Forschungsprojekt Thermaflex: Dekarbonisierung von Wärmenetzen ausgewertet

Das österreichische Leitprojekt Thermaflex hat zehn innovative Demo-Projekte in kleinen, mittleren und großen Fernwärmenetzen begleitet und ausgewertet.Foto: Stadtgemeinde Leibnitz / Andrea Kölbl
Damit ein Demo-Projekt gelingt, muss nicht nur die technische Planung stimmen, sondern auch die Zusammenarbeit der Stakeholder. Das ist bei der 100 % erneuerbaren Fernwärmeversorgung in Leibnitz gut gelungen.
Ein Wärmenetz schrittweise für einen klimafreundlichen Betrieb umzugestalten, ist eine individuelle Aufgabe. Das österreichische Leitprojekt Thermaflex hat zehn innovative Demo-Projekte in kleinen, mittleren und großen Fernwärmenetzen begleitet und ausgewertet.

Für die Dekarbonisierung von Wärmenetze gilt es, die jeweiligen lokalen Ressourcen zu erschließen. In vielen Fällen muss man dafür auch unkonventionell denken. Manche Ressourcen lassen sich nur dezentral an bestimmten Standorten einbinden, andere fluktuieren zeitlich und erfordern neue Wärmespeicher, wieder andere eine Anpassung der Regelungen. In kurzer Zeit das jeweils beste Konzept zu finden und einzubinden, wird eine Schlüsselaufgabe für die Wärmewende sein. Im Großforschungsprojekt Thermaflex hat ein transdisziplinäres Team von 28 Partnern unter der Leitung von AEE Intec die Erfahrungen aus zehn Demo-Projekten an unterschiedlichen Standorten zusammengetragen.

Österreichkarte mit den Projekten.
Die Erfahrungen aus zehn Projekten in großen und kleinen Wärmenetzen in ganz Österreich fließen in Thermaflex zusammen. Grafik: AEE Intec

Thermaflex wurde aus Mitteln des Klima- und Energiefonds gefördert und stand unter dem Schirm des Green Energy Lab als Teil des Programms „Vorzeigeregion Energie“. In den einzelnen Demo-Projekten geht es um sehr unterschiedliche Aspekte der Integration innovativer Wärmeerzeuger, die jeweils zum Gelingen eines Projektes nötig sind. Im Gegensatz zu vielen anderen Projekten stand bei diesem Ansatz nicht die Entwicklung eines klassischen Leitfadens im Vordergrund, der sich Schritt für Schritt abarbeiten ließe. Vielmehr bietet Thermaflex eine Auswahl an, aus der sich Wärmenetzbetreiber die für ihr Netz passenden Ansätze zusammenstellen und bei Bedarf noch weiter variieren können.

Thermaflex berücksichtigt drei Dimensionen der Wärmewende

Die verschiedenen Aspekte stellt Thermaflex in einer Art Kleeblatt dar. Jedes der drei Teilblätter steht für eine Dimension der Wärmewende. Die technischen Komponenten, wie Wärmepumpen oder Speichertechnologien, bilden das erste Teilblatt. Sie lassen sich vergleichsweise einfach von einem Projekt auf andere übertragen, sofern sich physikalische Randbedingungen ähneln. Ein Beispiel hierfür ist die Modernisierung und Integration einer Wärmepumpe in einem Bioenergie-Netz, wie in Saalfelden. Dabei war es wichtig, im ersten Schritt Effizienzpotenziale im Netz zu heben und die Wärmepumpe erst danach auf das optimierte Netz hin anzupassen. Es gibt in Österreich hunderte dörfliche Wärmenetze mit hohem Bioenergie-Anteil, für die das Konzept in ähnlicher Weise nutzbar wäre.

In einem anderen Demo-Projekt bezog sich eine Fragestellung auf die Nutzung von Wärme aus einem Abwasserkanal. Der Betreiber der Kläranlage fürchtete, die Reinigungsleistung der Bakterien im Klärbecken könnte durch das kühlere Abwasser sinken. Das Monitoring zeigte, dass die Abwärmenutzung mit den gegebenen Rahmenbedingungen unproblematisch ist. Diese Erkenntnis lässt sich mit den passenden Parametern auch auf andere Projekte übertragen.

Integration von Stakeholdern und innovative Geschäftsmodelle

Im zweiten Teil des Kleeblatts untersuchte Thermaflex nicht-technische Maßnahmen wie die Integration von Stakeholdern und innovative Geschäftsmodelle. Das ist zum Beispiel für die Nutzung von unterschiedlichen Abwärmequellen aus Industrie und Gewerbe sowie Infrastrukturen wichtig. Meistens fällt diese schließlich in Betrieben an, die mit dem Wärmenetz nicht unmittelbar zu tun haben. Dann ist es zentral, ein Geschäftsmodell zu finden, das allen beteiligten Parteien einen Vorteil bietet. Ein Beispiel hierfür ist die Nutzung von Abwärme aus Thermen, wie im Projekt in Wien. Hier galt es nicht nur, Thermeneigentümer und Wärmenetzbetreiber an einen Tisch zu holen, sondern auch den Kanalnetzbetreiber, denn sie sind die Besitzer des Abwassers.

Der dritte Teil des Kleeblatts zeigt systemische Ansätze. Dazu gehört zum Beispiel die Energieraumplanung, die Sektorenkoppelung oder eine intelligente, individuell angepasste Regelungstechnik. Ein Beispiel hierfür ist die Einbindung großer Solarthermie-Anlagen, wie in Mürzzuschlag. Die Solarthermie-Anlage beginnt morgens mit der Wärmelieferung. Wenn diese nicht sofort im Netz Abnehmer findet, muss es freie Kapazitäten in den Pufferspeichern geben, um sie aufzunehmen. Sorgt die Regelung des Netzes dafür, dass Pufferspeicher auch nachts auf einen hohen Sollwert beladen werden, hat die Sonnenwärme keine Chance. Die Regelung muss also für die Nutzung der Solarthermie angepasst werden.

Im Zentrum steht das flexible Zusammenspiel

Gemeinsam betrachtet führen die drei Teilblätter zu deutlich mehr Freiraum und Flexibilität in der Fernwärme-Planung. Denn wenn man einzelne Rahmenbedingungen, zum Beispiel die möglichen Abwärmequellen oder die zeitliche Verfügbarkeit, von vornherein komplett festzurrt, schränkt das die Freiheitsgrade bei der Optimierung des Systems ein. Indem man stattdessen das System als Ganzes optimiert, lässt sich der Einsatz fossiler Energieträger nachhaltig minimieren. Dadurch sinken nicht nur die Emissionen, sondern auch die laufenden Kosten. Im Gegenzug wachsen die Versorgungssicherheit und der Mehrwert für die Stakeholder. Indem diese von Anfang an eingebunden sind, verkürzen sich im späteren Prozess zudem die Planungs- und Abstimmungszeiten, da nicht immer wieder zusätzliche Interessen berücksichtigt werden müssen. So war es möglich, in den vier Jahren Projektlaufzeit auch große Demo-Projekte zügig voranzubringen. Der Ansatz, auf eine komplexe Aufgabenstellung mit einem flexiblen Vorgehen zu reagieren, ist für ein schnelles Umsetzen der Wärmewende unverzichtbar.

16.12.2022 | Quelle: AEE Intec | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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