Per Gesetz für Entbürokratisierung
Koordiniert hat das Projekt zur Entbürokratisierung Benjamin Strasser, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesjustizministerium. Er erklärt: „Die Verbändeabfrage war ein voller Erfolg. Vor Ort gibt es viele Ideen, wie wir unseren Staat handlungsfähiger und bürgerfreundlicher machen können.“
Das Justizmininsterium hatte eine Reihe von Verbänden, darunter auch den Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE), eingeladen, sich mit Vorschlägen zu beteiligen. Zudem hatten einzelne Verbände aus anderen Bereichen auch unaufgefordert Ideen für die Entbürokratisierung geschickt. So sind von 57 Verbänden insgesamt 442 Vorschläge zusammengekommen. Darunter findet sich keiner, den ein Erneuerbare-Energien-Verband ins Rennen schickte. Allerdings laufen bereits parallel gerade im Energieesektor Gesetzesvorhaben unter Beteiligung der EE-Verbände, die ebenfalls auf einen Bürokratieabbau gerichtet sind.
Energiewende durch Entbürokratisierung beschleunigen
Michael Kellner, parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, sagt: „Für uns ist klar: Eine schnellere Energiewende geht nur mit weniger Bürokratie und einfacheren, verbraucher- und unternehmensfreundlichen Regeln.“ Und er nennt dies das „Regelwerk für erneuerbare Energien“. Dieses sei bereits in den letzten Monaten gründlich überprüft und dort wo möglich auch entrümpelt worden. Es gehe um weniger Meldepflichten und kürzere Fristen unter anderem bei der Genehmigung von Solar- und Windanlagen, um einfachere Netzanschlüsse für Wärmepumpen und Balkonkraftwerke. Aber das sei nur der Anfang. Insofern seien weitere konkrete und praktische Vorschläge zur Entbürokratisierung mehr als willkommen, so Kellner.
Bewertung der Vorschläge durch das Statistische Bundesamt
Das Statistische Bundesamt hat die 442 Vorschläge zur Entbürokratisierung kategorisiert und bewertet. Zunächst hat es sie in fünf Kategorien eingeteilt. Dabei fallen unter Kategorie 1 die Ideen, die aus Sicht des Bundesamtes drei Kriterien erfüllen:
- Ein klarer Bezug zu einer bestehenden Regelung bzw. einer Rechtsnorm ist erkennbar.
- Die Bundesregierung scheint für die Umsetzung zuständig zu sein.
- Es ist ein konkreter Lösungsansatz durch Rechtssetzung erkennbar.
Sind sie erfüllt, so ist er Vorschlag potenziell geeignet, um in das Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) aufgenommen zu werden. Dies wäre für einige der Ideen eine gute Möglichkeit, um sie relativ schnell realisieren zu können. Wird von den drei Kriterien abgewichen, erfolgt eine Einordnung in eine geringere Kategorie.
In einem zweiten Schritt hat das Bundesamt Vorschläge der Kategorien 1 bis 3 anhand von quantitativen und qualitativen Kriterien mit Punkten versehen. Umso mehr Punkte, desto weiter oben rangiert ein Vorschlag in der jetzt vorgelegten Liste mit Maßnahmen gegen Bürokratismus. Und entsprechend hoch setzt die Bundesregierung nun offenbar die Priorität. So ist es ein Kriterium, wie oft ein Vorschlag von unterschiedlichen Verbänden gemacht worden ist – ein Beitrag des BEE hätte also die Priorität nach oben bringen können. Weitere Kriterien sind Reichweite, Erfüllungsaufwand, Entlastungspotenzial, Beschleunigungspotenzial, Nachvollziehbarkeit der bürokratischen Vorgabe, Komplexität der Materie sowie das Potenzial für höhere Zufriedenheit mit behördlichen Dienstleistungen.
Entbürokratisierung in vielen Handlungsbereichen
Die Vorschläge zur Entbürokratisierung betreffen sehr viele politische Handlungsbereiche. Ganz oben in der Prioritätenliste ist ein Vorschlag, der das relativ neue Lieferkettengesetz betrifft. Ebenso schätzt das Bundesamt Entlastungen bei steuerrechtlichen Regelungen als hoch ein, wie etwa die Anhebung von steuerlichen Buchführungsgrenzen. Und auch bei der Vereinfachung von Vergabeverfahren gibt es offenbar eine hohe Gewichtung.
