EEG 2023: finanzielle Perspektiven für Windenergie
„Die Degression des Höchstwerts in den Ausschreibungen wird in den Jahren 2023 und 2024 ausgesetzt”, erklärt die Bundesregierung in ihrer Begründung zum EEG-Novellenentwurf. Damit will die Ampel-Regierung offenbar den Kostendruck für Windenergie-Projekte im EEG 2023 etwas dämpfen.
Windenergie-Branche unter Druck
Doch auch die Windbranche kämpft mit langen Lieferzeiten und stark steigenden Preisen vor allem für Stahl. Teils haben Windkraftanlagenhersteller und Projektierer dynamische Preise vereinbart, die momentan infolge der Rohstoffpreise nur eine Richtung kennen: nach oben. Und gerade bei sehr knapp kalkulierten Geboten kann es daher in dieser Situation offenbar sogar besser sein, trotz gewonnener Ausschreibung einen Windpark nicht zu realisieren und die Pönale zu zahlen, statt über Jahre in den roten Zahlen zu bleiben. Zudem müssen die Banken mitspielen. Für deren Kreditzusagen sind über die Laufzeit von 20 Jahren garantierte Marktprämien wichtiger als die jetzt aber vielleicht nur kurzfristig zu erzielenden hohen Strompreise.
Die Unsicherheit zeigt sich wohl auch in dem im Mai wieder nicht ausgeschöpften Volumen bei bei den von der Bundesnetzagentur organisierten Ausschreibungen. Dabei hatte es zuletzt eine andere Entwicklung gegeben. Nach mageren Ergebnissen in den Vorjahren sind die Ausschreibungen im September 2021 und Februar 2022 wieder leicht überzeichnet gewesen.
Doch dieser Trend hat sich nicht fortgesetzt. Zum einen könnte hier hineinspielen, dass die Windbranche auf bessere Bedingungen hofft – wobei sich diese im Gesetzentwurf bei lediglichem Aussetzen der Degression nicht konkretisieren. Zum anderen könnten sich insbesondere die immer weiter steigenden Stahlpreise als zu große Last erweisen. In der Windbranche wächst daher der Wunsch nach einem Korrekturfaktor für die Marktprämien in den Ausschreibungen für Windenergie an Land. Der könnte sich zum Beispiel an einem Preisindex für Stahl ausrichten.
Preisindex als Korrekturfaktor für Marktprämien
Jürgen Quentin, Referent für Energiewirtschaft und EEG bei der Fachagentur Windenergie an Land, kann den in der Windbranche aufkommenden Wunsch, die Marktprämien zum Inbetriebnahmezeitpunkt auch an einem Preisindex für Stahl auszurichten, gut nachvollziehen. Dieser könnte in Zukunft eventuell weiter steigende Rohstoffpreise auffangen und Anlagenherstellern sowie Projektierern mehr Investitionssicherheit bieten. Dies sei auch zielgerichteter, als nun generell die Höchstwerte für Gebote anzuheben, die bei später sinkenden Rohstoffpreisen nicht mehr angemessen seien.
Auch Kerstin Andreae, die Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), spricht sich klar dafür aus, einen Preisindex zumindest zu prüfen. Sie nennt als Beispiel den Producer Price Index. Zudem solle der Gesetzgeber den Höchstwert weiter anheben. „Die Degression der Höchstgebotswerte entspricht nicht der marktlichen Entwicklung”, so Andreae: „Projekte an nichtoptimalen Standorten drohen folglich unrentabel und nicht weiterentwickelt zu werden.”
Differenzverträge problematisch
Als Problem könne sich zudem in dieser Situation die Idee herausstellen, Differenzverträge einzuführen. Diese könnten einerseits den Windmüllern auch in Zukunft fest planbare Erträge bringen. Doch andererseits, so erklärt Andreae: „Werden Differenzverträge eingeführt, wie gemäß der Verordnungsermächtigung geplant, so kann der Anlagenbetreiber zudem nicht mehr an steigenden Marktpreisen partizipieren, wie derzeit im System der gleitenden Marktprämie.”
Auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) spricht sich dafür aus, die Degression der Höchstwerte nicht fortzuschreiben. Er plädiert sogar dafür, sie dauerhaft auszusetzen. Die VKUBegründung: „Aktuelle Material- und Rohstoffpreise führen zu deutlich gestiegenen Kosten im Einkauf von Windenergieanlagen. Gleichzeitig steigen die Finanzierungskosten aufgund anziehender Kreditzinsen.”
