Politische Initiativen für Tiefengeothermie

Eine Schnittzeichnung, die eine Tiefengeothermie-Bohrung darstellt. Oben eine Stadt, darunter das Erdreich.Grafik: Stadtwerke München
Beim Forschungsprojekt INSIDE kooperieren die Geothermie-Betreiber Stadtwerke München und Innovative Energie für Pullach mit dem Karlsruher Institut für Technologie. Dafür wurde bei der Geothermieanlage in der Schäftlarnstraße in München ein 3750 Meter tiefes Loch gebohrt, um an die Wärme zu kommen.
Die Tiefengeothermie, die Bohrungen von einigen Hundert bis Tausend Meter voraussetzt, fristet derzeit ein Nischendasein. Es gibt nur wenige realisierte Projekte. Das soll sich ändern. Bereits im November 2022 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) dafür ein Eckpunktepapier veröffentlicht. Aber noch sind die darin angekündigten Maßnahmen nicht richtig an­ge­laufen.

Das Wärmepotenzial im Erdinneren ist extrem groß. Doch bislang erschließen es nur wenige Kommunen, Stadtwerke und Unternehmen. Das hat einen einfachen Grund: Bei geringen Erdgaskosten war Tiefengeothermie wegen der hohen Investitionskosten selten konkurrenzfähig. Jetzt ändert sich dies, weil der Erdgaspreis wohl auf einem höheren Niveau als vor dem starken Anstieg in den Jahren 2021 und 2022 verharren könnte. Außerdem kommt hinzu, dass Bundesregierung und Bundestag absehbar den bis spätestens 2045 zu erreichenden klimaneutralen Gebäudebestand gesetzlich vorschreiben wollen.

Dafür, so erklärt das BMWK, seien Effizienzmaßnahmen und der massive Ausbau erneuerbarer Energien erforderlich. Und in diesem Kontext verfügte die Geothermie über ein großes Potenzial, das nun zukunftssicher erschlossen werden solle.

Aktuelle Studien von deutschen Forschungsinstituten, wie die „Roadmap Oberflächennahe Geothermie“, die „Roadmap Tiefe Geothermie”, und eine Metastudie zur nationalen Erdwärmestrategie, kommen zu dem Ergebnis, dass die Geothermie einen Großteil des deutschen Wärmebedarfs decken könnte.

Anschub für die Politik

„Der Druck kommt von unten”, erklärt André Deinhardt, der Geschäftsführer des Bundesverbandes Geothermie (BVG): „Energieversorger und Stadtwerke brauchen Lösungen.” Bislang gebe es für den klimaneutralen Umbau der Wärmeversorgung im großen Maßstab noch keine perfekte Lösung. Deswegen wachse das Interesse an der Geothermie sehr stark, was sich unter anderem an den Anmeldungen zu Veranstaltungen zeige.

Deinhardt erwartet sinkende Erzeugungspreise für Wärme aus neuen Geothermieanlagen und vor allem Preisstabilität. Zwar seien natürlich auch diese Projekte von den üblichen Preissteigerungen im Bausektor betroffen, doch habe die Branche inzwischen dazugelernt. So habe vor zehn Jahren die Reparatur einer Pumpe in einer Tiefengeothermieanlage noch drei Wochen benötigt, jetzt dauere das einen halben Tag. Dies führe dann auch zu geringeren Betriebskosten, weil die Backup-Systeme zur sicheren Wärmeversorgung abgespeckt werden könnten.

Markthochlauf in der Tiefengeothermie

Mit einem weiteren Markthochlauf würden mehr Unternehmen in den Markt einsteigen und die wachsende Erfahrung könne die Kosten weiter senken, so Deinhardt. Sehr helfen könnten der Geothermie allerdings einfachere Genehmigungsverfahren. „Die Wahrheit ist, dass wir bei der Realisierung von Geothermieprojekten zehn Jahre brauchen, davon acht für die Genehmigungsverfahren.” Das müsse schneller gehen.

Um auch dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, arbeiten die Verbände BVG, AGFW und BEE inzwischen störker zusammen. „Wir haben ein gemeinsames Interesse”, erklärt Deinhardt. So wäre es von Vorteil, wenn Geothermieprojekte im Außenbereich privilegiert würden. Und für die dreidimensionalen seismischen Untersuchungen, die derzeit im Frühjahr und Sommer nicht stattfinden dürfen, müsse das Naturschutz angepasst werden.

