Özdemir sorgt mit Biokraftstoff-Aussage für Widerspruch

Kanister mit Rapsblüten vor Rapsfeld - Symbol für Biodiesel, Biokraftstoffe, Bioenergie, BiokraftstoffFoto: foto_tech /stock.adobe.com
In einem Interview mit der Funke-Mediengruppe hat sich Landwirtschaftsminister Cem Özdemir gegen den Einsatz von Nahrungspflanzen für Biosprit ausgesprochen. Nun kommt Protest.

Auch Medien außerhalb der Funke-Gruppe griffen die Aussagen auf. Auf die Frage, wie lange Bauern noch zum internen Gebrauch Getreide für Biokraftstoff ernten dürften, antwortete Özdemir: „Wenn es nach mir geht, wofür wir Getreide nutzen – also Teller, Tank oder Trog –, dann sage ich ganz klar: Teller first! Getreide sollte in erster Linie für die menschliche Ernährung genutzt werden, bisher ist das nicht der Fall. Die Herstellung von Biosprit aus Nahrungspflanzen hat keine Zukunft – vor allem nicht, wenn wir das Thema Ernährungssicherheit und bezahlbare Lebensmittel ernst nehmen.“ Außerdem sprach er sich dafür aus, ab 2030 im Verkehr auf Kraftstoff aus Anbaubiomasse zu verzichten. Allerdings habe er dies nicht allein zu entscheiden. Dafür brauche es in Bundesregierung eine „vernünftige Einigung“, um schrittweise die Biosprit-Erzeugung aus Nahrungspflanzen herunterzufahren. Zeitlich steht die Äußerung im engen Zusammenhang mit dem Autogipfel im Kanzleramt der bevorstehenden Landwirtschaftsmesse Grüne Woche.

Bioethanol-Verband: Tierfutter und Biokraftstoff werden gleichzeitig hergestellt

Der BDBe sieht keinen Gegensatz von Tank-Teller-Trog. Das für die heimische Bioethanolherstellung verwendete Futtergetreide sei für den menschlichen Verzehr nicht geeignet. Daher müsse die Aussage von Özdemir über Biokraftstoff als verzerrend bezeichnet werden. Deutschland stärke durch den Biosprit vielmehr seine Ernährungssicherheit, da mit jeder Tonne Bioethanol auch eine Tonne eiweißreiches Futtermittel produziert werde. So sinke die Abhängigkeit von Futtermitteln aus Übersee. Die Bioethanol-Beimischung reduziere die CO2-Emissionen im Straßenverkehr jährlich um 3 Millionen Tonnen.

„Biokraftstoffe sind aktuell und auch in den nächsten Jahren die einzig wirksame Möglichkeit zur Treibhausgasminderung im Straßenverkehr. Mehr als 45 Millionen Pkw mit Verbrennungsmotoren, die auch nach 2030 noch auf deutschen Straßen unterwegs sein werden, können nur mit erneuerbaren Kraftstoffen defossilisiert werden“, sagt Norbert Schindler, Vorsitzender des BDBe. Die Elektromobilität könne erst langfristig zur CO2-Minderung beitragen. Statt neuer Verbotsszenarien solle die Bundesregierung daher einen realistischen Fahrplan für den Verkehrssektor inklusive einer nationalen Kraftstoffstrategie vorlegen.

Schindler betont zudem, dass Ethanol europaweit auch als Basischemikalie eingesetzt und für diesen Zweck nicht mehr aus fossilen Quellen gewonnen werde. Bioethanol sei somit auch für die pharmazeutische und chemische Industrie wichtig. Der Bundesverband der deutschen Bioethanolwirtschaft (BDBe) zählt zu seinen Mitgliedern nicht nur Bioethanol-Hersteller, sondern auch Unternehmen aus der Landwirtschaft und der Weiterverarbeitung von Bioethanol und seinen Nebenprodukten, wie zum Beispiel Hefe oder biogene Kohlensäure.

Biokraftstoff-Verband: Biosprit langfristig für Güterverkehr, Landwirtschaft und Chemieindustrie nutzen

Auch der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) mahnt, die „Realität nicht aus den Augen“ zu verlieren. Er setzt die Biokraftstoff-Aussage von Özdemir in den Zusammenhang zum Autogipfel. Nur wenn das nachhaltige Potenzial von Biodiesel, Bioethanol und Biomethan genutzt werde, seien die verbindlichen Vorgaben des Klimaschutzgesetzes heute und bis 2030 einzuhalten, sagt Elmar Baumann, Geschäftsführer beim Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB). Auch er betont die Rolle der Biokraftstoffe im Fahrzeugbestand. Ohne Biokraftstoffe werde es Deutschland zudem nicht schaffen, die europäischen Klimaschutzvorgaben für Verkehr, Landwirtschaft und Gebäude zu erreichen. Das würde zu bis zu 10 Milliarden Euro Strafzahlungen bis 2030 führen.

Mittel- und langfristig sei eine Verlagerung der Nutzung sinnvoll. „Biokraftstoffe sollten in einigen Jahren verstärkt im Straßengüterverkehr und in besonderen Anwendungen zum Beispiel in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen. Dort ist eine Elektrifizierung technisch schwierig oder sehr teuer“, sagt Baumann.

Schließlich kämen auch Verwendungen außerhalb des Verkehrssektors in Frage. „Biokraftstoffe kann die chemische Industrie perspektivisch als erneuerbaren Rohstoff nutzen, um schrittweise auf fossile Ausgangsstoffe zu verzichten“, sagte Baumann.

Der Einsatz von Biokraftstoffen aus der Landwirtschaft ist seit Jahren umstritten. Laut Daten des Zoll führen sie zu deutlichen CO2-Minderungen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hält Biokraftstoffe für ungeeignet für den Klimaschutz und fordert stattdessen ein Tempolimit. Die Bundesregierung hat im Oktober zumindest Eckpunkte einer Biomasse-Strategie vorgelegt, die eine stoffliche Nutzung priorisieren.

10.01.2023 | Quelle: BMEL, VDB, BDBe | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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