Habitatpotentialanalyse: Beschleunigung oder Bremse für die Windkraft?

Rotmilan vor Windrad. Windenergie, Vogelschutz, NaturschutzFoto: Manfred Stöber / stock.adobe.com
Rotmilan und Windrad: Können sie doch miteinander leben?
Die sogenannte Habitatpotenzialanalyse sollte eigentlich den Ausbau der Windenergie im Einklang mit dem Naturschutz erleichtern. Das nun vorgestellte Fachkonzept wird von Energieverbänden jedoch kritisiert.

Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) vorgelegte Fachkonzept für die Habitatpotenzialanalyse brauche „substanzielle Nachbesserungen“, schreibt der Bundesverband Windenergie (BWE). Das Kompetenzzentrum für Naturschutz und Energiewende (KNE) hält den Ansatz hingegen für gelungen. Das Ministerium hatte das Fachkonzept am 6. April vorgelegt und die Verbände um Stellungnahmen gebeten.

BWE: Habitatpotenzialanalyse droht, vom Beschleuniger zur Bremse zu werden

Die Kritik richtet sich dabei nicht gegen die Habitatpotenzialanalyse (HPA) an sich. „Die HPA sollte Arten- und Klimaschutz in Einklang bringen“, sagt Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands WindEnergie BWE. Dabei geht es darum, schnell einschätzen zu können, wie hoch das Konfliktpotenzial von Naturschutz und Windenergie an einem konkreten Standort ist, wie Solarserver berichtete. Formell soll das Vorgehen in einer Verordnung zum Bundesnaturschutzgesetz festgelegt werden.

Das sogenannte Fachkonzept des BMWK als Vorstufe zur Verordnung steht nun in der Kritik. Es sei ungeeignet, um Verfahren zu beschleunigen und zu vereinfachen, so der BWE. Die politisch gesetzten Ziele eines beschleunigten Ausbaus der Windenergie können so nicht erreicht werden.

„In dieser Form spielt sie (die Habitatpotenzialanalyse, d. Red.) in überkommener Weise den Klimaschutz gegen den Artenschutz aus und bekräftigt das falsche Narrativ eines Zielkonflikts zwischen Windenergie und Artenschutz. Die Energieverbände haben anlässlich der Anhörung am Donnerstag das Konzept geschlossen für unzureichend befunden“, sagt Albers vom BWE.

Das vorgelegte Fachkonzept des BMWK verabschiede sich von den Grundsätzen aus dem Entschließungsantrag der Parlamentsfraktionen von SPD, Grünen und FDP vom 05. Juli 2022. Es konterkariere die Absichten des im Sommer 2022 novellierten Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG). Anstatt endlich zu einer handhabbaren Praxisanwendung des BNatSchG beizutragen, nehme es den Gesetzestext teilweise zurück und verschärfe Regeln für einzelne Prüfbereiche. „Um die Ausbauziele zu erreichen, braucht es mindestens eine Vervierfachung der Genehmigungen für Windenergieprojekte. Das wird mit dem Fachkonzept nicht gelingen, denn es verfängt sich in kleinteiligen und komplexen Regelungen, statt schlanke und einfache Entscheidungsgrundlagen bereitzustellen“, so Albers. „Wir warnen davor, das Fachkonzept als Basis für die Ausarbeitung der Rechtsverordnung zur HPA zu nutzen.“

Zur vollständigen Stellungnahme des BWE geht es hier. Die Energieverbände haben zudem einen eigenen Vorschlag für die Ausgestaltung der Habitatpotenzialanalyse vorgelegt.

KNE: Fachkonzept ist ein praktikabler Ansatz

Auch das „Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende“ (KNE) hat zu dem Fachkonzept eine Stellungnahme formuliert, die deutlich positiver ausfällt als die des BWE. „Mit dem vorliegenden Entwurf ist es gelungen, einen Ansatz zu entwickeln, der eine grundsätzliche Anwendbarkeit für ein breites Artenspektrum ermöglicht“, findet KNE-Direktor Torsten Raynal-Ehrke. Er lobt die plausible Auswahl der zu betrachtenden Vogelarten und Flächen. Die Methodik sei mit Augenmaß und unter Berücksichtigung von Aufwand und Praktikabilität entwickelt worden.

Bei der HPA geht es letztlich um die Frage, ob das Tötungsrisiko für 15 besonders geschützte Vogelarten durch die jeweilige Windkraftanlage signifikant erhöht wird. Das Bundesnaturschutzgesetz geht davon aus, dass dies im Nahbereich rund um den Brutplatz grundsätzlich der Fall ist. Im angrenzenden „zentralen Prüfbereich“ gilt diese Vermutung ebenfalls, lässt sich aber laut KNE relativ einfach widerlegen. Alternativ können auch Schutzmaßnahmen für die Vögel ergriffen werden. In seiner Stellungnahme betont der Verband, dass Windkraft-Projektierer dazu oft von sich aus bereit seien, da es der Akzeptanz des Vorhabens diene.

Im sogenannten erweiterten Prüfbereich dreht sich die Ausgangsvermutung um: Hier müssen im Zweifel die Naturschutzorganisationen oder Behörden nachweisen, dass das Risiko für die Vögel steigt. Das ist laut KNE schwierig, da die Datenlage dafür oft nicht ausreiche. Zur vollständigen Stellungnahme des KNE geht es hier.

24.4.2023 | Quelle: BWE, KNE | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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