Machbarkeitsstudie: 200.000-m3-Wärmespeicher für Gräfelfing und Planegg?

Diese ehemalige Kiesgrube auf Planegger Gebiet nahe Gräfelfing, die an einer Seite mit Bauschutt verfüllt wirdFoto: Herbert Stepp
Diese ehemalige Kiesgrube könnte zu Deutschlands größtem Wärmespeicher werden, wenn sie nicht mit Bauschutt verfüllt wird.
Für zwei Gemeinden im Westen von München hat eine Machbarkeitsstudie gezeigt, wie ein interkommunales Wärmenetz mit Geothermie, Solarthermie und eventuell Deutschlands größtem Erdbecken-Wärmespeicher machbar und wirtschaftlich attraktiv ist.

Die Gutachter vom Institut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung (IGTE) der Uni Stuttgart haben am Montag dieser Woche in der Gemeinde Gräfelfing ihre endgültigen Ergebnisse präsentieren. Die Machbarkeitsstudie, die die Gemeinde Gräfelfing in Auftrag gegeben und das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) über das Förderprogramm Wärmenetze 4.0 bezuschusst hat, arbeitet für zwei Leitszenarien verschiedene Versorgungsvarianten heraus. Die Gutachter kalkulierten für Gräfelfing und Planegg diverse Netlängen, verschiedenste Erzeugungsvarianten, und das teils mit, teils ohne Wärmespeicher.

Mit oder ohne Saisonal-Wärmespeicher?

Der wesentliche Unterschied zwischen den Szenarien ist, ob das bereits vorhandene Wärmenetz im Ortsteil Martinsried von Gräfelfings Nachbargemeinde Planegg in das regenerative Versorgungskonzept integriert werden soll oder nicht. In diesem Fall würde laut IGTE-Gutachten der Großwärmespeicher auf jeden Fall Sinn machen.

Platz für diesen Wärmespeicher wäre an der Ortsgrenze von Gräfelfing zur Gemeinde Plan­egg. Dort existiert eine ausgebeutete 15 Meter tiefe Kiesgrube, deren Verfüllung bereits begonnen hatte, aber bis zum Abschluss der Machbarkeitsstudie gestoppt worden ist. Das Restvolumen der Grube würde einen Speicher von etwa 300.000 Kubikmeter erlauben. Sie bietet für einen Erbecken-Wärmespeicher nach dänischem Vorbild günstige Bedingungen, weil sie oberhalb des Grundwassers liegt. In Dänemark sind im vorigen Jahrzehnt mehrere solcher Speicher entstanden, die die Form eine umgekehrten Pyramide haben. Mit Spezialfolie gegen das Erdreich abgeschirmt und mit einer schwimmenden Wärmedämmung abgedeckt speichern sie dort Sonnenenergie aus dem Sommer bis über den Winter. Zwischen den beiden Gemeinden im Münchener Umland mit zusammen 25.000 Einwohnern und ebenso vielen Arbeitsplätzen im Ballungsraum München könnte Europas größter Erdbecken-Wärmespeicher entstehen.

17 Hektar für Solarthermie

Einerseits könnte dieser Speicher der geplanten Geothermieanlage in Martinsried als Puffer und – in einigen der untersuchten Szenarien – einer Wärmepumpe als Quelle dienen. Andererseits könnte er aber auch in großem Maße Solarwärme aufnehmen. Für deren Gewinnung sind zwei nahe gelegene Flächen von 5 und 12 Hektar avisiert, die Platz böten für bis zu 56.700 Quadratmeter Kollektorfläche.

Die sinnvolle Dimensionierung der einzelnen Anlagenkomponenten haben die Wissenschaftler:innen um den Solarthermieexperten Harald Drück auf Basis von Simulationssoftware ermittelt. In der größeren Ausbauvariante eines interkommunalen Wärmenetzes unter Einschluss von Martinsried würde ein Speicher von etwa 200.000 Kubikmetern in Verbindung mit Solarthermie und insbesondere im Falle einer Kombination mit einer Großwärmepumpe technisch eine sinnvolle Ergänzung sein. In diesem Szenario wäre ein Wärmebedarf von 83 Gigawattstunden (GWh) pro Jahr zu decken. 60 GWh würde die Geothermie beisteuern, 20 GWh kämen von der Solarthermie im Wärmenetz.

Interkommunales Wärmenetz für Gräfelfing und Planegg?

Allerdings muss dies nicht das letzte Wort sein. Denn weil sich der Gemeinderat von Planegg mehrheitlich gegen eine Beteiligung an dieser Machbarkeitsstudie ausgesprochen hatte, hat das IGTE Wärmebedarf und Ausbauszenarien in Planegg nicht berücksichtigt. Freilich mit Ausnahme des Ortsteils Martinsried, weil dort das Wärmenetz schon existiert. Angesichts der ermutigenden Ergebnisse der Machbarkeitsstudie und der geänderten energiepolitischen Großwetterlage könnte nun allerdings auch in Planegg eine neuerliche Diskussion entstehen. Im dortigen Gemeinderat liegt bereits ein Antrag vor, die Machbarkeitsstudie für die Gemeinde Planegg zu ergänzen.

Gegenüber den Solarthemen erklärte Harald Drück, Forschungskoordinator und Arbeitsgruppenleiter des IGTE, es sei nun an den Gemeinden, den Umfang und die Zielrichtung des weiteren Vorhabens zu diskutieren und zu beschließen. Trotz der Komplexität des Projektes empfiehlt er ein dreigleisiges Vorgehen, mit dem die Verantwortlichen nicht länger warten müssten: „Erstens: Bohren. Zweitens: Netzausbau vorantreiben. Drittens: Künftige Wärmeabnehmer akquirieren. Und die Sache mit dem Speicher würde ich auf jeden Fall angehen.“

Drück kann sich übrigens vorstellen, abweichend von den dänischen Vorbildern, den Speicher nicht nur mit Wasser zu füllen, sondern als Kies-Wasser-Speicher auszuführen. Dadurch ließen sich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Die Verfüllung mit qualifiziertem Bauschutt – als Variation von Kies – müsste nicht zugunsten des Speicherbaus gestoppt werden. Das Abfallmaterial könnte vielmehr, so Drücks Idee, als Speichermedium dienen. Da es in diesem riesigen Maßstab noch keine Erfahrungen mit der Kies-Wasser-Speicherung gibt, würde es sich freilich um ein Forschungsprojekt handeln.

20.7.2022 | Autor: Guido Bröer
© Solarthemen Media GmbH

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