Smart-Meter-Rollout: Kabinett beschließt Neustart
Habeck sagte zum Kabinettsbeschluss: „Wir sorgen mit dem heutigen Gesetzentwurf für einen gesetzlich klar festgelegten Rollout-Fahrplan. Der Rollout wird systematisiert, beschleunigt und entbürokratisiert. Die jährlichen Kosten für Verbraucherinnen und Verbraucher werden bewusst gedeckelt und zugleich auch die Einführung dynamischer Tarife beschleunigt“
Und tatsächlich wirft die Bundesregierung mit dem Gesetzentwurf, zu dem vor Weihnachten eine kurze Verbändeanhörung lief, etliche der seit 2016 geltenden Vorgaben des Messstellenbetriebsgesetzes (MstBG) über Bord, die den Rollout nach Einschätzung vieler Expert:innen eher behindert als gefördert haben.
Rolle des BSI verringert sich beim Rollout
Eine davon ist die sogenannte Drei-Hersteller-Regel. Bisher verlangte das MstBG für jede Entwicklungsstufe die Zertifizierung von drei Smart-Meter-Modellen voneinander unabhängiger Hersteller durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Da aber inzwischen ein ausreichendes Angebot an Smart-Meter-Gateways vorhanden sei, so argumentiert das BMWK nun, könne diese Regelung entfallen.
Es will den Rollout der Hardware ab sofort mit den vorhandenen Geräten starten, wobei zusätzliche Funktionen später einfach per Software-Update nachgerüstet werden sollen. Insbesondere betrifft dies Funktionen zum Steuern und Schalten von Verbrauchern und Erzeugungsanlagen sowie Speichern. Für lastabhängige Tarife sowie ein Agieren auch kleinerer Prosumer am Strommarkt sind diese Funktionen von wesentlicher Bedeutung.
„Agiler“ Rollout
Nach dem heute beschlossenen Gesetzentwurf soll diese Art eines unbeschränkten „agilen Rollouts“, wie ihn das Ministerium nennt, für Verbraucher bis 100.000 Kilowattstunden (kWh) und Erzeuger bis 25 Kilowatt (kW) Leistung praktiziert werden. Dadurch soll die Branche die Möglichkeit bekommen, sich warmzulaufen und Prozesse aufzubauen, bevor der Pflichtrollout für sie gilt.
Kosten für Smart Meter – Tabelle
Der Gesetzentwurf setzt wesentlich strengere, nach Leistung und Verbrauch gestaffelte, Preisobergrenzen für Smart Meter als bisher. Genauer gesagt werden die Kosten anders verteilt. Den Großteil der Kosten hat der Netzbetreiber zu tragen. Privathaushalte mit einem Verbrauch von höchstens 10.000 kWh und Betreiber:innen von kleinen Erzeugungsanlagen bis 15 kW sollen für ein intelligentes Messsystem künftig nicht mehr als 20 Euro pro Jahr bezahlen. Dies entspricht der heutigen Preisobergrenze für eine „moderne Messeinrichtung“ ohne Internetanschluss. Der Betrag liegt um ein Vielfaches unter den bislang von den Messstellenbetreibern aufgerufenen Zählergebühren für intelligente Messsysteme, weil die Netzbetreiber nunmehr einen Teil der Kosten übernehmen. Die einzelnen Preisobergrenzen für Smart Meter an Erzeugungsanlagen, zum Beispiel Photovoltaikanlagen, zeigt die folgende Tabelle:
Leistung | max. Anteil Netzbetreiber | max. Anteil Anlagenbetreiber | |
≤ 7 kW (optionaler Einbau) | 40 € | 20 € | |
> 7 kW ≤ 15 kW | 80 € | 20 € | |
> 15 kW ≤ 25 kW | 80 € | 50 € | |
> 25 kW ≤ 100 kW | 80 € | 120 € | |
> 100 kW | 80 € | „angemessen“ |
Nur ein Smart-Meter-Gateway für mehrere Anschlüsse
Hinzu kommt, dass nur noch ein Smart-Meter-Gateway für mehrere Haus- oder Wohnungsanschlüsse künftig in der Regel am gemeinsamen Netzanschlusspunkt eingebaut werden soll. Über geeignete Schnittstellen können dann mehrere Verbraucher und Erzeuger darüber selbstständig am Strommarkt agieren.
Kritik aus der Branche
Kritisch äußert sich der Netzbetreiberverband BDEW gegenüber den Plänen der Bundesregierung. Er hofft auf Veränderungen im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren. BDEW Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae reklamiert, „dass jeder Kunde auf Antrag zeitnah ein intelligentes Messsystem eingebaut bekommen kann. Aus Sicht der Energiewirtschaft ist das in der Hochlaufphase ineffizient, weil alle Kundenwünsche vorzuziehen wären, unabhängig von ihrem Nutzen für das Gesamtsystem.“ Grundsätzlich lobt Andreae allerdings den geplanten gesetzlichen Neustart: „Die vorgesehenen Regelungen schaffen Rechtssicherheit, flexibilisieren den Rollout und schaffen Raum für die schrittweise Einführung intelligenter Messsysteme und der Funktionen, die diese Technik bietet.“
Dazu gehört auch die Möglichkeit lastabhängiger Tarife für Verbraucher:innen und einer besseren Direktvermarktung für Erzeuger:innen. Marion Nöldgen, Deutschland-Chefin des Ökostromanbieters Tibber, eines Pioniers für dynamische Tarife, begrüßt deshalb, „dass Habeck auch die zentralen Vorteile für dynamische Tarife für die Privathaushalte und die Energiewende erkannt hat. Damit können Privathaushalte von niedrigen und sogar negativen Preisen an den Strombörsen profitieren – und damit gerade große Verbräuche wie das Laden von E-Autos und den Betrieb von Wärmepumpen in Zeiten verschieben, in denen der Strom günstig und grün ist.“
12.1.2023 | Autor: Guido Bröer
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