Bernburg: Gute Erfahrungen mit Solarthermie in der Fernwärme
Flachkollektoren des inzwischen nicht mehr aktiven dänischen Herstellers Arcon-Sunmark mit 8603 m2 Bruttokollektorfläche und einer Nennleistung von 5,55 Megawatt bilden das Kollektorfeld. In einem für Ostdeutschland typischen Fernwärme-Netz mit 30 Kilometer Länge und 315 Anschlüssen in der 33.000-Einwohner-Stadt Bernburg an der Saale (Sachsen-Anhalt) stellt diese Solarthermie-Anlage im Sommer tagsüber oft die Gesamtleistung des Netzes.
Die Stadtwerke Bernburg betreiben die Anlage seit 2020 direkt neben ihrem Heizkraftwerk. Dort stand eine ehemalige Lagerfläche für Kohle zur Verfügung, die für das seit langem auf Erdgas umgestellte Heizwerk nicht mehr benötigt wurde. Sie lag deshalb seit langem ungenutzt, bevor jemand auf die Idee kam, hier eine Solarthermieanlage zu errichten. Die Fläche gehörte bereits den Stadtwerken, und eine Genehmigung für die Solarthermieanlage zu bekommen, war aufgrund der vorherigen Nutzung auch kein Problem.
Verfügbare Fläche bestimmt Größe der Solarthermieanlage
Somit war für die Planer der Anlage diese verfügbare Fläche maßgeblich für die Auslegung der Anlage. Der frühere dänische Solarhersteller Arcon-Sunmark, damals Weltmarktführer für große Solarthermieanlagen, brachte auf der vorgegebenen Aufstellfläche 632 Kollektoren mit 8603 Quadratmetern Bruttokollektorfläche unter. Die beiden Kollektorfelder erreichen damit eine solare Nennleistung von etwa 5,5 Megawatt.
Entsprechend groß muss auch der Plattenwärmetauscher dimensioniert sein. Nicht zuletzt dank ihrer Höhe von gut drei Metern können die Wärmetauscher-Platten gemeinsam eine Leistung von 5 MW ans Netz übergeben. Das geht allerdings deutlich über die Grundlast von 2 bis 3 MW hinaus, die das Fernwärmenetz in Bernburg bei niedrigem Bedarf im Sommer benötigt. Schon deshalb wurde ein Pufferspeicher mit 150 Kubikmetern Fassungsvermögen gebaut. „Größer ging es nicht“, sagt Heiko Zimmermann, Hauptabteilungsleiter Energieerzeugung und Fernwärme bei den Stadtwerken Bernburg. Will heißen: Bei einem Volumen von 150 Kubikmetern setzen die Transportmöglichkeiten die Grenze für einen vormontierten Tank. Hätten die Planer und Planerinnen mehr Speichervolumen gewollt, so hätte man zwei Speicher benötigt. Oder man hätte den Behälter vor Ort zusammenschweißen müssen, wie es bei größeren Fernwärmespeichern durchaus möglich und üblich ist.
Verschiebung der Solarernte in den Abend
Mit Hilfe des Solarspeichers können Mitarbeiter:innen der Leitwarte die solare Energieernte des Tages zeitlich so verschieben, dass sie für den Verbrauch am Abend zur Verfügung steht. Der Speicher hat aber auch eine stabilisierende Funktion für das Netz. Er puffert die Schwankungen des Solarangebots ab und sorgt dafür, dass der Wechsel von Sonnenschein und Wolken mit den daraus folgenden Lastschwankungen das Netz und die Flexibilität der anderen Erzeuger nicht überfordert. Insbesondere am Morgen, wenn die Solarthermieanlage bei noch schwacher Einstrahlung anfährt, übernimmt der Speicher eine weitere Funktion. Er hilft dann, einen unerwünschten, weil ineffizienten Taktbetrieb der BHKW zu vermeiden.
