BauGB: Photovoltaik-Freiflächenanlagen ohne B-Plan

Panorame-Luftbild einer Photovoltaik-Freiflächenanlage an einer Autobahn, wie sie künftig nach § 35 BauGB im Außenbereich privilegiert sind.Foto: snapshotfreddy / stock.adobe.com
Solche Photovoltaikanlagen entlang von Autobahnen, sind künftig nach § 35 BauGB im Außenbereich privilegiert.
Seit dem 1. Januar 2023 greift eine neue Teilprivilegierung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen im Außenbereich. Der Bundestag hat sie im Dezember vergangenen Jahres beschlossen. Damit ist es entlang von Auto­bahnen und einigen Bahnlinien nun deutlich einfacher, eine Photovoltaik-Anlage zu realisieren. Obwohl nun teils ein Bebauungsplan verzichtbar geworden ist, sind weiterhin auch andere Belange wie der Natur­schutz zu be­ach­ten.

Wie bereits berichtet, hat der Bundestag am 1. Dezember 2022 das Baugesetzbuch geändert und dabei eine neue Privilegierung für Photovoltaik-Freiflächenanlagen geschaffen. Sie gilt im Außenbereich (also außerhalb von Bebauungsplänen und zusammenhängenden Ortsteilen) in einem 200 Meter breiten Streifen entlang von Autobahnen und von Schienenwegen des übergeordneten Netzes mit mindestens zwei Hauptgleisen. Zudem gibt es im EEG nun auch Regelungen, die Anlagen auf solchen Flächen eine Vergütung garantieren oder die Beteiligung an einer Ausschreibung erlauben.

Schutzwürdige Interessen bleiben zu beachten

Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass auch bei privilegierten Baumaßnahmen andere schutzwürdige Interessen, wie zum Beispiel der Naturschutz zu beachten sind. Diese werden im Baurecht als öffentlicher Belang bezeichnet. Und eine Liste dieser Belange findet sich ebenso wie die privilegierten Vorhaben in Paragraf 35 des Baugesetzbuches. Dabei ist es grundsätzlich so, dass Bauen im Außenbereich nicht zulässig ist, es sei denn das Vorhaben gilt als privilegiert.

Im Vorfeld des Bundestagsbeschlusses stieß dabei eine Erweiterung der privilegierten Vorhaben auf die PV-Freiflächenanlagen durchaus auf Kritik. So waren die Städte und Gemeinden, die über Bauanträge zu entscheiden haben, nicht begeistert. „Für uns ist die maßvolle Beanspruchung des Außenbereichs wichtig, um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Ausbau der erneuerbaren Energien und weiteren Belangen wie zum Beispiel dem Natur- und Artenschutz zu erreichen“, sagt Marianna Roscher, die Referatsleiterin für Bauen, Wohnen, Klimaschutz und Klimaanpassung beim Deutschen Städte- und Gemeindebund (DSTGB). Daher sei der Verband gegen eine generelle Außenbereichsprivilegierung von Photovoltaikanlagen. Die bislang erforderlichen Bebauungspläne seien ein gutes und bewährtes Steuerungsinstrument. Die nunmehr im Außenbereich teilprivilegierten Vorhaben an Schienenwegen und Autobahnen seien jedoch grundsätzlich unterstützenswert, da es sich um vorbelastete und für andere Projekte, wie zum Beispiel Wohnbebauung, wenig attraktive Flächen handele.

Flächenverbrauch für Photovoltaik im Außenbereich reduzieren

Der DStGB präferiere für die PV-Nutzung eine ausgewogene Beanspruchung von Außenbereich und versiegelten Flächen, um den Flächenverbrauch insgesamt zu reduzieren, so Roscher. So sei beispielsweise der Bau von PV-Anlagen auf Parkplätzen und Gebäuden erstrebenswert. Durch die neue Privilegierung werde die kommunale Planungshoheit nun partiell eingeschränkt. Allerdings, erklärt die Referatsleiterin, seien die Anlagen trotz Privilegierung weiterhin genehmigungspflichtig; so beispielsweise im Hinblick auf das Straßenrecht sowie Natur- und Artenschutz. Da die erneuerbaren Energien aufgrund des Erneuerbare-Energien-Gesetzes von überragendem öffentlichen Interesse seien, werde der Abwägungsspielraum für die Genehmigungsbehörden nun aber merklich eingeschränkt.

Kommunen und Photovoltaik-Projektierer sollten kooperieren

Peer Michaelis, Rechtsreferent beim Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende, empfiehlt mit Blick auf die neue Teilprivilegierung der Photovoltaik sowohl Projektierern als auch Kommunen eine kooperative Herangehensweise. Photovoltaik-Anlagen im Außenbereich seien nun im Rahmen der Flächenvorgaben im Baugesetzbuch wesentlich leichter zu realisieren. Zwar seien auch andere Belange, wie zum Beispiel der Naturschutz, zu berücksichtigen, doch müss­ten diese – mit den Worten des Baugesetzbuchs – dem Projekt entgegenstehen, damit eine Gemeinde einen Bauantrag ablehnen könne.

