Große Solarthermie-Dachanlage für Fernwärme in Dettenhausen

Luftbild zeigt Solarthermie-Dachanlage auf dem Dach der neuen Lagerhalle von Ritter in DettenhausenFoto: swt / Marquardt
Auf dem Dach der neuen Lagerhalle des Schokoladen-Herstellers Ritter in Dettenhausen ist die größte Solarthermieanlage Deutschlands entstanden.
In Dettenhausen wird heute die nach Betreiberangaben größte Solarthermie-Dachanlage Deutschlands eingeweiht. Die Anlage auf einer neuen Lagerhalle des Schokoladenherstellers Ritter Sport soll etwa 20 Prozent des Wärmebedarfs im Dettenhausener Fernwärmenetz abdecken.

Die Solarwärmeanlage mit einer Bruttokollektorfläche von 2315 Quadratmetern gehört dem Schokoladenhersteller Ritter. Das Wärmenetz betreiben die Stadtwerke Tübingen. Für die Solarthermie fanden die Partner ein interessantes Verrechnungsmodell: Im Sommer liefert der Schokobetrieb Solarwärme ins Netz von Dettenhausen, die in der kalten Jahreszeit entsprechend an das Unternehmen zurückfließt. Im Strombereich würde man von „Net Metering“ sprechen.

Solarthermie im Zusammenspiel mit BHKW und Wärmepumpe

In der Solarthermieanlage kommen Kollektoren der Marke Ritter XL zum Einsatz. Das Schwesterunternehmen des Schokoladenherstellers im Familienbesitz, die Ritter Energie- und Umwelttechnik GmbH & Co. KG, hat die gesamte Anlage projektiert und gebaut. Zur neuen Heizzentrale von Dettenhausen auf dem Ritter-Gelände gehört neben der Solarthermie mit einer Spitzenlast von 1400 kW auch ein Gas-Blockheizkraftwerk (BHKW) mit 1300 kW thermisch und knapp 1000 kW elektrisch. Außerdem sind dort ein Gas-Reservekessel mit 3 MW und eine Wärmepumpe als Teil des Systems untergebracht. Die verschiedenen Wärmequellen werden über zwei Pufferspeicher mit zusammen 200 Kubikmetern Volumen moderiert. Interessant ist dabei das geplante Zusammenspiel der einzelnen Module. Während die Solarthermieanlage in den Sommermonaten in der Lage sein dürfte den Wärmebedarf fast allein zu decken, trägt das BHKW die Hauptlast im Winter.

Das BHKW liefert voraussichtlich insgesamt 62 Prozent der Jahreswärmemenge und produziert dabei jährlich 3,5 Millionen Kilowattstunden Strom. Unterstützt wird das BHKW von einer Wärmepumpe, die als Effizienzbooster eingesetzt wird. Sie ist von den Planer:innen so dimensioniert worden, dass sie möglichst die gesamte Abwärme, also die Raumluft des BHKW-Aufstellraums sowie die Restenergie aus dem Abgasweg des BHKWs nutzen kann. Sie trägt damit 13 Prozent zum Jahreswärmebedarf bei. Der Gaskessel mit 3 MW Leistung soll hingegen allenfalls während extremer Kälteperioden auf einige Betriebsstunden kommen und steht ansonsten als Reserve bereit.

Wärmespeicher moderieren das Zusammenspiel im System

Interessant ist auch die Rolle der beiden großen Wassertanks, die die ortsansässige Firma BTD Behälter- und Speichertechnik Dettenhausen geliefert hat. Sie dienen dem System als Multifunktionsspeicher. Einerseits wird in diese Wärmesilos tagsüber die Solar­ernte eingefahren, um damit die dunkle Tageszeit oder auch einzelne trübe Tage zu überbrücken. Andererseits entkoppeln die Speicher aber auch das BHKW vom aktuellen Wärmebedarf im Netz. So kann der Gasmotor insbesondere zu Tageszeiten laufen, wenn der Strompreis an der Börse besonders hoch ist. Mit dieser Gesamtkonstellation kommt die Dettenhausener Fernwärme voraussichtlich auf einen Primärenergiefaktor von 0,28.

Stadtwerke wollen Wärmenetz Dettenhausen weiter ausbauen

Und der soll künftig noch besser werden. 70 Prozent Regenerativanteil in der Wärmeversorgung sind das erklärte Etappenziel. Zu diesem Zweck suchen die Tübinger Stadtwerke aktuell nach einem geeigneten Standort für weitere regenerative Erzeugungsanlagen. In Frage käme zum Beispiel eine Holzhackschnitzelheizung. Denn Holz ist in der waldreichen Gegend vor Ort verfügbar.

Als die Stadtwerke Tübingen, die in Dettenhausen auch die Konzession für das Strom- und Gasnetz halten, vor drei Jahren die dortige Fernwärmeversorgung für 50 Hausanschlüsse und einige Industrieabnehmer von einer insolventen Bürgerenergiegenossenschaft übernahmen, begannen sie gleich größer zu denken. Nun ist die erste Erweiterungstrasse fast fertig. Mit der können ein Altenzentrum und Teile einer Wohnsiedlung angeschlossen werden. Weitere Bauabschnitte sind im Prüfstadium. Potenzial ist in der 5500-Einwohner-Gemeinde Dettenhausen noch reichlich vorhanden.

8.7.2022 | Autor: Guido Bröer
© Solarthemen Media GmbH

Weitere Informationen zu Solarthermie in der Fernwärme finden sich
– auf der Website www.solare-waermenetze.de und
– in einem Hintergrundartikel auf dem Solarserver sowie
– in einem Solarthemen-Artikel zum neuen Förderprogramm BEW für erneuerbare und effiziiente Fernwärme

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