Urban Windelen (BVES): Speicher-Definition ist endlich klar

Foto: BVES
BVES-Geschäftsführer Urban WIndelen
Am vergangenen Freitag hat der Bundestag die Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) beschlossen. Die Novelle soll vor allem den Netzausbau beschleunigen und den Verbraucherschutz stärken. Der Bundestag nutzte aber die Gesetzesnovelle auch für eine kleine Änderung in der gesetzlichen Begriffsbestimmung von "Energiespeicheranlagen". Stromspeicher sind nun im Energierecht erstmals keine Zwitter aus elektrischen Verbrauchern und Erzeugungsanlagen mehr, sondern stellen jetzt eine eigene Kategorie dar. In den Augen von Urban Windelen, Geschäftsführer des Bundesverbandes Energiespeicher-Systeme (BVES) kommt dies einer juristischen Revolution gleich, deren Bedeutung gar nicht hoch genug bewertet werden kann. Im Interview erklärt er, warum:

Solarthemen: Absatz 15 d im Paragraf 3 des neugefassten EnWG klingt wie eine bloße Fußnote. Warum löst die lapidare Aussage, dass ein Speicher „die endgültige Nutzung elektrischer Energie auf einen späteren Zeitpunkt als den ihrer Erzeugung verschiebt“ solch einen Begeisterungssturm bei Ihrem Verband aus?

Urban Windelen: Wir feiern es in den sozialen Medien lateinisch „habemus definitionem“. Denn unsere Forderung ist ja schon fast so alt, dass die Amtssprache damals noch Latein war.

Jetzt ist jedenfalls zum ersten Mal das systemische Element Speicherung im deutschen Energierecht definiert. Jetzt wissen Juristen zum ersten Mal, was das überhaupt ist und was man damit machen kann. Denn wenn in Deutschland etwas nicht definiert ist, dann gibt es das nicht.

Es gab ja schon seit einigen Jahren an gleicher Stelle im EnWG eine Definition. Nach der galten Speicher sowohl als Energieverbraucher wie auch als Energieerzeuger. Diese Zwitter-Definition gibt es jetzt nicht mehr. Aber was ändert sich durch den ganz neu formulierten Satz konkret?

Der Satz selbst ändert zunächst noch nichts. Er konstatiert nur, dass Speicher nicht das sind, als was sie in den letzten Jahren galten. Sie sind keine Erzeuger und Verbraucher mehr, sondern Speicher sind nun zum ersten Mal Speicher. Das heißt: Verschiebung von Energie auf der Zeitebene. Dass früher eine Kilowattstunde erst als verbraucht und später als erzeugt galt, war das systemische Problem der letzten Jahre. Dadurch musste man für eine zwischengespeicherte Strommenge die vielbeschworenen doppelten Abgaben zahlen. Dieses Problem ist damit gelöst.

Neue Regulatorik für Speicher

Entfallen denn mit dieser Neudefinition automatisch sämtliche Regeln die bisher mit der vermeintlichen Doppelrolle von Speichern tun hatten, einschließlich der vielen Ausnahmetatbestände, die man in den vergangenen Jahren extra geschaffen hat, um Speicher gerade nicht zu benachteiligen?

Zumindest bringt es für Speicherbetreiber endlich ein bisschen Licht ins Dunkel. Denn das Dickicht von Ausnahmeregelungen und Sondertatbeständen hat keiner mehr durchblickt. Mit dieser Definition wird jetzt erstmals eine klare Grundlage geschaffen, auf der die entsprechende Regulatorik jetzt erstmal aufgebaut werden muss. Aber jetzt haben wir endlich das stabile juristische Fundament, auf dem nun das Speicherhaus überhaupt erst gebaut werden kann.

Dann kann man also jetzt viele Sätze, die extra für Speicher in Gesetzen wie dem EEG eingeführt worden sind, schlicht streichen?

Ja, die kann man streichen, weil es jetzt eine andere Grundlage gibt. Die neue Definition gilt aber erst ab dem nächsten Jahr. Dadurch ist nun ausreichend Zeit, um die Folgeanpassungen zu diskutieren. Die neue Speicherdefinition des EnWG muss jetzt in den anderen Gesetzen und Verordnungen durchdekliniert werden.

Viele Streitpunkte durch Definition jetzt geklärt

Mit der Einstufung der Speicher als Verbraucher waren ja ganz viele Streitpunkte der vergangenen Jahre verbunden. Zum Beispiel durfte ich einen Speicher nicht zweiseitig nutzen. Wenn ich erneuerbaren Strom in den Speicher gefüllt habe, aber gleichzeitig vielleicht Netzstrom in den Speicher kommen konnte, dann wurde die grüne Qualität der Energie im Speicher durch den bösen Netzstrom zerstört. Das Problem ist jetzt dadurch geklärt, weil der Speicher den Grünstrom nicht mehr „verbraucht“. Also muss ich aufgrund der neuen Definition diesen Strom am nächsten Tag auch wieder als Grünstrom entnehmen können, unbeschadet davon, dass vielleicht der Speicher zum Teil auch mit Graustrom aus dem Netz gefüllt war.

Das Problem ist durch die neue Definition also eigentlich schon geklärt, aber es muss natürlich noch dekliniert werden in den anderen Gesetzen und Verordnungen. Jetzt ist aber endlich mal in Stein gemeißelt, was ein Speicher ist. Wir sind somit nicht mehr abhängig von verschiedensten, teils kreativen Interpretationen und Auslegungen durch Behörden, Gerichte oder Gesetzgeber.

Speicher-Definition offen für Sektorenkopplung

Die Definition in § 3, Art 15d hat ja noch einen zweiten Teil. Demnach gelten auch Nutzungen wie Power to Heat oder Power to Gas als Energiespeicheranlage.

Ja, der letzte Halbsatz dieser Definition ist extrem wichtig. Denn der nimmt die Sektorenkopplung mit hinein. Der Strom, der beispielsweise in eine Power-to-Heat-Einrichtung wandert, gilt nur als verschoben auf der Zeitachse für die spätere Nutzung. Und zwar dann nicht im Strom, sondern im Wärmemarkt. Das ist genau die Ermöglichung von Flexiblität, die wir in unserem neuen Energiesystem brauchen.

Haben Sie keine Angst, dass die schöne neue Definition für Speicher dadurch wieder verschwimmt?

Nein im Gegenteil. Wenn auch Wärme- und Mobilitätsmarkt zunehmend auf Strombasis stattfinden müssen, da Sonne und Wind die wesentliche Energieerzeugung abbilden, dann müssen diese Sektorengrenzen entbürokratisiert werden. Es darf nicht an jeder Sektorengrenze ein Zollhäuschen steht, um Steuern und Abgaben zu kassieren. Die Sektorenkopplung wird durch diese gesetzliche Klarstellung überhaupt erst in der Weise ermöglicht, wie wir sie brauchen.

Wir sind sehr glücklich, dass es jetzt endlich mit der Definition der Speichersysteme geklappt hat. Damit können wir jetzt auch die von der Ampelregierung angekündigte Speicherstrategie im nächsten Dreivierteljahr konstruktiv begleiten und umsetzen.

29.6.2022 | Interview: Guido Bröer
© Solarthemen Media GmbH

Schließen