Strompreisbremse: Erlösabschöpfung für PV und Wind rückwirkend

Schoepfkelle als Symbol für Erlösabschöpfung in der StrompreisbremseFoto: pop_thailand / stock.adobe.com
Wer zufällig mehr bekommen hat, soll anderen etwas abgeben - doch wie lässt sich das berechnen?
Mit ihrer „Formulierungshilfe“ macht die Bundesregierung klar, wo sie mit der Strompreisbremse hin will. Anders als von der Energiebranche erhofft, soll die Erlösabschöpfung nun doch rückwirkend gelten. Dies gilt auch für Photovoltaik- und Windkraftanlagen. Wichtig sind dabei folgende Details:

Am Dienstag hat die Bundesregierung eine Formulierungshilfe für die Strompreisbremse an die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP geschickt. Es handelt sich somit noch nicht um einen offiziellen Gesetzesentwurf, auch wenn der gut 150-seitige Text von der Problemstellung über die Paragrafen bis zur Begründung alle Elemente für einen ebensolchen enthält.

Erlösabschöpfung: die Grundidee

Um die Strompreisbremse für die Verbraucher zu finanzieren, will die Bundesregierung sogenannte Überschusserlöse bei den Energierzeugern abschöpfen Sie seien bei einigen Unternehmen im Zuge der hohen Energiepreise entstanden. Grundlage dafür ist eine Notfallverordnung des Rates der EU vom 6. Oktober 2022.

Die Formulierungshilfe sieht einen Wälzungsmechanismus vor, der im Grunde dem des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ähnelt – nur in umgekehrter Richtung. Bei den Energieerzeugern abgeschöpfte Einnahmen sollen den Strompreis für die Endkunden reduzieren. Zuständig für die Wälzung sollen wie beim EEG die Übertragungsnetzbetreiber sein. Fehlt am Ende Geld, wird dies vom Bund zugeschossen.

Rückwirkung der Erlösabschöpfung war absehbar

Bereits vor der Formulierungshilfe waren mehrere Papiere zur Erlösabschöpfung im Umlauf. Die wichtigste Änderung im Vergleich zum vorigen Stand ist nun, dass es doch zu einer rückwirkenden Abschöpfung der Erlöse kommen soll. Und dies soll ab dem 1. September 2022 greifen. Spätestens ab diesem Termin hätten die Anlagenbetreiber nicht mehr darauf vertrauen können, dass sie die Überschusserlöse behalten könnten. So heißt es in der Formulierungshilfe. Wenn dies zutrifft, würde es sich um eine im Prinzip erlaubte „unechte“ Rückwirkung handeln, wie es der Rechtswissenschaftler Thorsten Müller von der Stiftung Umweltenergierecht auf den Windenergietagen in Linstow erläutert hatte.

Die angekündigte „Bagatellgrenze“ von 1 Megawatt bleibt indessen bestehen. Für kleinere Anlagen sollen also keine Erlöse abgeschöpft werden.

Ein Damoklesschwert ist die Dauer der Abschöpfung. Das geplante Gesetz zur Strompreisbremse soll bis Ende 2023 gelten. Die darin vorgesehene Erlösabschöpfung soll hingegen zum 30. Juni 2023 befristet sein. Allerdings sieht die Formulierungshilfe bereits vor, dass Strompreisbremse und Erlösabschöpfung per Verordnung bis Ende 2024 verlängert werden können, sofern die dann geltenden EU-Regeln dies hergeben.

Monatsmarktwert – (Anzulegender Wert + Sicherheitszuschlag) = Überschusserlös

Die Bundesregierung will zudem, wie bereits im Vorfeld absehbar war, die Strommarkterlöse je nach Technologie deutlich stärker abschöpfen als von der EU vorgeschrieben. Für Erneuerbare-Energien-Anlagen soll für die zugebilligten Erlöse im Wesentlichen die jeweilige EEG-Förderhöhe maßgeblich sein. Ein Sicherheitszuschlag soll die Anlagenbetreiber vor unbilliger Härte schützen. Für Wind- und Solarenergie gibt es generell zwei Sicherheitszuschläge. Sie addieren sich: ein pauschaler Zuschlag von 3 Cent pro kWh und dann noch einmal 6 Prozent des jeweiligen mittleren Monatsmarktwertes. Der zweite Teil des Sicherheitszuschlags soll die gestiegenen Kosten für die Direktvermarktung abbilden. Er ist auch prozentual gegenüber dem zuletzt diskutierten Wert leicht gestiegen.

Demgegenüber stehen als unterstellte Erlöse die Preise am Spotmarkt, beziehungsweise im Fall von Wind- und Solarenergie die spezifischen Monatsmarktwerte. Zudem können auch Ergebnisse aus Absicherungsgeschäften am Terminmarkt sowie eine anlagenbezogene Vermarktung, also insbesondere Power-Purchase-Agreements, berücksichtigt werden.

Die Differenz zwischen den zugebilligten Erlösen und den unterstellten Erlösen sind die sogenannten Überschusserlöse. Von diesen sollen 90 Prozent abgeschöpft werden.

Die Umsetzung soll durch Selbstveranlagung der Anlagenbetreiber erfolgen. Im Nachgang soll die Bundesnetzagentur Kontrollen vornehmen. Bei vorsätzlichen Falschangaben sollen Freiheitstrafen von bis zu fünf Jahren möglich sein.

Viele Spezialfälle machen die Berechnung der Überschusserlöse kompliziert

Reichlich kompliziert wird diese Veranlagung durch die vielen Spezialfälle, nach denen sich die zugebilligten Erlöse berechnen. Immerhin haben diese sich seit den vorigen Versionen kaum verändert.

  • Für Anlagen, für die kein „anzulegender Wert“ nach dem EEG bestimmbar ist, wird stattdessen ein Wert von 10 Cent pro kWh plus die 3 Cent Sicherheitszuschlag zugrunde gelegt.
  • Für ausgeförderte Anlagen aus dem EEG entfällt der Sicherheitszuschlag.
  • Offshore-Windenergie-Anlagen können hingegen mit einem Mindestwert von 10 Cent plus 3 Cent Sicherheitszuschlag pro kWh kalkulieren.
  • Bei Biogasanlagen liegt der Sicherheitszuschlag bei 6 Cent pro kWh.
  • Anlagen aus der Innovationssauschreibung erhalten 10 Cent pro kWh plus die Marktprämie in der bezuschlagten Höhe und einen Sicherheitszuschlag von 1 Cent pro kWh.
  • Im Falle von Absicherungsgeschäften sind die Überschusserlöse entsprechend zu korrigieren
  • Im Falle von Power Purchase Agreements („anlagenbezogene Vermarktung“) können die Anlagenbetreiber statt des Monatsmarktwertes den real vereinbarten Preis zugrunde legen. Der Sicherheitszuschlag sinkt dann auf 1 Cent pro kWh.
  • Neu ist eine etwas umständliche Regelung. Sie soll verhindern, dass Wind- und Solaranlagen in einzelnen Stunden mit niedrigem Strompreis abgeschaltet werden. Das könnte passieren, wenn der tatsächlich erzielte Spotmarktpreis zeitweise deutlich unter dem Monatsmarktwert liegt und mehr abgeschöpft wird, als die Anlage überhaupt gerade einnimmt. Um eine solche widersinnige Situation zu verhindern, können die Anlagenbetreiber den Überschusserlös stundenweise auf den Spotmarktpreis abzüglich 0,4 Cent pro kWh begrenzen. Allerdings ist dies keine Pflicht – der Aufwand ist schließlich nicht unerheblich.

24.11.2022 | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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