Schleife für ETS-Reform im Europäischen Parlament

Flaggen der Mitgliedsländer vor EU Parlament in Straßburg, EuropaFoto: Guido Bröer
Parallel zum vielbeachteten Beschluss für das europaweite Aus für Verbrenner-Autos ab 2035 hat das EU-Parlament Teile des „Fit-for-55”-Pakets der EU-Kommission zurückverwiesen an seinen Umweltausschuss. Besonders der dort erzielte Kompromiss zum Emissionshandel (ETS), der auch für erneuerbare Energien indirekt große Auswirkungen haben würde, fand bei der abschließenden Abstimmung im Plenum keine Mehrheit. Aufgeschoben hat das Parlament damit auch die Abstimmungen über das Grenzausgleichssystem zur Vermeidung von Carbon Leakage und über den Klimaschutzsozialfonds.

Der zuständige Berichterstatter im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments, der deutsche Abgeordnete Peter Liese (CDU), hofft nun, bereits am kommenden Montag in einem Gespräch der zuständigen Fraktions-Koordinatoren im Umweltausschuss einen Kompromiss für die ETS-Reform erzielen zu können. Liese geht davon aus, die Reform des Emissionshandels dann bereits in der nächsten Plenumssitzung des Europäischen Parlaments Ende Juli über die Bühne zu bringen.

63 % Emissionsminderung per ETS-Reform bis 2030

Mit der ETS-Novelle soll das Tempo der Emissionsminderung dem 55-Prozent-Minderungsziel der EU bis 2030 angepasst werden. Der gestern im Plenum gescheiterte Vorschlag hätte ab 2024 eine Verminderung um 4,4 Prozent, ab 2026 um 4,5 Prozent bringen sollen. Zusätzlich sah er vor, in zwei Schritten zunächst im Jahr 2024 rund 70 Millionen Zertifikate und 2026 weitere 50 Millionen aus dem Verkehr zu ziehen (sogenanntes Rebasing). Gratis-Zertifikate für Energieversorger und Industrie sollen ab 2026 auslaufen und ab 2030 ganz verschwinden. Bis 2030 würde sich die Emission im Bereich des ETS somit um 63 Prozent verringern. Die EU-Kommission hatte mit ihrem „Fit-for-55„-Paket 61 Prozent vorgeschlagen.

Allerdings waren zuvor in den Ausschüssen des Europaparlaments Beschlussvorlagen abgestimmt worden, die noch deutlicher darüber hinaus gingen. Dieser Diskussionsstand von Mitte Mai hätte eine radikalere Verknappung der Zertifikate bereits im Jahr 2024 und ein bis 2030 jährlich um 0,1 Prozent steigendes Tempo der weiteren Emmissions-Reduktionen vorgesehen. Der Vorschlag hätte auf eine Emissionsminderung um 67 % bis 2030 hinauslaufen sollen. Einige Umweltverbände halten 70 % für notwendig, um das Pariser 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Grüne und Teile der Sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament versagten deshalb bei der entscheidenden Abstimmung im Plenum am Donnerstag ihre Zustimmung.

In der aktuellen Debatte in Straßburg geht es um die Position des Parlaments. Mit ihr soll es in die Verhandlungen mit dem Rat der Mitgliedsregierungen gehen. Für die Zukunft der Klimaschutzes und der Erneuerbaren-Energien-Branche in Europa ist der ETS von großer Bedeutung. Denn mit einer Verknappung der Verschmutzungs-Zertifikate im ETS steigen zugleich die Marktchancen der erneuerbaren Energien. So jedenfalls die Theorie.

ETS II für Gebäude und Verkehr

In die Schleife schickte das Parlamentsplenum mit dem Disput über den klassischen seit 2005 bestehenden Europäischen Emissionshandel (ETS I) nun auch dessen Ausweitung und seine massive Erweiterung in Form des gänzlich neuen Instruments ETS II. Bislang gilt das ETS I nur für die Stromerzeugung und Teile der Industrie. Nun will das Parlament im Zuge der ETS-Reform ab 2024 zudem die Seeschiffahrt schrittweise in den klassischen Emisssionshandel einbeziehen. Mit dem sogenannten ETS II will die EU außerdem ein neues Emissionshandelssystem auch für den Verkehrs- und den Gebäudebereich einführen. Private Wohngebäude und privaten Verkehr wollen die Abgeordneten allerdings bis 2029 ausdrücklich davon ausnehmen.

Solange es keine Einigung beim ETS-Thema gibt, dürften auch die am Donnerstag verschobenen endgültigen Abstimmunen über den 70 Milliarden schweren Klimasozialfonds und den sogenannten Grenzausgleichsmechanismus auf Eis liegen. Letzterer soll dafür sorgen, dass der europäischen Industrie durch den Emissionshandel kein Wettbewerbsnachteil im globalen Handel entsteht.

11.6.2022 | Autor: Guido Bröer
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