Allerdings könne die Gemeinde durchaus im Rahmen der Baugenehmigung Festlegungen treffen. Denkbar seien zum Beispiel Vorgaben zu Blühstreifen und Heckenpflanzungen. Ob diese Festlegungen rechtssicher sind, sei derzeit aber noch offen. Denn solche Festlegungen dürften nicht immer zwingend notwendig sein, um die gesetzlich geforderte Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens herzustellen.

B-Plan für Photovoltaik-Freiflächen trotz Privilegierung

Letztlich, so Michaelis hätten aber wohl alle Beteiligten, Betreiber und Kommunen, ein Interesse an einvernehmlichen Lö­sun­gen. So sei es insbesondere bei größeren Projekten auch gut vorstellbar, weiterhin einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan zu erarbeiten. Erforderlich sei dies vor allem dann, wenn ein Projekt auch Flächen umfassen soll, die über den privilegierten Korridor hinausgehen.

Die Einflussmöglichkeiten von Kommunen seien nun geringer, so Michaelis. „Die Grenzen des rechtlich Zulässigen sind enger gesetzt.“ Allerdings spielten die öffentlichen Belange bzw. Schutzgüter weiterhin eine Rolle. So sei ein Schutzgut wie der Landschaftsschutz weiterhin vorhanden. Ein Investor könne also nicht zuerst in den jetzt privilegierten Flächen eine PV-Anlage errichten und im nächsten Schritt mit Verweis auf die eh schon vorhandene Vorbelastung durch die erste Anlage eine zweite in nicht privilegierten Flächen verlangen. Denn die grundlegende Unterscheidung zwischen privilegierten und nicht privilegierten Vorhaben bestehe nach wie vor. „Es handelt sich letztlich immer um eine Einzelfallentscheidung“, erklärt Michaelis.

Trotz Privilegierung sind für Photovoltaik-Fächen im Außenbereich alle Belange zu prüfen

Weiterhin sind auch bei privilegierten Anlagen die Belange zu prüfen und die Träger öffentlicher Belange einzubeziehen. Dabei ist aber ein gewisses Augenmaß erforderlich. Wenn eine Kommune beispielsweise bei einer bestehenden und in der Regel nicht artenreichen Ackerfläche eine komplette Biotopkartierung verlangt, dann ist das wohl nicht verhältnismäßg. Andererseits hat ein Investor aber auch nach der neuen Privilegierung keinen direkten Zugriff auf eine Fläche, die für die biologische Vielfalt von Bedeutung ist.

Zu beachten seien weiterhin auch auf privilegierten Flächen die Flächennutzungspläne einer Kommune, so Michaelis. Diese könnten einem Photovoltaik-Projekt im Außenbereich durchaus entgegenstehen. Aber eine Ausweisung als zum Beispiel landwirtschaftliche Fläche reiche im Regelfall nicht aus, um den Bauantrag für eine privilegierte PV-Freiflächenanlage abzuweisen. Dies sei jedoch – wie erwähnt – eine Einzelfallentscheidung. Die Steuerungsmöglichkeiten für Städte und Gemeinden seien insgesamt überschaubar.

Baurecht für Photovoltaik im Außenbereich erweitern

Dem Bundesverband Solarwirtschaft geht die neu gefundene Regelung nicht weit genug. Sie beschränke sich auf einen Verkehrsrandstreifen von 200 Metern, so BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig. Die Privilegierung weiche damit von der im EEG 2023 vorgesehenen Flächenkulisse bei Verkehrsrandstreifen von 500 Meter entlang von Autobahnen und Schienenwegen ab. Und sobald eine geplante Anlage über die 200 Meter hinausgehe, unterliege diese wieder dem bisherigen Genehmigungsverfahren.

„Die Regelung greift damit zu kurz und betrifft nur ein Teil der zukünftigen Anlagen entlang von Verkehrsrandstreifen”, so Körnig. Bei der Prüfung des Bauantrags müsse die Gemeinde den Ausbau erneuerbarer Energien jedoch weiterhin mit anderen Belangen abwägen, weshalb eine inhaltlich begründete Ablehnung der Baugenehmigung zwar unwahrscheinlicher sei, aber möglich bleibe.

BSW fordert BauGB-Privilegierung auch für Solarthermie

„Der Gesetzgeber hat zudem verpasst, weitere Flächen, bei denen eine baurechtliche Privilegierung sinnvoll wäre mit der vergangenen Novelle zu privilegieren”, betont Körnig: „Dazu gehören unter anderem grundsätzlich Flächen für Solarthermieanlagen, kleine PV-Anlagen bis 1 MW und Agri-PV-Anlagen.

23.1.2023 | Autor: Andreas Witt
© Solarthemen Media GmbH

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