Grüne Leitmärkte für grünen Stahl

Stahl-Seile im Vordergrund, hinten ein Industriegelände mit einer Windkraftanlage. Erneuerbare Energien für grünen Stahl.Foto: Oliver Ristau
Staatliche koordinierte grüne Leitmärkte sind nach Meinung des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) die beste Methode, um CO2-intensive Industrien wie Chemie und Stahl zu dekarbonisieren. Sie seien Einzelverträgen mit Unternehmen vorzuziehen, die am Ende teurer würden und Fortschritt aufhielten. Dazu hat der Beirat jetzt ein Gutachten vorgelegt.

Der Wissenschaftliche Beirat beim BMWK plädiert für grüne Leitmärkte, um die Grundstoffindustrie in Europa klimaneutral zu gestalten. So ein Fazit des Gutachtens, in denen die Wissenschaftler grüne Leitmärkte mit einzelnen Klimaschutzverträgen (KSV) zwischen Staat und Industrie vergleichen.

Nachfrage schaffen für grünen Stahl

Bei einem grünen Leitmarkt schafft der Staat Nachfrage für klimafreundlich hergestellte Produkte, wie beispielsweise grünen Stahl, die auf dem normalen Markt – weil zu teuer – nicht konkurrenzfähig sind. „Der Staat verpflichtet sich zum Beispiel, eine bestimmte Menge grünen Stahls nachzufragen, indem er für einen Teil seiner Beschaffung grünen Stahl vor­- gibt“, erläutert Beiratsmitglied Achim Wambach. Dieser könnte dann in Zügen der Deutschen Bahn, Brücken oder staatlichen Gebäuden zum Einsatz kommen.

Möglich sei auch, in Branchen wie dem Automobilsektor, beim Baustahl oder bei „weißer Ware“ wie Waschmaschinen grünen Stahl vorzuschreiben. Die grüne Eigenschaft ließe sich ferner als Zertifikat handeln. So könnten zum Beispiel Waschmaschinenhersteller Vorgaben für Mindestanteile grünen Stahls einfacher erfüllen.

Der Vorteil laut der Wissenschaftler: In einem von Wettbewerb geprägten Leitmarkt werde sich der Preisaufschlag des grünen gegenüber dem grauen Stahl nahe an den tatsächlichen zusätzlichen Produktionskosten orientieren. Grüne Leitmärkte seien zudem offen für neue Technologien. Weil die Stahlmärkte global seien, sei es zugleich aber wichtig, die Bedingungen für grünen Stahl international festzuzurren, also nicht nur innerhalb der EU, sondern auch mit wichtigen Handelspartnern wie den USA. Das, so die Wissenschaftler, sei eine der Hauptherausforderungen, damit grüne Leitmärkte auch funktionieren.

Bilateral ist schneller

Dagegen sind bilaterale Klimaschutzverträge schneller umzusetzen. So vereinbaren zum Beispiel Stahlhersteller mit dem Staat, dass letzterer die für den grünen Stahl notwendigen Zusatzkosten übernimmt. Das Problem: jene Kosten sind nur schwer genau zu beziffern. „Die Unternehmen werden dazu neigen, die Kosten zu übertreiben“, sagte Beiratsvorsitzender Klaus Schmidt. Sie geben zwar wegen ihrer Langfristigkeit von beispielsweise 15 Jahren den Unternehmen Planungssicherheit, bremsen aber zugleich mögliche Innovationen aus. Zudem bestehe dieGefahr, dass bei steigenden Produktionskosten die Unternehmen nachverhandeln wollen.

Erste Ausschreibungen für grünen Stahl

Der Beirat empfiehlt deshalb, KSV nur für Pilotvorhaben und bei kurzen Laufzeiten einzusetzen. Außerdem müsse es Ausschreibungen geben, um mittels Wettbewerb für den Staat die besten Preise zu ermitteln. Das BMWK hatte im Dezember erste Ausschreibungen für KSV angekündigt.
Später sollten laut Meinung der Wissenschaftler grüne Leitmärkte übernehmen. Diese sollte es übrigens nur für wenige große Sektoren der Grundstoffindustrie geben, die für hohe Emissionen verantwortlich sind. Das könnten neben Stahl – verantwortlich für 30 Prozent der deutschen Industrieemissionen – Chemie und Zement sein.

Der CO2-Preis alleine sei übrigens nicht ausreichend, um die Klimaschutzziele zu erreichen. „Dafür bräuchte man Preise von 200 Euro je Tonne“, so Schmidt. „Das könnte wiederum starken gesellschaftlichen Widerspruch auslösen, wie wir das bei den Gelbwestenprotesten in Frankreich gesehen haben.“

19.2.2023 | Autor: Oliver Ristau
© Solarthemen Media GmbH

Beliebte Artikel

Schließen