Habecks Photovoltaik-Strategie

Ausschnitt des Titelbildes der Photovoltaik-Strategie des BMWK
Den Entwurf der Photovoltaik-Strategie 2023 gibt es kostenlos als Download auf der Website des BMWK.
In zwei Gesetzespaketen, den Solarpaketen I und II, will Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck eine in der vergangenen Woche vorgestellte Photovoltaik-Strategie realisieren. Bis zum 23. März sind Stellungnahmen erwünscht.

Bislang sind die knapp 40 Seiten mit dem Titel „Photovoltaik-Strategie“ als Entwurf gekennzeichnet. Habeck hat das Papier am vergangenen Freitag auf dem sogenannten Photovoltaik-Gipfel den Branchen-Vertre­ter:innen vorgestellt und anschließend auf einer Pressekonferenz öffentlich gemacht.

Nach eigenem Bekunden will Habeck damit jetzt die „Mühen der Ebene“ angehen. Einen ersten Schritt habe man mit den Gesetzesänderungen des vergangenen Jahres gemacht. Aber, so der Minister mit Bezug auf die jüngste EEG-Novelle: „Das Osterpaket kann noch nicht das Ende der Fahnenstange sein.“

Von Freiflächenanlagen über Mieterstrom und Balkonkraftwerke bis zu beschleunigten Netzanschlüssen, sicheren Lieferketten und Fachkräftesicherung erklärt der Entwurf der Solarstrategie teilweise recht konkret, welche Änderungen das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in zwei Gesetzespaketen, dem „Solarpaket I“ und dem „Solarpaket II“, plant.

Umfangreiche Maßnahmenkataloge

Die Photovoltaik-Strategie formuliert dies in elf Handlungsfeldern. Die dazu jeweils beschriebenen Maßnahmenkataloge haben es durchaus in sich und nehmen an vielen Stellen Anregungen und Forderungen aus der Solarbranche auf. So zeigt sich denn auch der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW), Carsten Körnig, sehr angetan von dem Papier des Ministeriums: „Was ich heute hier gesehen habe, stimmt mich sehr zuversichtlich.”

Bis zum 23. März will das BMWK nun noch Verbesserungsvorschläge zu dem Entwurf sammeln, die in die Solarstrategie und anschließend in die Gesetzespakete einfließen sollen. Alle, die es interessiert, sind aufgerufen, sich an der öffentlichen Konsultation zu beteiligen und Stellungnahmen unter PV-Strategie@bmwk.bund.de an das Ministerium zu senden.

22 Gigawatt PV pro Jahr

Die elf Maßnahmenbündel des BMWK sollen die Rahmenbedingungen für die Solarstromgewinnung so verbessern, dass Deutschland bis 2035 mehr als 30 Prozent seines Stroms aus der Photovoltaik gewinnen kann. Ab 2026 sollen dazu jährlich mindestens 22 Gigawatt (GW) neu gebaut werden, und zwar zu jeweils gleichen Teilen auf Freiflächen und auf Gebäuden.

Als Nummer eins seiner elf Handlungsfelder adressiert das BMWK die Freiflächenanlagen. Hier geht es zum einen um ein vereinfachtes Bebauungsplanverfahren für PV-Parks. Auch haben Habecks Leute eine weitere Ausweitung der Privilegierungstatbestände im Visier, etwa für Agri-PV-Anlagen oder kleine hofnahe Anlagen.

Daneben will das BMWK die Baunutzungsverordnung ändern. Sie soll künftig klarstellen, dass PV-Anlagen als Hauptanlagen in Gewerbegebieten zulässig sind. Des Weiteren soll die zulässige Grundfläche in Gewerbegebieten, die dort heute zumeist auf 80 Prozent des Grundstücks begrenzt ist, durch Freiflächen-PV-Anlagen überschritten werden dürfen.

Flächenkulisse ausweiten

Ferner möchte das BMWK die Bedingungen für kleinere Anlagen in den sogenannten „benachteiligten Gebieten“ angleichen. Bislang können dort nur solche Anlagen gebaut werden, die ihre Förderberechtigung in einer EEG-Ausschreibung gewonnen haben. Anlagen bis 1 MW, bzw. Bürgerenergieprojekte bis 6 MW, die nicht an Ausschreibungen teilnehmen und stattdessen eine gesetzliche Marktprämie erhalten, möchte das BMWK dort künftig ebenfalls ermöglichen.

In den „benachteiligten Gebieten“, die bislang nur von neun der 16 Bundesländer per „Opt-in“-Option für PV-Parks geöffnet worden sind, würde das Ministerium künftig gern den Spieß umdrehen, indem es die Gesetzesgrundlage auf „Opt-out“ umstellt. Dann müssten sich die Bundesländer ausdrücklich gegen eine Öffnung dieser Gebiete stellen, wenn sie PV-Nutzungen dort ausschließen wollten. In die kommunale Planungshoheit werde dadurch nicht eingegriffen, betont das BMWK-Papier, da die Flächen weiterhin der kommunalen Bauleitplanung unterlägen.

Wenig Konkretes zu Photovoltaik und Naturschutz

Apropos Kommunen: An ihnen soll es künftig liegen, die Vereinbarkeit des PV-Freiflächenausbaus mit dem Naturschutz zu steuern. Das BMWK-Papier beschreibt zwar wolkig die Vision von „Biodiversitäts-Solarparks, die neue Lebensräume für die Tier- und Pflanzenwelt schaffen“. Im Konkreten findet sich allerdings nur ein kleiner Hinweis auf die bereits heute gegebene Möglichkeit für Kommunen, im Rahmen ihrer finanziellen Beteiligung an den Erlösen von Freiflächenanlagen naturschutzfachliche Vorgaben zu machen. Und auch im Kapitel „Akzeptanz stärken“ findet sich kein weiterer Hinweis in dieser Richtung. Weder werden in der PV-Strategie Alternativen zur Verbarrika­dierung immer größerer Solar-Freiflächen durch martialische Zaunanlagen erwähnt, noch wird die Option eines akzeptanzfördernden obligatorischen Ökokonzeptes in den Raum gestellt.

An anderer Stelle in der Photovoltaik-Strategie kommt das BMWK dafür genauer auf den Punkt. So will es durch eine Reihe von Maßnahmen Dachanlagen einschließlich des „Mieterstroms“ vereinfachen. Lockern will das Ministerium unter anderem die Grenze der Direktvermarktungspflicht, die heute bei 100 kW liegt. Sie führe dazu, dass es Gewerbebetrieben mit hohem Eigenverbrauch oft schwerfalle, für den Überschussstrom einen Direktvermarkter zu finden. Auch gewisse Auswüchse durch die Anlagenzusammenfassung bei Dachanlagen möchte das Ministerium offenbar bereits im Solarpaket I ändern. Beispielsweise möchte es vermeiden, dass weiterhin Anlagenbetreiber:innen in bestimmten Konstellationen benachteiligt werden, nur weil sie ihre Anlage etwas später in Betrieb nehmen als ein Nachbar.

Nachträgliche „Solarstadl“ als Teil der Photovoltaik-Strategie

Sehr konkret holt das BMWK auch das Thema „Solarstadl“ aus der Versenkung. Insider:innen werden sich erinnern, dass seit dem Stichtag 1. April 2012 neue PV-Anlagen auf Nichtwohngebäuden im Außenbereich keine EEG-Vergütung für Dachanlagen mehr bekommen haben, sondern nur noch die niedrigeren Sätze wie Freiflächenanlagen. Der Gesetzgeber wollte damit verhindern, dass schlaue Bauern landwirtschaftlich privilegierte Gebäude vorrangig wegen der PV-Einnahmen errichten. Der Stichtag könnte nun nach BMWK-Plan vom April 2012 auf den 1.1.2023 verschoben werden. Die Hoffnung: Gebäude, die in den vergangenen zehn Jahren neu entstanden sind, könnten auf diese Weise mit PV-Anlagen nachgerüstet werden, ohne dass künftig wieder ein Wildwuchs der „Solarstadl“ droht.

Mieterstrom neu denken

Spannend sind auch die BMWK-Vorschläge zur Vereinfachung des Mieterstroms. Habeck schwebt hier offenbar ein Paradigmenwechsel vor. Ein Vermieter solle nicht wie ein Stromproduzent mit einem großen Kraftwerk bewertet werden, wenn er Solarstrom vom Dach an seine Mieter abgebe, sondern dies solle wie Eigennutzung bewertet werden, erklärt er.

Konkret beschreibt die Photovoltaik-Strategie dazu drei mögliche Modelle, die offenbar durchaus nebeneinander denkbar sind: Fall eins ist die „Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung“. Hier könnte der Strom im Haus nach festgelegten Verteilungsschlüsseln den Bewohnern zugerechnet und von ihrem Stromverbrauch abgezogen werden. Der Betreiber hingegen soll zumindest eine Vergütung wie für eine Volleinspeiseanlage erhalten.

Als zweiten Fall beschreibt das BMWK die Weiterentwicklung des bisherigen Mieterstrommodells, das künftig entbürokratisiert und dann auch auf reinen Gewerbegebäuden ermöglicht werden soll.
Und Fall Nummer drei nennt das BMWK die „finanzielle Mieterbeteiligung“. Dieses Modell soll sich an den Gemeindebeteiligungen an Wind- und Solarparks orientieren. Da es sich um eine rein finanzielle Beteiligung der Bewohner:innen handeln würde, bedarf es keiner speziellen Messkonzepte. Der Mehraufwand durch die Auszahlungen an die Bewohner würde dem Anlagenbetreiber über das EEG-Konto erstattet.

Balkonkraftwerke entfesseln

Was Bewohner nicht daran hindern soll, eigene Balkonkraftwerke zu betreiben. Auch dafür plant das BMWK einiges an Erleichterungen. Zum einen macht es sich für eine normative Anerkennung des Schuko-Steckers und einer erweiterten Anlagengröße bis 800 Watt bei den Normungsstellen stark. Des Weiteren sollen Mieter und Besitzer von Eigentumswohnungen einen Rechtsanspruch auf die Zustimmung ihrer Vermieter beziehungsweise Miteigentümer bekommen.

Und schließlich will das Ministerium die Meldepflichten für Plug-in-Anlagen vereinfachen oder streichen. Auch rückwärts drehende Zähler sollen bei Stecker-Solargeräten vorrübergehend geduldet werden, solange der Messstellenbetreiber keinen Austausch vornimmt. Ähnlich sieht es die Photovoltaik-Strategie für kleine Dachanlagen vor: Ziel sind vereinfachte Anmeldungen und kürzere Fristen für den Zählertausch.

Den Entwurf der Photovoltaikstrategie 2023 ethält etliche weitere Vorschläge und Pläne. Das PDF gibt es kostenlos zum Download beim BMWK.

16.3.2023 | Autor: Guido Bröer
© Solarthemen Media GmbH

Schließen