Habeck fordert bei Windenergie-Messe: Länder, macht Euren Job!
Am ersten Messetag der WindEnergy zeigte sich die Branche in Aufbruchstimmung und nach vier Jahren coronabedingter Messepause wirkten die Messehallen voll wie zuvor. Der Schub kommt neben dem Klimaschutz nun europa- und weltweit durch das neue Thema Energiesicherheit und die hohen Energiepreise. Die dynamischen Gesetzgebungsaktivitäten der Ampelregierung im Energiebereich tun das ihrige für die Branchenstimmung. Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck spricht sich für deutlich mehr Windenergie aus.
Habeck: Fan von On- und Offshore-Windenergie
Habeck konnte bei seinem Auftritt wohlwollenden Beifalls der Windenergie-Branche gewiss sein für das, wie er selbst sagte, „größte Paket von Energiegesetzen, das es in diesem Land seit Jahrzehnten gegeben hat.“ Und der „Fan von Offshore- und Onshore-Windenergie“ (Habeck über Habeck) machte deutlich, dass er selbst dabei gern noch ein Stück weiter gegangen wäre: „Ich kann nicht verstehen, warum in manchen Bundesländern immer noch gesetzliche Pflichten in Kraft sind, die Windenergie zu verhindern. Wenn es nach mir gegangen wäre, dann wäre beispielsweise schon vor langer Zeit die 10-H-Regel in Bayern abgeschafft worden.“ Aber, fügte Habeck an, vielleicht könne die Windmesse selbst einen Schub geben, um die erneuerbaren Energien in allen Bundesländern voranzubringen. „Es ist jetzt nicht die Zeit, um Business as usual zu machen. Die Erneuerbaren sind nicht das Problem. Sie sind die Antwort auf unsere Probleme.“
Habeck plädierte an die Bundesländer: „Wir könnten als Bundesregierung jedes beliebige Gesetz machen – wenn die Arbeit an der Basis nicht gemacht wird, werden wir scheitern. Bundesländer, macht Euren Job – bitte!“
Genehmigungen vereinfachen, entbürokratisieren, digitalisieren
Damit macht sich Habeck selbst zum Advokaten einer der fünf zentralen Forderungen für die Windkraft, die führende Branchenverbände aus Deutschland und Europa in ihrer vor Ort unterzeichneten „Hamburger Erklärung“ aufstellten: „Die Genehmigung von Windenergieprojekten muss durch Vereinfachung, Entbürokratisierung und Digitalisierung der Genehmigungsprozesse beschleunigt werden.“
Für den Bundesverband Windenergie (BWE) machte dessen Geschäftsführer Wolfram Axthelm in diesem Zusammenhang deutlich, dass Bundesregierung und Gesetzgeber trotz der zahlreichen Gesetzesänderungen der vergangenen Monate noch längst nicht alle Hausaufgaben gemacht hätten. Beispiel Repowering: Nach BWE-Auffassung lassen die Neuregelungen im Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) zur Erleichterung des Repowerings noch Fragen offen. Die Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag, wonach es dort, wo bereits Windenergieanlagen stehen, ohne großen Genehmigungsaufwand möglich sein müsse, alte Windräder durch neue zu ersetzen, sei noch nicht wirklich umgesetzt, meint Axthelm: „Der Satz muss noch mit Leben gefüllt werden. Und wir brauchen konkrete Hilfestellungen für die Genehmigungsbehörden.“
§ 16b BImSchG noch zu unkonkret
Zu unkonkret sei nämlich der mit dem EEG-Osterpaket ins Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) eingefügte Paragraf 16b, der vereinfachte Genehmigungsverfahren für Repoweringprojekte beschreibt. Die Branche setzt hier auf eine weitere umfassende Reform des Bundesimmissionsschutzgesetzes, an der die Bundesregierung aktuell arbeitet.
Denn Repowering könnte ein Schlüssel sein, um kurzfristig nennenswerte Zuwächse bei der Windenergie an Land zu erzielen, bevor gänzlich neue Projekte an den Start gehen und die neuen Mindestvorgaben des Bundes zur Ausweisung von Windflächen durch die Länder greifen. Auf 45 Gigawatt schätzt der BWE das Potenzial für Repowering in den kommenden Jahren. Manchem Alt-Windmüller freilich fehlt aktuell der Leidensdruck, um ein Repowering mit Nachdruck voranzutreiben. Denn bei den derzeitigen Strompreisen lässt sich mit ausgeförderten Mühlen in der Direktvermarktung gutes Geld verdienen.
Windenergie und Lieferketten
Habeck sprach in seiner Rede ein weiteres Thema an, das in dieser Woche überall an den Messeständen für Gesprächsstoff sorgt. Chaos in den Lieferketten und unberechenbare Kosten sind für Industrie und Projektierer ein großes Problem. Schon deshalb – und natürlich wegen aktuell rund 125.000 Arbeitsplätzen deutschlandweit – plädiert der Minister für Made in Europe: „Wir müssen alles tun, um Wertschöpfungsketten in Deutschland zu erhalten und zu verlängern und die Expertise für moderne Energiesysteme auszubauen.“
Hier habe die Branche allerdings derzeit ein Problem, so Habeck: „Die Verlagerung von Produktionskapazitäten ins Ausland, die wir in den letzten Jahren gesehen haben, darf sich nicht fortsetzen.“ Ansonsten werde sich im Windsektor der Niedergang einer Industrie wiederholen, wie man ihn in der deutschen PV-Industrie gesehen habe. Habeck: „Die Herstellung der Produktionsmittel und der Hauptkomponenten von Windkraftanlagen muss in Europa bleiben. Ansonsten würden wir mit unserer Energiewende lediglich eine Abhängigkeit gegen eine andere tauschen.“
28.9.2022 | Autor: Guido Bröer
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