Kohlendioxid aus der Luft als Geschäftsmodell
Zu den Zukunftstechnologien, die zum Erreichen der Klimaziele und gleichzeitig der Sicherung der Wirtschaft und unseres Lebensstandards unerlässlich sind, gehört nach Einschätzung des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) die Direct Air Capture (DAC)-Technologie. DAC ist ein Verfahren, mit dem Kohlenstoffdioxid (CO2) aus der Atmosphäre gewonnen wird. Das ZSW bereitet die DAC-Technologie für die industrielle Anwendung vor. Damit will man dazu beitragen, die Klimaneutralität schneller zu erreichen und will neue Wertschöpfungspotenziale für die Industrie erschließen.
Beim Direct Air Capture-Verfahren strömt die Umgebungsluft durch ein Absorbens, das ihr einen Teil des Kohlendioxids entzieht. Nach Desorption und Aufkonzentration erhält man CO2 mit einem hohen Reinheitsgrad, welches anschließend direkt als Rohstoff beispielsweise für die Chemieindustrie oder für die Synthese von Basischemikalien wie Methanol und klimaneutralen Kraftstoffen für den Flugverkehr und der internationalen Seeschifffahrt eingesetzt werden kann. Da diese Anwendungsbereiche kaum elektrifiziert werden können, müssen dort auch langfristig kohlenstoffbasierte Energieträger eingesetzt werden.
Gemeinsam mit Unternehmen aus Baden-Württemberg soll die industrielle Anwendung der DAC-Technologie im Rahmen des vom Verkehrsministerium Baden-Württemberg geförderten Projekts „DAC-BW“ vorbereitet werden. Dafür sollen vor allem Firmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau sowie der Zulieferindustrie in das Projekt eingebunden werden. „Es ist wichtig, den Fahrplan für eine nachhaltige Zukunft jetzt festzulegen. Unsere DAC-Technologie bildet eine sehr gute Ausgangsbasis, um schnell in energiewirtschaftlich relevante Größenordnungen vorzustoßen“, sagt Marc-Simon Löffler, Leiter des Fachgebiets Regenerative Energieträger und Verfahren am ZSW.
Industriekompetenzen für Direct Air Capture zusammenführen
An dem Projekt können sich im Rahmen eines Industriedialogs alle Unternehmen beteiligen. Sowohl Startups, kleine und mittlere Unternehmen als auch international tätige Großunternehmen aus dem Bereich Maschinen- und Anlagenbau. „Wir wollen die Industriekompetenzen in einem integrierten Konzept mit überregionaler Strahlkraft zusammenführen. Damit nutzen wir die regionale Wertschöpfung und tragen gleichzeitig zum Aufbau neuer Geschäftsfelder bei. Der Motor Deutschlands bei der Energiewende ist und bleibt die starke Wirtschaft“, betont Löffler.
Als Prototyp für die Industrie will man eine Direct Air Capture Forschungsanlage unter praxisnahen Bedingungen am ZSW betreiben. Die Beschaffung der Anlage mit einer Erzeugungskapazität von bis zu 100 Tonnen CO2 pro Jahr fördert das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg.
Durch die Industrialisierung würden auch die Produktionskosten für die Herstellung von CO2 aus Luft deutlich sinken. Derzeit kostet eine Tonne noch mehrere 100 Euro. Ziel ist es, durch die Technologieskalierung und den Betrieb der Anlagen in Regionen mit günstigen Stromerzeugungspotenzialen wie beispielsweise Südamerika, Nordafrika oder Australien die Erzeugungskosten zu senken. Die ZSW-Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen erwarten, dass man die Kosten auf unter 100 Euro pro Tonne CO2 senken kann.
In begleitenden Industrieworkshops will das ZSW die am Projekt teilnehmenden Unternehmen fit für den Einstieg in diese Zukunftstechnologie machen. Flankierend will man in dem Projekt DAC-BW die zukünftigen Märkte für CO2 als Rohstoff analysieren und die Technologie mit möglichen alternativen CO2-Quellen vergleichen. Daraus folgt eine Schätzung des CO2-Bedarfs in Deutschland und Europa sowie weltweit. Daraus lassen sich mögliche Wertschöpfungs- und Arbeitsplatzpotenziale für Baden-Württemberg ableiten. Das ZSW kooperiert in dem Projekt auch mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das die Forschungsanlage mit Strömungssimulationen begleitend unterstützt.
19.7.2022 | Quelle: ZSW | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH