Habecks Initiative für Wind- und Solarindustrie in Deutschland

In einer Solarfabrik produzieren Roboter in einer Fertigungsstraße der Solarindustrie Photovoltaik-Module.Foto: SweetBunFactory / stock.adobe.com
Auch in Deutschland soll die Solarindustrie künftig wieder Kapazitäten auf allen Wertschöpfungsstufen aufbauen.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) will zusammen mit Vertreter:innen der Energiewende-Industrie drei prioritäre Maßnahmen angehen, um vor allem Wind- und Solarfabriken wieder auf- und auszubauen. Minister Robert Habeck spricht sich für Investitions- und Betriebskostenförderung, Garantien und Bürgschaften sowie Innovationsförderung aus. Allerdings muss er dies noch innerhalb der Bundesregierung und mit der EU-Kommission abstimmen.

Das BMWK hat ein Eckpunktepapier vorgelegt, um vor allem den Auf- und Ausbau der Wind- und Solarindustrie, aber auch der Stromnetze in Deutschland voranzutreiben. Dem ist ein am 11. April 2022 begonnener Dialog mit Industrievertreter:innen, der Stromwirtschaft und Forschungsinstitutionen vorausgegangen. Acht Diskussionsrunden haben stattgefunden. Die Deutsche Energieagentur (dena) hat die Ergebnisse in einem Abschlussbericht vom 30. Dezember 2022 im Auftrag der Bundesregierung zusammengefasst. Habeck lobt diese Vorarbeit als „hervorragend“.

Habeck-Ministerium mit Solarindustrie im Gespräch über neue PV-Fabriken

Am 21. Februar 2023 trafen sich die Interessenvertreter:innen erneut, um über den Abschlussbericht und das Eckpunktepapier des BMWK zu sprechen. Dabei geht es letztlich darum, die heimische Industrie und die Stromwirtschaft fit für die Energiewende und den internationalen Konkurrenzkampf zu machen. Dafür beschreibt das Eckpunktepapier einen Kanon von Maßnahmen, übernimmt aber nicht alle Vorschläge aus dem Abschlussbericht der dena. Jörg Ebel, einer der drei Präsidenten des Bundesverbands Solarwirtschaft, sagte nach dem Treffen, er sei nun „noch zuversichtlicher“. Dabei sieht er die Stärkung des Heimatmarktes, die Stützung des Absatzes und die Kapitalbeschaffung für die Industrie als wesentliche Bestandteile der Gesamtstrategie.

Für Habeck ist die nun in Ansätzen vorgestellte Strategie wichtig, weil er mehr hiesige Kapazitäten im Bereich der Transformationstechnologien aufbauen möchte. Dazu zählt er unter anderem die Photovoltaik, Windkraft, Elektrolyseure, Kabel und Wärmepumpen. Der Industrieaufbau sei entscheidend, denn Deutschland sei gezwungen, „beim Klimaschutz schneller zu werden“. Dafür müssten die entsprechenden Technologien in Deutschland und Europa verfügbar sein. Zudem brauche die Industrie Unterstützung, um in der internationalen Konkurrenz bestehen zu können.

Wertschöpfungsketten für Transformationsindustrie aufbauen

Im Eckpunktepapier heißt es dazu: „Neben einer Diversifizierung der Wertschöpfungsketten ist im Streben nach strategischer, technologischer und energiepolitischer Souveränität der Aufbau von Produktionsstätten in Deutschland und in der EU im Bereich der Transformationstechnologien sehr relevant.“ So gelte es, bis zum Jahr 2030 in kurzer Zeit neue Windkraftanlagen mit 57 Gigawatt (GW) Leistung aufzubauen. „Im Bereich der Photovoltaik ist bis 2030 ein Zubau von 150 GW notwendig, bei Windkraft auf See sind es 22 GW.“

Habeck-Strategie bislang nur Absichtserklärung

Noch sind die im Eckpunktepapier skizzierten Maßnahmen aber nicht mehr als Absichtserklärungen. So weist Habeck darauf hin, dass Deutschland hier abhängig sei von den künftigen Beihilfeleitlinien der Europäischen Union, die bestimmte Subventionen im Zuge des Green Deal erleichtern sollen. Das Eckpunktepapier sieht dabei gerade in dem von der Kommission vorgeschlagenen „Net-Zero Industry Act“ einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung. So habe Brüssel auch angedeutet, den Mitgliedsstaaten mehr Flexibilität bei der Gewährung von Beihilfen zuzugestehen. „Es ist das ausdrückliche Ziel des BMWK, die verbesserten Rahmenbedingungen für Transformationstechnologien umgehend und umfassend zu nutzen“, so das Eckpunktepapier.

Noch kein Geld im Haushalt für Solarindustrie

Dies erfordert aber auch Einigkeit innerhalb der Bundesregierung. Wo das Geld für die Förderprogramme herkommen soll, ist noch nicht klar. Habeck räumt ein, die Ankündigungen des Eckpunktepapiers seien noch nicht in Haushaltspolitik übersetzt. Aus seiner Sicht müsse es aber möglich sein, Bürgschaftsprogramme, wie sie auch bei Auslandsinvestitionen häufig zum Einsatz kommen, im Inland anzubieten. Sie sollen es Unternehmen erlauben, zum Beispiel Windkraftanlagen zu produzieren, während die Genehmigungsverfahren für bestimmte Standorte noch laufen. Nur, wenn ein Projekt dann nicht realisiert werden könne, griffe die Bürgschaft, sagt Habeck.

Beschleunigung von Genehmigungsverfahren

Dies ist nur ein Teil des geplanten Maßnahmenpaketes. So trifft ein anderer Punkt die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. Beispielsweise kann sich Habeck vorstellen, das Ziel, zwei Prozent der Landfläche für Windkraftprojekte einzuräumen, vorzuziehen. Laut dem im Sommer 2022 beschlossenen Windenergie-an-Land-Gesetz soll dieses Ziel bislang in einem zweistufigen Verfahren bis 2032 erreicht sein. Und manche Länder, betont der Minister, wollten sowieso schneller sein. Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes Windenergie (BWE), unterstreicht, es sei „ganz wichtig“, die Flächenausweisung vorzuziehen. „Davon hängt die Produktion in Deutschland ab.“ Er spricht sich dafür aus, das 2-Prozent-Ziel in einem einstufigen Verfahren möglichst bis 2025 zu erreichen. Habeck weist außerdem darauf hin, dass Flächen für Wind- und Solarenergie für die Transformationsstrategie in Deutschland und den Aufbau von Fabriken der Wind- und Solarindustrie im Gigawattmaßstab die erste Voraussetzung seien.

Das BMWK und die Branche wollen möglichst für die gesamten Wertschöpfungsketten der Wind- und Solarindustrie in Europa und speziell in Deutschland konkurrenzfähige Rahmenbedingungen schaffen. Neben Programmen, die für Fach- und Arbeitskräfte sorgen sollen, sieht die Runde einen Baustein dafür offenbar auch in günstigem Industriestrom.

Industriestrom soll mit Photovoltaik billiger werden

So hat die Solarbranche die Idee eines PPA-Industriekonsortiums entwickelt. Große Photovoltaikkraftwerke, in denen möglichst europäische PV-Module zum Einsatz kommen sollen, könnten im Rahmen von Power-Purchase-Agreements (PPA bzw. Stromlieferverträgen) billigen Strom an die Industrie liefern. Das BMWK begrüßt diese Bestrebungen laut eigener Aussage. Aber, so das Eckpunktepapier: „Bei der Gestaltung von Fondslösungen und Pools beteiligter industrieller Kunden müssen zwingend kartellrechtliche Grenzen geprüft und eingehalten werden. Wesentlich ist auch hier die Betrachtung der europäischen Komponente, um die entsprechende Skalierung und Wettbewerbsfähigkeit der Preise für kritische Inputvariablen (Kapital, Fachkräfte, Rohstoffe, Energie) sicherzustellen.“

Wiederansiedlung von Solarindustrie in Deutschland

Die „Wiederansiedlung der PV-Industrie in Deutschland“ verortet das BMWK derzeit in der Innovationsförderung. Dazu will es ab März eine Studie erstellen, die wohl die Realisierungschancen prüfen soll. Im Ergebnis könnte dies auf neue oder erweiterte Solarfabriken hinauslaufen. Außerdem will das Ministerium die Beteiligung an einem gemeinsamen europäischen Projekt, dem „IPCEI-PV“ prüfen. Eine Reihe von europäischen Ländern will darin den Aufbau von Gigawatt-Solarfabriken in Europa vorantreiben. „Wir hoffen hier auf einen Push auch von andern EU-Staaten, wie Spanien, die das Projekt initiiert haben“, sagt Habeck. Er stellt aber auf Nachfrage auch klar, dass eine Förderung von Projekten mit deutschen Mitteln auf die Ansiedlung von Solarfabriken in Deutschland ziele. Wobei natürlich sicherzustellen sei, dass Ausschreibungen auf europäischer Ebene erfolgen müssten.

Darüber hinaus stellt das BMWK in Aussicht, produzierende Unternehmen eventuell auch mit Betriebskostenzuschüssen – analog zu Tax Credits wie in den USA – zu unterstützen. Prüfen will es außerdem das Instrument von Superabschreibungen und Investitionsprämien. Das Eckpunktepapier erklärt: „Entsprechend den branchenspezifischen Bedarfen und den EU-beihilferechtlichen Vorgaben soll ein Konzept für einen Transformationsfonds erarbeitet werden. Damit nehmen wir die Empfehlung des Stakeholderprozesses nach der Einführung eines Hybridkapital-Beteiligungsprogramms auf.“ Dieses zielt darauf, den kleinen und mittelständischen Unternehmen zu ausreichend Kapital für den Aufbau von größeren Produktionskapazitäten zu verhelfen.

Der Abschlussbericht der dena führt aus: „Eine reine Zuschussförderung durch den Staat kommt angesichts der Höhe des benötigten Kapitals nicht infrage.“ Doch: „Durch die öffentliche Hand im Rahmen eines Programms zur Verfügung gestelltes mezzanines Kapital bzw. hybrides Eigenkapital kann hier die Lösung sein. Es erlaubt Unternehmen, ihre Investitionen mit verhältnismäßig wenig staatlichem Kapital finanzieren zu können, da die Fremdkapital-Hebelwirkung analog zu der bei Eigenkapital besteht.“ Für die konkrete Umsetzung seien verschiedene Finanzierungsformen denkbar, zum Beispiel typische und atypische Stille Einlagen, Nachrangdarlehen oder Genussscheine.

22.2.2023 | Autor: Andreas Witt
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