Ende vergangenen Jahres habe das BMWK diese Impulse aufgegriffen – nach Einschätzung von Deinhardt noch verhalten. Die Leitungsebene habe die Geothermie als Lösung noch nicht auf dem Zettel gehabt. Das Eckpunktepapier, das das Ministerium im November 2022 vorgelegt hat, sei ein erster Aufschlag.

So definiert es ein Ausbauziel von zehn Terawattstunden (TWh) bis 2030. Das bedeute zwar einen deutlichen Zuwachs, sagen die Verbände in einer Stellungnahme. „Das technisch erschließbare Potenzial der Geothermie liegt allerdings deutlich höher, sodass die 10-TWh-Zielvorgabe vor dem Hintergrund des zunehmenden Handlungsdrucks bei der Wärmewende nicht ambitioniert genug ist.”

Forschungsprojekte für Tiefengeothermie

Um die Tiefengeothermie voranzubringen, wolle das BMWK zwei Forschungsvorhaben fördern und diese in einem Kommunikationsprozess begleiten, erklärt das Ministerium gegenüber den Solarthemen. Dabei gehe es auch um eine „Datenkam­pagne”, um Informationsdefizite zum Untergrund abzubauen. „Dazu erfolgt eine systematische Aufbereitung der verfügbaren Untergrunddaten in Gebieten mit geeigneter Infrastruktur und passfähigen Wärmenetzen”, so das BMWK. Das geschehe in enger Zusammenarbeit mit den staatlichen geologischen Landesämtern. Ziel sei es, innerhalb der nächsten zwei Jahre eine bundesweite einheitliche Datenbank zur Verfügung zu haben, die plausible, zugängliche und aufbereitete Informationen über das lokale geothermische Potenzial enthält.

Das zweite Forschungsvorhaben beinhaltet nach Aussage des BMWK die Exploration an Standorten für die mitteltiefe und tiefe Geothermie. Im Rahmen des Vorhabens sollen in einem wettbewerblichen Verfahren „Demonstrationsprojekte erschließungsfähig qualifiziert werden”. Ziel ist es laut Eckpunktpapier, die ersten erfolgversprechenden Gebiete bereits im Jahr 2023 zu untersuchen.

Verbände fordern Explorationskampagne

BVG, BEE und AGFW fordern die zügige Umsetzung einer umfassenden Explorationskampagne: „Bis spätestens Ende 2023 müssen die erforderlichen Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden, um die anvisierten 100 Projekte anzustoßen. Für diese 100 Projekte sollten Seismik und eine erste Probebohrung zu 100 Prozent vom Bund finanziert werden.”

Wegen der vergleichsweise hohen Investitionskosten der Geothermie sollen nach Aussage des BMWK Förderprogramme bei der Marktbereitung helfen und durch Skaleneffekte dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit der Anlagen zu verbessern. Noch stehen diese Förderprogramme aber nicht voll zur Verfügung.

Bundesförderung für Tiefengeothermie

So wolle der Bund mit der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) einerseits die Dekarbonisierung von Bestandsnetzen, andererseits den Neubau von überwiegend erneuerbar gespeisten Wär­menetzen anreizen, so das BMWK: „Im Bereich der Geothermie sollen geothermische Anlagen zur Wärmeerzeugung, die in Wärmenetze einspeisen, künftig als Element einer systemischen Förderung (basierend auf einer Machbarkeitsstudie oder einem Transformationsplan) mit 40 Prozent der Investitionskosten gefördert werden.” Außerdem will das BMWK die Geothermie künftig in die Bundesförderung Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft (EEW) einbeziehen.

Noch scheinen die Bedingungen aber nicht klar festzustehen. Das gilt wohl auch für das künftige System zur Verringerung des Fündigkeitsrisikos, das der Bund nach Aussage des BMWK in den Blick genommen hat. Zudem will er sich mit der Verfügbarkeit von Fachkräften und derWeiterentwicklung von Mess- und Bohranlagen befassen.

„Parallel dazu werden die rechtlichen Rahmenbedingungen geprüft, um eine weitere Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für Aufsuchungserlaubnis und die Genehmigungsverfahren für die Nutzung der Erdwärme zu ermöglichen”, kündigt das BMWK an.

18.2.2023 | Autor: Andreas Witt
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