierten Szenario deutlich sinken. Voraussetzung für den schnellen Kohleausstieg ohne Erdgas aus Russland sei, die erneuerbaren Energien im Höchsttempo auszubauen.
Erdgas-Einsparung: Schnelle Wärmewende bringt viel, verzögerter Kohleausstieg wenig
Die in der Politik diskutierte Idee, den Kohleausstieg zunächst zu verzögern, um russisches Erdgas in der Stromerzeugung zu ersetzen, führt laut Studie nur zu minimaler Gaseinsparung. „Durch den Ersatz von Gaskraftwerken bei der Stromproduktion durch Kohlekraftwerke kann nur rund ein Prozent der deutschen Erdgasnachfrage eingespart werden, maximal sechs Terawattstunden im Jahr“, sagt Fabian Huneke von Energy Brainpool. Zugleich würden dadurch zusätzliche 55 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen.
Nach Analyse des Energieexperten ist nicht ein späterer Kohleausstieg, sondern eine schnellere Wärmewende ein wichtiger Faktor für geringeren Gasverbrauch. Gas werde hauptsächlich im Wärmebereich genutzt. Deshalb seien Maßnahmen zur Energieeinsparung im Wärmesektor wie der Einbau von Elektrodenkesseln in KWK-Anlagen, ein schneller Umstieg auf Wärmepumpen und effizientes Heizen besonders wirkungsvoll.
„Die Bundesregierung darf den schnellen Kohleausstieg nicht verschleppen. Die neue Studie zeigt, wie wir auch angesichts des Ukraine-Krieges das nötige Tempo halten können – und den Klimaschutz sogar noch verstärken können“, sagt Sönke Tangermann, Vorstand bei Green Planet Energy.
Reihenfolge der Abschaltungen im Kohleausstieg am Klimaschutz ausrichten
Im Sinne eines größtmöglichen Klimaschutzeffekts schlägt Energy Brainpool eine konkrete Abschaltreihenfolge für die deutschen Kohlekraftwerke vor. Zuerst stillgelegt werden sollen demnach besonders ineffiziente und CO2-intensive Braunkohlemeiler. Am Ende der Abschaltliste stehen modernere Steinkohlekraftwerke mit hohem Wirkungsgrad. Durch diese für den Klimaschutz optimierten Abschaltreihenfolge können laut Studie bis zu 310 Millionen Tonnen CO2-Emissionen zusätzlich eingespart werden. „Weil in diesem Fahrplan zuerst zahlreiche Braunkohlemeiler stillgelegt werden, lassen sich außerdem Tagebaue so beenden, dass dort keine weiteren Dörfer mehr abgebaggert werden müssen“, sagt Tangermann.
Verlagerung von Industrie in den Sonnengürtel hilft beim Kohleausstieg und spart Erdgas
Auch ein entschlossener Ausbau der erneuerbaren Energien reiche aber nicht, um den schnellen Kohleausstieg mit aktuell noch 29 GW Leistung zu kompensieren. „Hilfreich und sinnvoll“ wären „Produktionsanpassungen“ bei den Energieverbrauchern, „vor allem der chemischen Industrie“. Konkret nennt die Studie die Ammoniak-Herstellung. Diese benötigt in Deutschland jährlich rund 28 TWh Erdgas. Der Vorschlag von Energy Brainpool ist, diese in sonnenreiche Länder zu verlagern. Dort könne man sie anstelle von Erdgas mit solar erzeugtem Wasserstoff betreiben.
Das Szenario, dass Ammoniak zunehmend aus solarem Wasserstoff stammen wird, gilt vielen Energieexperten bereits als wahrscheinlich. Das zeigte sich auch auf dem Green Hydrogen Forum während der Messe The Smarter E in München. Der Aufbau der entsprechenden Erzeugungskapazitäten im Mittleren Osten ist bereits im Gange. Demnach könnte die deutsche Politik hier allenfalls an der Temposchraube drehen. Zudem könnte sie Grundlagen schaffen, um zumindest spätere Wertschöpfungsstufen im Land zu halten.
Auch andere Forschungsinstitute hatten Szenarien vorgelegt, wie Deutschland ohne Erdgas aus Russland auskommen könnte. Darin kamen praktisch immer Einschränkungen für die Industrie vor.
Dezentral erzeugter Wasserstoff soll Flexibilität im deutschen Energiesystem steigern
Auch in Deutschland setzt Energy Brainpool auf Grünen Wasserstoff. Er soll als Erdgasersatz und als Flexibilitätsoption im deutschen Energiesystem dienen. Unter anderem soll er Gaskraftwerke antreiben. Um diesen grünen Wasserstoff im Sinne der Energiewende vor allem mithilfe von Ökostrom-Überschüssen zu erzeugen, müssten bis 2030 hochflexible Elektrolyseure mit einer Leistung von bis zu 20 Gigawatt gebaut werden. Das ist doppelt so viel wie aktuell von der Bundesregierung vorgesehen. „Hier spielen vor allem kleinere, dezentral installierte Elektrolyseure eine wichtige Rolle“, sagt Tangermann. Die deutsche Wasserstoffstrategie sollte dringend um diesen Punkt ergänzt werden.“
31.5.2022 | Quelle: Green Planet Energy | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH