Smart-Meter-Rollout 2.0

Das Bild zeigt mehrere Smart Meter neben- und übereinander.Foto: Destina / stock.adobe.com
Bereits im Oktober hatte Bundeswirtschafts- und Klimaschutzmini­s­ter Robert Habeck einen grundlegenden Neustart beim Thema Di­gitalisierung des Strom­netzes angekün­digt; jetzt macht sein Minis­te­rium ernst.

Die Neufassung des Messstellenbetriebsgesetzes (MsbG), für die aktuell eine Verbändeanhörung läuft, ist nicht weniger als ein Neubeginn für den Smart-Meter-Rollout.

Und fast zeitgleich mit den Aktivitäten des Ministeriums zum Messstellenbetriebsgesetz hat die Bundesnetzagentur (BNEtzA) ein Eckpunktepapier zur netzorientier­ten Steuerung von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen nach § 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) vorgelegt. Damit will die Behörde unter anderem die Bahn frei machen für vergünstigte Netzgebühren für Stromkonsumenten und indirekt auch für Prosumer.

Beides zusammen, das neue Messstellenbetriebsgesetz einerseits und die Regelung der Rechte und Pflichten von Verteilnetzbetreibern und Letztverbrauchern in der neuen digitalen Netzwelt andererseits, könnten dafür sorgen, dass die Verbreitung von Smart­metern nun tatsächlich aufgrund von Push- und Pull-Faktoren aus zwei Richtungen Fahrt aufnimmt. Denn erst das Angebot von flexiblen Tarifen kann die für das Gelingen der Energiewende von Experten für essentiell gehaltene Digitalisierung auch für die von ihr Betrof­fenen Stromverbraucher und Prosumer attraktiv machen.

Geschichte des Scheiterns

Die bisherige Geschichte des Smart- Meter-Rollouts in Deutschland ist eine Liste des Scheiterns, die sich nicht nur die vergangenen Bundesregierungen, sondern auch die beteiligten Bundesbehörden ankreiden lassen müssen. Und zwar spätestens seit dem ersten Fahrplan für die Digitalisierung in Form des Messstellenbetriebsgesetzes von 2016. Ihren Höhepunkt erreichte diese Welle der Misserfolge mit der Rücknahme der sogenannten Marktverfügbarkeitserklärung aus dem Jahr 2020 durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) im Mai 2022. Die Behörde kam damit einer von zahlreichen Verteilnetzbetreibern angestrengten Gerichtsentscheidung zuvor.

Nun scheint das Ministerium aus den Fehlern der Vergangenheit lernen zu wollen. Mit dem jetzt vorgelegten Entwurf des Messstellenbetriebsgesetzes versucht es einerseits unnötige Bürokratie, andererseits zu hohe technische Hürden für die Verbreitung der Smart Meter abzubauen.

Das BMWK streicht dabei die Zuständigkeit des BSI auf das unbedingt notwendige Maß zusammen und nimmt das Amt zugleich an die kurze Leine. Das BSI soll seine Aufgaben nach dem MsbG nicht mehr in eigener Zuständigkeit, sondern „im Auftrag“ des Ministeriums und somit politisch gesteuert wahrnehmen. Es soll nur noch für die Sicherheit des Smart-Meter-Gateways, der Schnittstelle zwischen Netz und Prosumern zuständig sein, während die technischen Standards in verschiedenen steuerbaren Verbrauchseinrichtungen wie Wärmepumpen oder Wallboxen für Elektroautos laut MsbG-Entwurf „vorrangig Aufgabe der Wirtschaft“ sein sollen.

Marktverfügbarkeitserklärung adé

In dem Zusammenhang entfällt auch das bisherige Erfordernis der Marktverfügbarkeit von mindestens drei verschiedenen Smart-Meter-Gateways, die jeweils über alle erforderlichen Funktionen verfügen. Stattdessen spricht das BMWK von einem „agilen“ Rollout mit den verfügbaren Systemen. Die Vorstellung ist dabei, dass die vorhandenen Geräte schnellst­­möglich verbaut und dann später über Software-Updates mit zusätzlichen Funktionen ausgestattet werden sollen. Auf diese Weise sollen nun alle Verbraucher unter 20.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch und alle Erzeuger bis 25 kW mit den schon vorhandenen Smart-Meter-Modellen versorgt werden können.

Um dies auch in Zeiten von Lieferengpässen zu beschleunigen, setzt das BMWK auf das sogenannte 1:n-Metering. Nicht jede Verbrauchsstelle muss ein Smart-Meter-Gateway bekommen, sondern ein Gateway am gemeinsamen Netzanschlusspunkt soll Standard werden.

Der Gesetzentwurf begründet dies so: „Über geeignete Schnittstellen können mehrere Verbraucher/ Ladeeinrichtungen über das Smart-Meter-Gateway gebündelt werden und selbständig am Markt agieren. Gleichzeitig wird die Nachhaltigkeit gestärkt, weil weniger Geräte verbaut werden müssen.“

Quasi Vollversorgung bis 2030

Per MsbG will das BMWK zugleich neue Meilensteine für den Rollout definieren. Bis 2025 sollen 50 Prozent aller Stromerzeuger und Letztverbraucher mit intelligenten Messsystemen ausgestattet sein. Bis 2030 soll die Quote auf 95 Prozent steigen.

Dass dies gelingen kann, ist aber in den Augen des Forums Netztechnik/Netzbetrieb im Verband der Elektrotechnik Elektronik und Informationstechnik (VDE FNN) durch den Gesetzentwurf allein noch nicht ge­währleistet. Insbesondere fehle es bislang an einer eichrechtlichen Begleitung. Das bisherige Eichrecht verhindere einen wirtschaftlichen Betrieb der intelligenten Messsysteme.

Smart Meter für max. 20 Euro/Jahr

Apropos Geld: Hier steuert das BMWK mit seinem Gesetzentwurf massiv um. Künftig sollen Verbraucher und Betreiber kleiner Stromerzeugungsanlagen maximal 20 Euro pro Jahr für ein intelligentes Messystem samt Smart-Meter bezahlen. Dies entspricht der bisherigen Deckelung für die sogenannten „modernen Messeinrichtungen“, also digitale Zähler ohne Internetanschluss. Nach bisheriger Rechtslage zahlen Prosumer bis zu 100 Euro für einen Smart-Meter, den ihnen der Netzbetreiber aufs Auge drücken konnte, ohne dass sie einen nennenswerten Nutzen davon haben.

Das BMWK argumentiert, letztlich sei es der Netzbetreiber, der – auch nach Einführung variabler Tarife – den größten Nutzen von einem intelligenten Messsystem habe. Denn weil alle Smart-Meter viertelstundenscharf bilanzieren, erhalte der Netzbetreiber Daten, die es ihm ermöglichen „den starkgestiegenen Anforderungen an Netzbetrieb und Netzplanung effizient genügen zu können“.

Spätestens 2026 müssen dann alle Letztverbraucher mit Smart-Metern von ihren Stromlieferanten einen dynamischen Stromtarif angeboten bekommen. Bereits ein Jahr früher gilt diese Verpflichtung für größere Lieferanten ab 50.000 Kunden.

Doch auch Pflichten sollen mit der Digitalisierung für Verbaucher und Prosumer verbunden werden. Dafür ist das aktuelle Festlegungsverfahren der BNetzA nach § 14a EnWG ein wichtiger Baustein. Darin beschreibt die Behörde die Art und Weise, wie Netzbetreiber künftig in den Betrieb steuerbarer Verbrauchseinrichtungen (SteuVE) wie Wärmepumpen und Ladepunkte eingreifen dürfen. Bis auf 3,7 kW soll der Netzbetreiber künftig jede einzelne SteuVE herunterregeln dürfen. Falls der SteuVE-Betreiber technisch dazu nicht in der Lage ist, riskiert er eine Vollabschaltung.

Wenn ein Prosumer sich hingegen für eine eigene Steuerung seiner Anlagen mittels eines Energiemanagementsystems entscheidet und die Einhaltung der vom Netzbetreiber vorgegebenen Leistungsobergrenze ga­rantiert, dann soll letzterer am Netzanschlusspunkt mindestens 5 kW pro SteuVE vorhalten müssen.

Reduziertes Netzentgelt

Im Gegenzug für die Steuerbarkeit durch den Netzbetreiber sollen angeschlossene Verbraucher künftig Anspruch auf Reduzierung ihres Netzentgelts haben. In welcher Höhe, das will die BNetzA bundeseinheitlich festlegen. Die Ausschüttung dieser Entgelt­reduzierung soll nach den Vorstellungen der BNetzA davon unabhängig sein, ob der Netzbetreiber tatsächlich im Abrechnungszeitraum steuernd eingegriffen hat oder nicht.

15.12.2022 | Autor: Guido Bröer
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