EnSiG 3.0 bringt Änderungen für Photovoltaik, Biogas und Wind

Photovoltaikanlage auf Einfamilienhaus - EnSiG 3.0 befreit sie auch rückwirkend von der 70-Prozent RegelFoto: Guido Bröer
Der Beitrag kleiner Photovoltaikanlagen zu den Zielen des EnSiG dürfte durch Befreiung von der 70-Prozent-Regelung eher symbolisch sein.
Die Bundesregierungen will mit Blick auf die Gaskrise einige Beschränkungen für Windenergie, Biogas und Photovoltaik aufheben. Unter anderem will sie die 70-Prozent-Regelung für Photovoltaikanlagen – aber nur bis 7 kW – nun doch auch rückwirkend aufheben. Dazu hat das Bundeskabinett heute den Wortlaut einer weiteren Novelle des Energiesicherheitsgesetzes (EnSiG) beschlossen.

Die Bundesregierung bezeichnet das Gesetzespaket als EnSiG 3.0. Wesentliche Neuregelungen betreffen LNG-Terminals sowie die zeitweilige legale Überschreitung der Leitungskapazität von Hochspannungsnetzen und die Lastflexibilität industrieller Großverbraucher. Aber auch für die Erneuerbaren Energien enthält das EnSiG 3.0 einige interessante Details, wie die rückwirkende Abschaffung der 70-Prozent-Regel bei der Photovoltaik und die Immissionsschutzregeln für Windkraftanlagen.

Um das Gesetzgebungsverfahren zu beschleunigen, hat das Bundeskabinett das EnSiG 3.0 heute als Formulierungshilfe beschlossen und den Ampelfraktionen im Bundestag zugeleitet. Das Parlament soll bereits in der kommenden Woche darüber entscheiden.

Windenergie: Schattenwurf und Lärm in der Krise nicht so wichtig.

Um die Stromerzeugung aus Windenergie kurzfristig zu forcieren, ändert das EnSiG 3.0 das Bundesimmissionsschutzgesetz. Demnach soll „bei Vorliegen einer ernsten oder erheblichen Gasmangellage“ auf Antrag des Betreibers der nächtliche Schallpegel der Anlage um bis zu 4 Dezibel angehoben und auf etwaige Abschaltungen am Tage wegen Schattenwurfs verzichtet werden dürfen.

Außerdem versucht das federführende Wirtschaftsministerium den Genehmigungsprozess zu beschleunigen. Kleinere Änderungen des Anlagentyps, insbesondere eine Leistungserhöhung von bereits genehmigten Anlagen oder innerhalb des Genehmigungsprozesses sollen nun einfacher genehmigt werden können, indem sie nicht mehr das gesamte bereits erledigte Prozedere infrage stellen.

Biogasanlagen für zwei Jahre entfesseln

Unter anderem will das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) mit dem EnSiG 3.0 den Output von Biogasanlagen vorübergehend entfesseln. Betreiber sollen ab sofort bis Ende 2023 EEG-Vergütungen für ihre gesamte Bemessungsleistung erhalten können. Im Referentenentwurf hätte die Beschränkung, die die Flexibilisierung der Biogasanlagen anreizen soll, sogar bis Ende 2024 aufgehoben werden sollen. So weit wollte das Bundeskabinett nun aber nicht gehen. Ergänzend werden etwaige Beschränkungen im Zusammenhang mit dem Güllebonus und dem Flexibilisierungszuschlag für die Dauer der Ausnahmeregelung ausgesetzt.

Sonderausschreibung für Photovoltaik

Für die Photovoltaik sieht der Änderungstext eine vorgezogene „Krisensonderausschreibung“ von 1,5 Gigawatt an Freiflächenanlagen zum Gebotstermin 15. Januar 2023 vor. Dafür will die Regierung einmalig die Obergrenze von 20 Megawatt auf 100 MW pro Anlage anheben. Die Anlagen sollen schon neun Monate später Strom erzeugen. Das Ausschreibungsvolumen der Krisenausschreibung soll von den regulären PV-Ausschreibungen 2023 abgezogen werden.

Der Bundesverband Solarwirtschaft lobt die Intention des Ministeriums, glaubt aber nicht, dass die Ausschreibung in der vorgeschlagenen Form funktionieren könne. Die planungs- und genehmigungsrechtliche Vorlaufzeit sei gerade für Großanlagen von bis zu 100 MW bis zum 15. Januar zu kurz. Außerdem sei angesichts der aktuellen Lieferengpässe die Unsicherheit durch den nach neun Monaten verfallenden Zuschlag zu hoch – zumal die beihilferechtliche Genehmigung für das EEG 2023 einschließlich der Sonderausschreibung noch ausstehe. Der BSW möchte den Ausschreibungstermin auf den 1. März 2023 vorziehen und fordert eine flexiblere Realisierungsfrist.

70-Prozent-Regel entfällt ab sofort für neue PV-Anlagen

Eher symbolischer Natur ist eine weitere Änderung für die Photovoltaik: Die 70-Prozent-Regel zur Wirkleistungsbegrenzung kleiner PV-Anlagen bis 25 kW soll nun nicht erst ab Januar, sondern ab sofort (Stichtag: 14. September 2022) entfallen. Das soll Attentismus vermeiden da einige PV-Kunden sonst den Kauf ihrer Anlage wohl auf 2023 verschieben würden.

Ab Januar soll dann zusätzlich an älteren Anlagen ebenfalls die 70-Prozent-Drosselung entfernt werden dürfen. Aber nur bis zur Leistungsgrenze von 7 kW. In der EEG Novelle vom Juli (Osterpaket) hatte die Bundesregierung zunächst von der rückwirkenden Abschaffung der 70-Prozent-Regelung abgesehen. Und die Branche ist nach wie vor nicht begeistert davon. Denn die Entdrosselung der Anlagen bindet Kräfte im Handwerk, die zur Installation neuer Anlagen dringend benötigt würden.

Abschaffung der 70-Prozent-Regelung per EnSiG bringt nicht viel

Für das Anliegen des EnSiG 3.0, zusätzliche Regenerativ-Erzeugung in der Gasmangellage zu mobilisieren, ist die Entfernung der 70-Prozent-Drossel in einigen Hunderttausend kleinen PV-Wechselrichtern ohnehin nicht besonders relevant. Selbst wenn sich theoretisch am 1. Januar 2022 sämtliche betroffenen Bestands-PV-Anlagen umprogrammieren ließen, brächte dies laut BSW gemessen am gesamten PV-Strom in Deutschland lediglich 2 Promille Mehrertrag. Wahrscheinlich geht es der Regierung somit eher um ein politisches Symbol des guten Willens, unnötige Fesseln für die Erneuerbaren zu lösen – getreu Robert Habecks Motto: „Jede Kilowattstunde zählt.“

Für Handwerker und PV-Betreiber enthält das EnSiG übrigens ausdrücklich noch den wichtiger Hinweis, dass § 8 EEG zu beachten ist. Bei Entfernung der 70-Prozent-Abregelung hat der Betreiber demnach in der Regel einen neuen Antrag beim Netzbetreiber nach § 8 EEG zu stellen. Denn durch die Entdrosselung erhöht sich die maximale Wirkleistung seiner Anlage.

14.9.2022 | Autor: Guido Bröer
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