Haben LNG-Terminals eine klimaneutrale Zukunft?

Eine Studie des Fraunhofer ISI befasst sich mit der Frage, ob eine spätere Umrüstung von LNG-Terminals zum Import von Flüssigwasserstoff oder Ammoniak wirtschaftlich darstellbar ist.Grafik: Fraunhofer ISI
Eine Studie des Fraunhofer ISI befasst sich mit der Frage, ob eine spätere Umrüstung von LNG-Terminals zum Import von Flüssigwasserstoff oder Ammoniak technisch und wirtschaftlich darstellbar ist.

Der Bau neuer LNG-Terminals verfolgt das Ziel, die Energieabhängigkeit von russischem Erdgas zu verringern. Die damit einhergehende fossile Infrastruktur könnte allerdings den Übergang des Energiesystems zu erneuerbaren Energieträgern und damit die Energiewende behindern. Daher ist die Frage der Umrüstbarkeit dieser LNG-Terminals für eine spätere Nutzung mit erneuerbaren Energieträgern wie flüssigem Wasserstoff oder Ammoniak von besonderer Bedeutung. Eine neue Studie des Fraunhofer ISI im Auftrag der European Climate Foundation (ECF) befasst sich hiermit und kommt zu dem Ergebnis, dass eine spätere Umrüstung von LNG-Terminals zum Import von Flüssigwasserstoff oder Ammoniak mit großen Unsicherheiten behaftet ist.

Umrüstung von LNG-Terminals bereits bei der Planung berücksichtigen

Sowohl Ammoniak als auch flüssiger Wasserstoff stellen die Terminalinfrastruktur vor technische Herausforderungen. Ammoniak hat eine günstigere Siedetemperatur als LNG und daher geringere Anforderungen an die thermische Isolation, ist aber korrosiv und giftig. Flüssiger Wasserstoff hingegen hat einen noch niedrigeren Siedepunkt als LNG, kann Materialversprödung verursachen und geht aufgrund des Explosionsrisikos mit hohen Sicherheitsanforderungen einher.

LNG-Terminals bestehen aus mehreren Komponenten wie einem Lagertank, Kompressoren und Pumpen. Der Speichertank ist mit Abstand das teuerste Bauteil. Um hohe Neuinvestitionen zu vermeiden, sollte man die Umstellung auf Ammoniak oder flüssigen Wasserstoff bereits bei der Planung der Terminals berücksichtigen. Beispielsweise durch die Verwendung kompatibler Materialien wie spezieller Edelstähle.

Laut Schätzungen lassen sich von den Investitionskosten, die für den Bau des LNG-Terminals ursprünglich anfielen, etwa 70 Prozent bei der Umrüstung in ein Ammoniak-Terminal übertragen. Bei flüssigem Wasserstoff ist neben der Materialkompatibilität eine zusätzliche thermische Isolierung des Tanks erforderlich oder es muss ein höherer Boil-off in Kauf genommen werden. Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind schwieriger abzuschätzen, da es an Erfahrungen mit Infrastrukturen im industriellen Großmaßstab fehlt. Durch die hohen Kosten des LNG-Tanks ist jedoch davon auszugehen, dass sich etwa 50 Prozent der ursprünglich in das LNG-Terminal investierten Kosten übertragen lassen, wenn beim Bau des Tanks die Materialverträglichkeit berücksichtigt und ein höherer Boil-off in Kauf genommen wird.

Wechsel zwischen Energieträgern erfordert erhebliche Anpassungen

Auch wenn die LNG-Infrastruktur manchmal im Hinblick auf die künftige Verwendung von Ammoniak oder Wasserstoff bereit gilt, erfordert die Umstellung dennoch erhebliche technische Anpassungen und zieht zum Teil erhebliche Kosten nach sich. Es ist nicht möglich, die entsprechenden Terminalkomponenten gleichzeitig mit verschiedenen Energieträgern zu betreiben oder flexibel von einem zum anderen zu wechseln ohne Anpassungen. Im Falle von Flüssigwasserstoff führen das Fehlen praktischer Anwendungen im großindustriellen Maßstab – es gibt nur einen Prototyp eines Importterminals in kleinerem Maßstab in Kobe, Japan – und die geringe oder fehlende Nachfrage bzw. der fehlende Markt für Flüssigwasserstoff zu weiteren Unwägbarkeiten.

„Derzeit ist unklar, ob die Terminals mit ihren hohen Investitionskosten in Zukunft weiter nutzbar sind. Um dieses Risiko gering zu halten, sollte bereits in der Planungsphase der LNG-Terminals ein Konzept für deren Umstellung auf andere Energieträger erstellt und bei der Material- und Standortwahl berücksichtigt werden“, sagt Matia Riemer, Ko-Autorin der Studie.

Realisierbarkeit hängt auch von Standort und Infrastruktur ab

„Die Frage nach der Machbarkeit der Umrüstung von LNG-Terminals auf Flüssigwasserstoff- oder Ammoniak-Terminals hängt von vielen Faktoren ab. Zum einen ist die zukünftige Nachfrage nach beiden Energieträgern ungewiss und wir benötigen verlässlichere Bedarfsprognosen, um die Planungssicherheit zu verbessern. Darüber hinaus hängt die Machbarkeit auch von individuellen Merkmalen der Terminals und ihren Standorten ab. So können zum Beispiel Industrieparks in der Nähe zum Austausch wertvoller Energieabfallströme beitragen oder bieten Verteilinfrastrukturen wie Pipelines, was ein wichtiges Kriterium sein kann“, sagt Florian Schreiner, der das Projekt am Fraunhofer ISI koordiniert hat.

Das Zusammenbringen von Industrie, Infrastrukturentwicklern, Wissenschaft, Politik und anderen Stakeholdern sei daher unabdingbar, um sowohl eine langfristige Festlegung auf die fossile Infrastruktur zu vermeiden als auch die Planungssicherheit für Investoren zu verbessern. Denn die Infrastrukturwill man über Jahrzehnte nutzen und sie spielt eine wichtige Rolle im Rahmen des Umbaus des Energiesystems hin zu einer klimaneutralen Zukunft.

Die Studie des Fraunhofer ISI »Conversion of LNG Terminals for Liquid Hydrogen or Ammonia« zur technische Machbarkeit der Umrüstung von LNG-Terminals unter wirtschaftlichen Aspekten ist unter dem nebenstehenden Link zu finden.

3.11.2022 | Quelle: Fraunhofer ISI | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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