Solarthermie first im Fernwärme-Netz
Im Zusammenspiel der verschiedenen Erzeugungseinheiten spielt die Solarthermieanlage seit ihrer Inbetriebnahme vor fast drei Jahren nun gewissermaßen die erste Geige. Obwohl sie nur etwa fünf Prozent des Jahresenergiebedarfs des Netzes beiträgt, haben sich die anderen Aggregate des Fernwärmenetzes an ihr zu orientieren. Neben der Solarthermie gibt es fünf Blockheizkraftwerke mit jeweils 2 MW thermischer Leistung; eines davon ist ein Biomethan-BHKW. Ferner sind drei Spitzenlast-Kessel mit jeweils 7,5 MW Teil des Heizkraftwerks. Die Kessel könnten neben Gas zur Not auch mit Heizöl gefeuert werden. Der Öltank fasst allerdings nur 180 Kubikmeter, was im Winter gerade einmal für 2 Tage reichen würde, schätzt Zimmermann. Als Chef der Erzeugungssparte legt er Wert darauf, dass das Fernwärmenetz in Bernburg – gerade was Wetter und Strompreis betrifft – nicht von Algorithmen gesteuert wird, sondern von mitdenkenden Menschen
Solarthermieanlage hat den Jahresplan übererfüllt
2,28 Gigawattstunden (GWh) sollte die Solarthermieanlage laut Ertragsprognose des Herstellers pro Jahr bringen. Im ersten vollständigen Betriebsjahr 2021 hat die Anlage ihr Soll bereits leicht übertroffen und erreichte 2,35 GWh. Im Jahr 2022 wurden die Erwartungen noch weitaus stärker übertroffen: 3,55 GWh kamen im Gesamtjahr von der Sonne.
Der Rekordwert sei einerseits dem sehr sonnigen Sommer zuzuschreiben, erläutert Zimmermann. Zum anderen sei dies allerdings auch der Erfolg einer neuen Regelstrategie: Habe man die Anlage früher das ganze Jahr auf einem Temperatursollwert von 95 Grad arbeiten lassen, so lasse man sie inzwischen während der kühleren neun Monate, in denen auch die fossilen Erzeuger in Betrieb sind, nur noch maximal 90 Grad produzieren. Die Solarenergie wird dem Vorlauf der Fernwärme im zentralen Heizhaus beigemischt. Durch die Absenkung um 5 Grad arbeite die Solarthermie sehr viel effizienter. 95 Grad muss die Anlage nun nur noch in den Sommermonaten liefern, wenn sie über weite Strecken der einzige Erzeuger im Netz ist.
Zentrale Einspeisung der Solarthermie in den Fernwärme-Verteiler
Durch die Lage des Kollektorfeldes unmittelbar neben dem zentralen Heizwerk kann die Leitzentrale die Solarenergie über den Solarspeicher direkt in den zentralen Verteiler einspeisen, an den auch die weiteren vier jeweils 100 Kubikmeter großen Pufferspeicher für die KWK-Anlagen angeschlossen sind. Das eröffnet der Leitzentrale viele Möglichkeiten. Im Winter, wenn die Sonneneinstrahlung geringer ist, kann die Solarwärme auch in den Rücklauf der BHKW fließen. Damit können die Kollektoren auch in der dunkleren Jahreszeit noch effizient arbeiten und einen signifikanten Beitrag zur Wärmeversorgung leisten. Rücklaufeinspeisung ist eine der Betriebsweisen, welche die Anlage aber auch im Sommer jeden Morgen durchläuft, bevor ihre Energieerzeugung für den Hochtemperaturbetrieb ausreicht.
Goldrichtige Investitionsentscheidung
Bevor sie sich Gedanken über solche Feinjustierungen im System machen konnten, mussten die Expert:innen der Stadtwerke Bernburg zunächst für sich selbst einige grundlegende Fragen zur neuen Technologie klären, das gibt Heiko Zimmermann offen zu: „Es waren vor allem die technischen Aspekte, bei denen wir eine gewisse Unsicherheit spürten. Vor allem die Frage, ob die Anlage die erforderlichen Temperaturniveaus wirklich konstant liefern kann, hat uns beschäftigt.“ Nach zwei Jahren Betriebserfahrung hat er aber längst einen grünen Haken an das Thema gemacht: „Die Entscheidung für die Solarthermie war goldrichtig. Wir würden das jederzeit wieder genauso machen. Wir sehen hier eine Anlage, die seit zwei Jahren funktioniert, und deshalb ist auch die Stimmung gut.“
21.4.2023 | Autor: Guido Bröer
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Viele weitere Informationen zu solaren Wärmenetzen bietet die Internetseite www.solare-waermenetze.de
Eine kurze Einführung in das Thema Solarthermie in der Fernwärme ist hier auf dem Solarserver zu finden.