Wasserhaushaltsrecht vereinfachen
Auf Platz 18 haben es Genehmigungsverfahren im Wasserhaushaltsrecht auf Vorschlag des Bundesverbands der Deutschen Industrie sowie des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) geschafft. Sie wollen, dass es hier leichter wird, die Gewässernutzung zu erweitern und zum Beispiel eine Elektrolyseanlage als weiteren Wassernutzer hinzuzunehmen. Derzeit erfordere jede kleine Änderung aus Sicht der Behörden ein vollständiges neues Erlaubnisverfahren. Hier sei eine Entbürokratisierung erforderlich.
Ein weiterer Vorschlag, der auch Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien betreffen kann, findet sich auf Rang 29 von 132. Dieser richtet sich auf die „Beschleunigung der formellen Prüfung auf Vollständigung der Unterlagen im Genehmigungsverfahren BImSch“. Man sieht, auch Ideen zur Entbürokratisierung bedienen sich der Behördensprache.
Erbschaft von Höfen mit PV-Freiflächenanlagen problematisch
Eine Forderung des BDEW richtet sich auf eine andere erbschaftssteuerliche Betrachtung von PV-Freiflächenanlagen bei Hofübergabe (Rang 44). Die Anlagen werden nach Aussage des BDEW bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer anders behandelt als land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen. Das führe zu unangemessen hohen finanziellen Belastungen der Landwirte beim Betriebsübergang. Die Steuern könnten sogar höher als die kumulierten Pachtzahlungen von 20 bis 30 Jahren ausfallen. Dies betreffe insbesondere auch Verpächter von bestehenden PV-Freiflächenanlagen, „die sich jetzt bei einem Betriebsübergang einer z.T. betriebsgefährdend hohen Forderung gegenübersehen“, so der BDEW.
Weniger Hürden beim Betrieb von Biogasanlagen
Der Deutsche Bauernverband schlägt für den Betrieb von Biogasanlagen Erleichterungen vor. „Um den Zusammenschluss von bestehenden Biogasanlagen und deren Umrüstung auf die Gaseinspeisung oder LNG-Produktion voranzubringen, sollten solche clusternden zentralen Aufbereitung-, Einspeise- und Verflüssigungsanlagen im Außenbereich privilegiert werden.“ Denn der wirtschaftliche Betrieb von Gasaufbereitungs- und Gasverflüssigungsanlagen erfordert nach Aussage des Verbandes einen gewissen Mindestdurchsatz an Biogas. Dafür wäre die Bündelung mehrere kleiner Biogasanlagen sinnvoll. Das aber sei bislang im Außenbereich nicht privilegiert.
Ein weiter Vorschlag des Bauernverbandes zur Entbürokratisierung, der aber nicht der Kategorie 1, sondern 2 entspricht, richtet sich auf den Wechsel des Substratmixes. Derzeit bedinge der Wechsel von einer reinen Vergärung nachwachsender Rohstoffe (NawaRo) hin zu einem Mix aus NawaRo und Gülle einen Wechsel der Ordnungsnummer im Anhang 1 der 4. BImSchV. Und wegen dieses Wechsels sei die Anlage komplett neu zu genehmigen. Der Verband möchte erreichen, dass eine Änderungsgenehmigung ausreicht.
Weiterleitung von PV-Strom vereinfachen
Auf Rang 84 in Kategorie 1 ist ein Vorschlag des Mittelstandsverbands ZGV zu finden. Dächer würden oft allein deshalb nicht mit Photovoltaikanlagen belegt, „weil die Weiterleitung des so erzeugten Stroms z.B. an einen Nachbarbetrieb übermäßig komplex ist“. Der Verband schlägt vor, eine Bagatellgrenze einzuführen, „um als Unternehmen nicht sofort mit den Meldepflichten eines Stromlieferanten belegt zu werden.“
Vorschläge in der Kategorie 2
In der Kategorie 2 finden sich weitere Ideen zur Entbürokratisierung. In dieser ist aus Sicht des Statistischen Bundesamtes eine Prüfung erforderlich, ob mit entsprechender gesetzlicher Regelung oder mit einer untergesetzlichen Maßnahme die Rahmenbedingungen für Verfahrensverbesserungen geschaffen werden können. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) sieht Hürden im Genehmigungsrecht, die Investitionen in Elektrolyseure und Produktions- oder Feuerungsanlagen behindern, die Wasserstoff einsetzen. Aufgrund fehlender Verwaltungsvorschriften bestünden Rechtsunsicherheiten insbesondere im Störfallrecht. Dies verzögere die Genehmigungsverfahren.
