Uni Hohenheim: enormes Potenzial für die Agri-PV

Aufgeständerte PV-Anlage über einem Getreidefeld.Foto: Uni Hohenheim / Arndt Feuerbacher
Die Agri-PV könnte auf einem Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Deutschlands neun Prozent des Strombedarfs decken.
Die Agri-Photovoltaik in Deutschland könnte einen erheblichen Beitrag zur hiesigen Stromerzeugung leisten. Das zeigt eine neue Studie. Allerdings wären die Kosten höher als bei Freiflächenanlagen.

In Deutschland existiert ein hohes Potenzial für die Agri-PV zur Stromerzeugung. Das zeigt eine neue Studie der Universität Hohenheim in Zusammenarbeit mit Thünen-Institut Braunschweig. Demnach könnten zehn Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe auf einem Prozent der Ackerfläche Deutschlands ca. neun Prozent des bundesweiten Strombedarfs decken. Das entspreche in etwa dem, was drei Atomkraftwerke produzieren.

Die durch Agri-PV „produzierte jährliche Strommenge von 51 Terrawattstunden entspricht in etwa der dreifachen jährlichen Stromproduktion des Atomkraftwerks Isar 2 in Bayern“, rechnet Jun.-Prof. Dr. Arndt Feuerbacher vom Fachgebiet ökonomisch-ökologische Politikmodellierung in Hohenheim vor. Allerdings entstehen durch die aufwändigere Installation volkswirtschaftliche Mehrkosten von 1,2 Milliarden Euro gegenüber herkömmlichen Photovoltaik-Freiflächenanlagen.

Für die Agri-Photovoltaikanlagen ist weniger als ein Prozent der deutschen Ackerfläche ausreichend, nämlich 0,7 Prozent – was rund 85.000 ha Ackerland entspricht. Diese Fläche ist für die Landwirtschaft nicht verloren. Denn unter den Modulen ist Landwirtschaft weiterhin möglich. So wird die Strom-Produktion auf einem Teil der Betriebsflächen zu einer wertvollen Zusatzeinnahme für Agrarbetriebe. Doch der grüne Strom vom Acker hat seinen Preis. Damit sich die Anlagen rentieren, benötigte er eine Vergütung von 8,3 Cent/kWh.
 
Noch ist die Agri-Photovoltaik eine junge Technologie, und die Stromentstehungskosten fallen höher aus als bei vergleichbaren Photovoltaik-Freiflächenanlagen. „Würden jedoch anstatt der Agri-Photovoltaik die üblichen Freiflächenanlagen gebaut, würde man der landwirtschaftlichen Produktion schätzungsweise 65.000 ha Ackerland entziehen, um dieselbe Menge an Strom zu produzieren“, so Dr. Alexander Gocht vom Thünen-Institut.
 
Allerdings zeigt die Studie auch, dass durch eine Förderung der Agri-Photovoltaik in diesem Umfang auch volkswirtschaftliche Mehrkosten von jährlich 1,2 Milliarden Euro entstehen würden. Diese ergeben sich durch die Montage der Solarpaneele auf Stelzen sowie Ertragseinbußen und andere Kosten bei der gemeinsamen Bewirtschaftung der Flächen.

Wichtigste Einflussfaktoren: Sonneneinstrahlung und Investitionskosten


Für ihre Schätzung nutzten die Wissenschaftler einen repräsentativen Datensatz für landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland, um die standort- und betriebsspezifische Wirtschaftlichkeit einer Agri-Photovoltaikanlage zu ermitteln. Die Forschenden berücksichtigten dabei sowohl Effekte, die sich aus der Größe der Anlagen ergeben, als auch regionale Unterschiede in der Sonneneinstrahlung und betriebsspezifische Besonderheiten. Dabei war ihnen eine gesamtbetriebswirtschaftliche Betrachtung wichtig, bei der sowohl die Kosten und Erlöse aus der Landwirtschaft als auch aus der Photovoltaik erfasst werden.

Ihre Ergebnisse zeigen, dass die jährliche Sonneneinstrahlung und die Investitionskosten die wichtigsten Einflussfaktoren sind. Vor allem Betriebe, die über eine große Ackerfläche verfügen, haben einen Größenvorteil. Dies ist vor allem in Ostdeutschland bei spezialisierten Ackerbaubetrieben der Fall. Die Kosten für Bau, Wartung und Instandhaltung der Agri-Photovoltaikanlagen schlagen bei ihnen vergleichsweise wenig zu Buche.

In vielen südlichen und westlichen Regionen hingegen findet man eher kleine Betriebsgrößen, was die Fläche des Ackerlandes angeht. Dies geht einher mit kleinen Agri-Photovoltaik-Systemen und führt zu höheren Investitions- und Wartungskosten. Diese Betriebe haben jedoch einen anderen Vorteil: Aufgrund der höheren jährlichen Sonneneinstrahlung in Süddeutschland sind sie begünstigt.

Die über der Anbaufläche installierten Solarpaneele verringern auch die für die Pflanzen verfügbare Sonneneinstrahlung, was je nach angebauter Kultur unterschiedliche Folgen haben kann. „Ergebnisse von Agri-Photovoltaik-Forschungsanlagen zeigen, dass die Beschattung durch Agri-Photovoltaik-Systeme bei manchen Pflanzen in trockenen Jahren mit extremer Hitze sogar zu einer höheren Ertragsstabilität führen können“, meint der Hohenheimer Wissenschaftler Tristan Herrmann.

Rechnerisch 30 Prozent des Strombedarfs möglich

Im Schnitt gingen die Ernteerträge unter den Agri-Photovoltaik-Anlagen jedoch um etwa 40 Prozent zurück. Allerdings hätten diese Ertragseinbußen nur einen geringen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit des Betriebes. Vor allem größere Betriebe würden einen stärkeren Rückgang des Deckungsbeitrags aus der Landwirtschaft mit geringeren Investitions- und Instandhaltungskosten der Photovoltaikanlagen kompensieren.

Langfristig könnte die breite Einführung von Agri-Photovoltaik in Deutschland jährlich zwischen 169 und 189 Terrawattstunden Strom liefern. „Mit Agri-Photovoltaik wäre es rechnerisch möglich rund 30 Prozent des gesamten Strombedarfs in Deutschland zu decken“, schätzt Sebastian Neuenfeldt vom Thünen-Institut. Nötig seien dafür rund 300.000 Hektar Ackerfläche, oder etwa 3 Prozent der Anbaufläche. Wie umfangreich Deutschland dieses Potenzial nutzen wolle, sei am Ende vor allem eine Frage politischer Weichenstellung.

22.9.2022 | Quelle: Uni Hohenheim | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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