Netzregelung 2.0: Stromrichter von Wind und Photovoltaik stabilisieren das Stromnetz

Stromrichter von Wind und Photovoltaik stabilisieren das Stromnetz, wenn die Synchrongeneratoren konventioneller Kraftwerke wegfallen.Foto: SMA Solar Technology AG
Der SMA Sunny Central Storage ist ein Beispiel Mittelspannungsbereich für einen netzbildenden Stromrichter, der auch Momentanreserve für die Stabilisierung des Stromnetzes liefern kann.
Das Stromversorgungssystem kann zukünftig auch ohne die stabilisierende Wirkung der Synchrongeneratoren konventioneller Kraftwerke betrieben werden. Anlagen mit netzbildenden Stromrichtern können Momentanreserve bereitstellen und damit auch in Extremsituationen das System stabilisieren.

Bislang sorgen vor allem die Synchrongeneratoren von Großkraftwerken dafür, dass Stromnetze die Anforderungen an Frequenz und Spannung einhalten. Mit der Energiewende ersetzt man die Kraftwerke jedoch mehr und mehr durch Windenergie– und Photovoltaikanlagen, die mit einem Stromrichter an das elektrische Netz gekoppelt sind. Das vom Fraunhofer IEE koordinierte Verbundprojekt „Netzregelung 2.0“ konnte zeigen, dass Erzeugungsanlagen mit netzbildenden Stromrichtern Momentanreserve bereitstellen und damit auch in Extremsituationen das System stabilisieren können.

„Wir sind überzeugt, dass sich das Verbundnetz – und im Störfall genauso Teilnetze – auch mit sehr hohen Stromrichter-Anteilen stabil halten lässt. Dafür bedarf es jedoch geeigneter Regelungsverfahren. Wir haben Anforderungen an diese Verfahren ermittelt und Regelungsverfahren entwickelt, die sicherstellen sollen, dass die Stromrichter einem sicheren und stabilen Systembetrieb dienen können“, sagt Projektleiter Philipp Strauß, stellvertretender Institutsleiter des Fraunhofer IEE in Kassel. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Erarbeitung eines geeigneten Transformationspfades. „Neue Technologien müssen nahtlos in bestehende Netzregelungsverfahren eingebunden werden. Es gilt, den Übergang so zu gestalten, dass das entstehende System mindestens genauso stabil ist wie das derzeitige“, so Strauß.

Kontinentaleuropäisches Verbundnetz im Blick

Die Forscher:innen haben die neuen Regelungsverfahren und ihren stabilisierender Einfluss unter Extremszenarien, wie etwa einem System-Split – also einer Netzauftrennung quer durch Europa – simulativ bewertet. Starke Spannungseinbrüche haben die Forscher:innen nicht nur berechnet, sondern auch im akkreditierten Labor nach bestehenden Standards durchgeführt. Eine besondere Herausforderung für die netzbildenden Stromrichter sind hierbei geeignete und extrem schnelle Strombegrenzungsverfahren. Die Forscherteams konnten nachweisen, dass Stromrichter sogar unter solch harten Bedingungen einen Beitrag zur Netzbildung leisten können.

Netzbildende Eigenschaften fordert man mittlerweile auch schon von Anlagen mit sehr großen Stromrichtern, die man etwa zur Blindleistungskompensation im Übertragungsnetz oder in Kopfstationen der Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ) einsetzt. Zudem soll das Projekt einen Beitrag leisten, wie man diese Anforderungen künftig in den technischen Anwendungsregeln für Erzeugungsanlagen abbilden kann. Bei all dem berücksichtigen die Projektpartner auch die internationale Perspektive – schließlich ist das deutsche Stromnetz in das kontinentaleuropäische Verbundnetz eingebettet.

Regelungsverfahren für Stromrichter

„Im Projekt wurden netzbildende Regelungsverfahren mit optimierten Strombegrenzungsverfahren weiterentwickelt. Eine räumliche Verteilung der netzbildenden Anlagen ist notwendig und Momentanreserve kann im Übertragungs- und im Verteilungsnetz bereitgestellt werden“, sagt Strauß. „Neue Verfahren zur Inselnetzerkennung wurden entwickelt. Batteriesysteme, Windenergieanlagen, Photovoltaik-Anlagen, rotierende Phasenschieber, Statcoms und elektrische Lasten können mit den neuen Regelungsverfahren netzbildend wirken. Ein reines Stromrichternetz durch netzbildende Regelung ist möglich und der nahtlose Übergang mit unterschiedlichen Anteilen an Synchronmaschinen ist realisierbar. Eine Spezifikation und neue Prüfverfahren wurden entwickelt für die elektrische Trägheit, Netzbildung und Dämpfung.”

Ein zentrales Thema ist dabei das Zusammenspiel von Stromrichtern und Synchrongeneratoren. So analysierten die Partner, in welcher Kombination und auf welcher Spannungsebene Synchrongeneratoren sowie stromeinprägend geregelte oder spannungseinprägend geregelte Stromrichter nötig und zulässig sind, um die Systemstabilität zu wahren. Zudem bewerteten die Experten die Spannungsqualität in den verschiedenen Arbeitspunkten des zukünftigen Systems. Dieses vor dem Hintergrund, dass der Anteil der Synchrongeneratoren mit dem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien immer stärker variieren wird. In diesem Kontext untersuchten die Fachleute auch, welche Robustheitsanforderungen sich daraus für die spannungseinprägenden Regelungen ergeben.

8.7.2022 | Quelle: Fraunhofer IEE | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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