Neues Referenzertragsmodell im EEG 2023
Ein zweiter Ansatzpunkt, die Wirtschaftlichkeit neuer Windenergieanlagen zu verbessern, ist die Modifizierung des Referenzertragsmodells. Erstmals eingeführt hat der Gesetzgeber es schon mit dem EEG 2000 – und später entsprechend der Veränderungen beim Vergütungssystem für die Windenergie angepasst. Das Referenzertragsmodell soll den Betrieb von Windenergieanlagen auch an windschwächeren Standorten ermöglichen. Dabei bildet eine Referenzanlage die Basis, sie ist der 100er-Wert im Index. Es handelt sich hier um einen durchschnittlichen Standort. Zudem wird eine bestimmte Windkraftanlage hinterlegt. Erhält nun eine Anlage an einem nicht so guten Standort mit weniger Wind den Zuschlag, so bekommt sie eine höhere Marktprämie als den eigentlichen Zuschlagswert. Umgekehrt senkt das Referenzertragsmodell bei guten Standorten die Marktprämie.
Dieses Modell will die Regierung nun etwas anpassen. Sie erklärt im Gesetzentwurf: „Das Referenzertragsmodell wird weiterentwickelt, um mehr Potenziale in Süddeutschland zu erschließen. Zu diesem Zweck werden der Korrekturfaktor für eine Standortgüte von 60 Prozent angehoben und ein Korrekturfaktor für eine Standortgüte bis 50 Prozent eingeführt, Letzterer allerdings nur für Windenergieanlagen in der Südregion.”
Südregion in Windenergie-Ausschreibungen kaum präsent
Quentin betrachtet und analysiert die Daten der Windkraft-Ausschreibungen seit Jahren. Er weist darauf hin, dass der Anteil der Anlagen in der Südregion an den Ausschreibungen zuletzt deutlich zurückgegangen ist. Bei der Mai-Ausschreibung seien gerade mal vier Prozent der Gebote aus der Südregion gekommen. Dies liege an den wenigen verfügbaren Flächen in Bayern und Baden-Württemberg. Doch es sei auch zu beobachten, dass für die im Süden genehmigten Anlagen derzeit verhältnismäßig wenig Gebote erfolgen würden. Dies, so Quentin, sei dann wohl mit wirtschaftlichen Faktoren zu erklären.
Für die Region südlich des Mains würde der Vorschlag der Regierung zu höheren Marktprämien führen. Der Bundesrat fordert allerdings, diese neue Standortgüte von 50 Prozent nicht nur für den Süden, sondern bundesweit einzuführen. „Der enorme Zubaubedarf bei der Windenergie an Land bis 2030 erfordert, sämtliche planungs- und genehmigungsrechtlich erschließbaren Standorte zu nutzen”, sagt der Bundesrat in seiner Stellungnahme zur EEG-Novelle. „Insbesondere in Anbetracht der anstehenden Gesetzgebung zu einem verbindlichen Zwei-Prozent-Flächenziel für die Windenergie sollte der Korrekturfaktor für 50-Prozent-Standorte sich nicht allein auf die Südregion beschränken. Durch einen bundesweit einheitlichen Korrekturfaktor sollte angereizt werden, dass weniger windhöffige Standorte in allen Ländern gleichermaßen genutzt werden.”
Alle Hebel nutzen
Diese Forderung verwundere ihn nicht, sagt Quentin. Denn kein Land wolle schlechter gestellt sein. Doch Stichproben zeigten, dass windschwache Standorte außerhalb des Südens weitaus seltener vorkommen. Diese Erkenntnis sei allerdings nur eine Momentaufnahme. Dennoch geht er davon aus, dass eine Ausweitung bis auf 50-Prozent-Standorte nicht zu einer großen Kostenbelastung führen werde. „Um künftig auf einen jährlichen Zubau von 10.000 Megawatt kommen zu können, sollte die Regierung jetzt alle Hebel nutzen. Dazu zählt auch die Nutzbarmachung von weniger ertragreichen Standorten“, so Quentin.
Unumstritten ist die Forderung nach einer Ausweitung aber sicherlich nicht. Eine auf die Südregion begrenzte Ausweitung des Referenzertragsmodells auf 50-Prozent-Standorte mit einem Korrekturfaktor von 1,55 sei im Lichte der schwierigen Flächenkulisse und des besonders niedrigen Ausbaus im Süden Deutschlands zwar positiv zu beurteilen, so Andreae vom BDEW. Die vorrangige Nutzung windhöffiger Standorte solle aus energiewirtschaftlicher Sicht aber prioritär erfolgen. „Daher wäre eine Ausweitung auf das gesamte Bundesgebiet nicht sinnvoll.” Die Erhöhung des Korrekturfaktors an 60-Prozent-Standorten sei allerdings zu begrüßen.
17.6.2022 | Autor: Andreas Witt
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