PV: Abschaffung der 70-Prozent-Regelung rückwirkend. Aber wann und wie?
Am 21. Juni kündigte Wirtschaft- und Klimaminister Robert Habeck per Online-Pressekonferenz ein weiteres Gesetzes-Paket zur Energiesicherung an. In dem Zusammenhang erläuterte das Ministerium per Pressemitteilung, dass die Abschaffung der 70-Prozent-Regelung nun doch auch für PV-Bestandsanlagen geplant sei. Das BMWK wörtlich: „Auch die erneuerbaren Energien sollen einen stärkeren Beitrag leisten, um Erdgas aus dem Strombereich zu verdrängen. So soll insbesondere die Biogaserzeugung ausgeweitet werden, indem unter anderem die vorgegebene jährliche Maximalproduktion der Anlagen ausgesetzt wird. Damit Solaranlagen ebenfalls mehr Strom einspeisen können, ist angestrebt, die 70 Prozent-Kappungsregel für Bestandsanlagen zu streichen. Für Neuanlagen gilt das schon ab dem 1.1.2023. Derartige Maßnahmen verlangen gesetzliche Änderungen, die eng innerhalb der Bundesregierung abgestimmt werden.“
Abschaffung der 70-Prozent-Regelung im PV-Bestand: Details noch unklar
Wie genau Habeck den Begriff Bestandsanlagen definiert, welche Stichtage für die Aufhebung der 70-Prozent-Regelung für PV-Anlagen gelten sollen und in welches Gesetzespaket das BMWK die dafür wohl notwendige EEG-Änderung einbetten will, ist bislang vom BMWK nicht zu erfahren. Auf Solarthemen-Anfrage erklärte eine Sprecherin des Habeck-Ministeriums: „Für das BMWK kann ich Ihnen noch keine Details nennen. Wir sind hier noch in Gesprächen über eine mögliche Umsetzung.“
Ob die von Habeck angekündigte Maßnahme für die Gasversorgung im kommenden Winter überhaupt einen Effekt haben kann, ist somit fraglich. Denn ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren braucht Zeit. Ab Oktober wird aber der Sonnenstand so niedrig sein, das bis zum Ende des Winters kaum noch eine PV-Anlage nennenswert über die 70-Prozent-Schwelle kommen dürfte.
Solarteure durch rückwirkende Abschaffung der 70-Prozent-Regel überfordert?
Beim Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) löste die Ankündigung Habecks daher auch zunächst keine überschwängliche Begeisterung aus. Zwar hat der Branchenverband die Fernsteuerbarkeit und die ersatzweise 70-Prozent-Regelung für kleine PV-Anlagen seit deren Einführung als zumeist überflüssige Schikane abgelehnt. Doch bei einer rückwirkenden Abschaffung befürchtet er nun, dass ein Sturm von hunderttausenden Anfragen die Solarteure überlasten könnte. Zumal sich die notwendige Änderung an der Wechselrichtersoftware nicht bei allen Geräten per Internet vornehmen lässt.
Dass die Installateure zurzeit Besseres zu tun hätten, als sich mit Bestandskunden wegen der 70-Prozent-Regelung auseinanderzusetzen und dafür kurzfristig Ortstermine zu vereinbaren, das hatte schon der Bundestag erkannt. In der Begründung zur Gesetzesänderung vom 7. Juli heißt es wörtlich: „Auch in gesamtwirtschaftlicher Hinsicht erscheint eine rückwirkende Aufhebung der 70-Prozent-Regelung nachteilig: Die derzeit knappe Ressource Fachkräfte sollte möglichst effektiv eingesetzt werden, um die Vielzahl neuer Solaranlagen möglichst schnell in Betrieb nehmen zu können. Eine rückwirkende Aufhebung der 70-Prozent-Regelung würde in vielen Fällen einen Eingriff am Wechselrichter und damit den Einsatz einer Fachkraft erfordern. Diesem Aufwand steht ein vergleichsweiser geringer Mehrertrag gegenüber.“
3.8.2022 | Autor: Guido Bröer © Solarthemen Media GmbH