Heinz Thier: Keine neuen Impulse für Bürgerenergie

Heinz Ther, Geschäftsführer des Windparkprojektierers BBWindFoto: Georg Schreiber
Heinz Thier, Geschäftsführer der BBWind GmbH aus Münster sagt im Solarthemen-Interview, dass die bisherigen Aktivitäten der Ampelkoalition in Berlin zur Stärkung der Bürgerenergie wirkungslos sind. Thiers Windkraft-Projektierungsunternehmen, das jüngst sein zehnjähriges Bestehen feierte, ist spezialisiert auf Bürgerwindparks mit landwirtschaftlicher und kommunaler Betreiberstruktur.

Solarthemen: Die Ampelregierung rühmt sich, in der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes die Bedingungen für Bürgerenergieprojekte verbessert zu haben. Spüren Sie deshalb Rückenwind bei Ihren Projekten?

Heinz Thier: In keinster Weise. Was die Ampelkoalition für die Bürgerenergie beschlossen hat, ist völlig kontraproduktiv. Das neue EEG schreibt für Bürgerenergie in der Konsequenz einen Verkaufsprospekt vor, mit dem Bürgerinnen und Bürger für das Windprojekt geworben werden sollen. Ein solcher Prospekt kostet nicht nur viele Nerven, sondern mindestens ein Jahr lang Zeit und Kosten von 150.000 Euro und mehr. Genauso aus der Zeit gefallen und lebensfremd ist die Vorgabe für die Vergütung: Das EEG sieht den Durchschnittspreis der Höchstzuschläge bei den Auktionen aus dem Vorvorjahr vor. Bei den zuletzt gestiegenen Preisen für Windenergieanlagen, Netzanschlüsse und Transporte könnten wir heute mit diesen Preisen kein einziges Windprojekt finanzieren.

Also lässt sich der neue Bürgerenergie-Passus im EEG wie folgt zusammenfassen: Setzen, sechs?

Krass ausgedrückt ist das richtig so: Diese neuen Regelungen verschaffen der in meinen Augen für die Energiewende unverzichtbaren Bürgerenergie keine neuen Impulse. Auch die Bestimmung, dass ein Windpark mit bis zu 18 Megawatt Gesamtleistung nicht an der Ausschreibung teilnehmen muss, ist einfach überholt. Das deckelt einfach die Größe der Projekte und schmälert die Wirtschaftlichkeit.

Hochzieheffekt für Bürgerwind in der Praxis kaum zu spüren

Haben Sie bei Ihren Projekten nicht auch von der Regelung profitiert, dass Bürgerenergie-Projekte immer den Höchstpreis bei den jeweiligen Auktionen erhalten haben, es sozusagen einen „Hochzieheffekt“ gegeben hat?

Diesen Effekt hat es in der Tat einige wenige Male gegeben. Da aber fast alle Ausschreibungen in den letzten zwei, drei Jahren unterzeichnet gewesen sind und fast alle Bieter den zulässigen Höchstwert geboten haben, hat sich der Nutzen dieser Regelung sehr in Grenzen gehalten. Wir haben vom bisherigen Bürgerenergie-Paragrafen kaum profitiert. Und von der überarbeiteten Fassung erwarte ich gar nichts, da die neuen Regelungen eine Verschlechterung gegenüber dem Status quo bedeuten.

Dennoch erfreut sich BBWind einer deutlichen Nachfrage nach Beratungen und Projekten. Woran liegt das?

Die Zahl unserer Erstberatungen, die wir im ersten Schritt kostenlos bearbeiten, wird sich in diesem Vorjahr im Vergleich zu 2021 vervierfachen. Rund 500 Flächenprüfungen und teilweise Beratungen bedeuten umgerechnet mindestens eine am Tag. Das ist auf ein Umdenken in der Kommunalpolitik und auch in der Wirtschaft zurückzuführen. Insbesondere die Industrie fordert von der Lokalpolitik sicheren, preiswerten und grünen Strom. Da drängt sich die Windenergie auf. Das erleben wir beispielsweise aktuell massiv im Sauerland, bislang nicht bekannt als eine Hochburg der Windenergie. Die Region hat aber mehrere mittelständische Hidden Champions, die nun von der Politik vehement Windstrom fordern. Im Vergleich zu noch vor einem Jahr hat sich der Wind komplett gedreht.

Dennoch viele Anfragen nach Bürgerwind

Jeden Tag eine Anfrage, bekommt BBWind das personell gestemmt?

Wir haben in den zurückliegenden Wochen zehn neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schwerpunktmäßig für die Projektentwicklung neu eingestellt. Bei diesen zehn Leuten allein wird es aber nicht bleiben, wir planen weitere Neueinstellungen. Wenn aus den Beratungen wirklich konkrete Projekte werden, ist das nur mit neuem Personal beim Projektmanagement, in der Betriebsführung oder beim Service zu schaffen.

Die Parteien der neuen schwarz-grünen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen haben sich im Koalitionsvertrag verständigt, dass Betreiber neuer Windparks den Anwohnerinnen und Anwohnern sowie den Kommunen im Umkreis mindestens 20 Prozent der Anteile anbieten müssen. Wir beurteilen Sie dieses Vorhaben?

Auf die konkrete Umsetzung bin ich sehr gespannt. Den Plan unterstütze ich voll und ganz. Ohne ein Mehr an Akzeptanz in der Bevölkerung für die Windenergie sind die Ausbauzahlen, die sich Bundes- und Landesregierung zum Ziel gesetzt haben, nicht im Entferntesten zu schaffen.

17.11.2022 | Interview: Ralf Köpke
© Solarthemen Media GmbH

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