Repowering von Windkraftanlagen noch zu bürokratisch
Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) will ein „vereinfachtes Leistungsupgrade“ von bestehenden Windenergieanlage erreichen. Im EEG 2021 habe der Gesetzgeber dafür bereits die wesentlichen Voraussetzungen geschaffen. Leider zeige sich in der Praxis, dass es derzeit weitere Hindernisse gibt, die Leistungsupgrades bei Bestandsanlagen und das damit verbundene Potenzial verhindern. Es sei dringend zu klären, wie bei solchen Leistungsupgrades neben den bestehenden Genehmigungen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) vor allem bei den Technischen Anschlussregeln (TAR) des Forum Netztechnik/Netzbetrieb im VDE (FNN) und bei den darin geforderten Zertifizierungen für Erzeugungsanlagen zu verfahren ist.
Förderung und PV-Verwaltung schlanker gestalten
Der Bundesverband für Gebäudeenergieberater Ingenieure Handwerker (GIH) schlägt
gleiche Anforderungen bei der Bundesförderung für effizienten Gebäude und der steuerlichen Förderung nach Paragraf 35c des Einkommensteuergesetzes vor. Außerdem fordert er ein einfacheres Antragsverfahren bei den Förderprogrammen des Bundes und nennt dafür eine Reihe von Beispielen.
Vorschläge zur Entbürokratisierung in der Kategorie 3
In die Kategorie 3 hat das Statistische Bundesamt einen Vorschlag des BDEW zur Entbürokratisierung von Dach-Photovoltaikanlagen eingeordnet. Es seien bürokratische Hemmnisse wie umfassende Anmelde- und Informationspflichten erheblich abzusenken und die Errichtung von PV-Anlagen solle so einfach wie möglich sein. So sollten auch Hürden durch stromsteuerrechtliche Anforderungen zügig abgebaut werden. Zudem sollte eine „One-Stop“-Anmeldung beim Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur, „die sämtliche weitere Anmeldungen (Finanzamt etc.) ersetzt, eingerichtet werden“, erklärt der BDEW: „Dies wurde bereits im Zuge der EEG-Novelle 2020 avisiert, bislang aber nicht umgesetzt.“
Vorschläge in der Kategorie 3 haben im Rahmen dieses Projektes des Bundesjustizministeriums aber wohl nicht die Chance schnell realisiert zu werden. Nach Aussage des Ministeriums sollen sie lediglich weiterverfolgt werden. Dafür seien Praxis-Checks oder weitere Untersuchungen nötig, um Lösungsansätze und gegebenenfalls konkrete Maßnahmen zu entwickeln.
Vorschläge in der Kategorie 4
Kategorie 4 enthält Vorschläge, bei der das Statistische Bundesamt die Weitergabe der Vorschläge an andere Stellen vorsieht, die dies dann prüfen sollen. Auch in dieser Kategorie finden sich Ideen zur Entbürokratisierung im Bereich der erneuerbaren Energien. So weist der BDEW darauf hin, dass Freiflächen-PV-Anlagen vielfach ein baurechtliches Genehmigungsverfahren durchlaufen müssen. Dieses könnte vereinfacht werden. Denn die Freiflächen-PV-Anlagen seien baurechtlich wenig komplex und sollten daher in den Bauordnungen eigenständig typisiert werden. Dies sollte mit einer vereinfachten Prüfung oder auch Freistellungsmöglichkeiten verbunden werden.
Wie das Bundesjustizministerium erklärt, würden die Ideen zur Entbürokratisierung nun durch die jeweils zuständigen Ministerien geprüft. Der Ausschuss der Staatssekretäre soll anschließend das weitere koordinierte Vorgehen innerhalb der Bundesregierung vereinbaren.
16.4.2023 | Autor: Andreas Witt
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