Kommunale Wärmeplanung: Tipps für den Start
Für Susanne Widmaier, die parteilose Bürgermeisterin von Rutesheim, war schnell klar, dass die Stadt mit rund 10.000 Einwohner:innen eine kommunale Wärmeplanung erstellen lässt – und das, obwohl die Kleinstadt durch die baden-württembergische Gesetzgebung anders als größere Kommunen dazu nicht verpflichtet ist.
Erster Anlass sei ein ehemaliges Betriebsgelände von Bosch, eine Konversionsfläche, gewesen. Die möchte Rutesheim zu einem neuen Wohngebiet entwickeln. Zudem liege direkt daneben ein Schulzentrum. Und auch für die älteren Wohngebiete sei eine Modernisierung der Wärmeversorgung ratsam, so Widmaier: „Es war schnell klar, dass sich das für ein Wärmenetz anbietet.” Und warum dann nicht gleich eine kommunale Wärmeplanung für die gesamte Stadt starten? Widmaier weiß, dass das Thema vielen Bürger:innen auf den Nägeln brennt.
Rutesheim erhält für die Wärmeplanung eine 80-prozentige Förderung vom Land. „Das ist schon was”, sagt Widmaier. Aber unfair finde sie es schon, dasss die größeren zur Wärmeplanung verpflichteten Städte sie vom Land komplett bezahlt bekämen.
Akteure mitnehmen
Im ersten Schritt sei es wichtig gewesen, die Akteure mitzunehmen. „Man muss sich genügend Zeit lassen”, rät Widmaier: „Man muss den Gemeinderäten viel erklären und viele Informationen geben.” Sehr hilfreich sei dabei die regionale Energieagentur des Kreises gewesen, weil sie kein Eigeninteresse verfolge, betont Widmaier. Dagegen ist sie mit dem beauftragten Ingenieurbüro nicht immer so zufrieden gewesen. Die hätten zu sehr nur auf Holz als Energieträger gesetzt und ihre Energielösungen gleich mitverkaufen wollen. „Das ist mir zu wenig innovativ”, betont die Bürgermeisterin. Auch an dieser Stelle sei die Energieagentur als Sparringspartner für eigene Ideen wichtig.
Dieser Artikel ist original in der Ausgabe 4/2023 der Zeitschrift Energiekommune erschienen. Energiekommune ist der Infodienst für die lokale Energiewende. Er erscheint monatlich. Bestellen Sie jetzt ein kostenloses Probeabonnement mit drei aktuellen Ausgaben!
Die vom Büro im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung erfolgte Grundlagenarbeit hält Widmaier aber für unverzichtbar. „Dadurch wissen wir ganz genau, wo welcher Wärmebedarf ist und in welcher Reihenfolge wir die Prioritäten setzen können.” Sicherlich sei einiges auch schon vorher bekannt gewesen, wie die bestehenden Biogasanlagen oder das Abwärmepotenzial des Krematoriums. Auch dass die Gemeinde das vom Borkenkäfer geschädigte Holz lieber zur Wärmeversorgung nutzen wolle, statt es zu entsorgen, sei keine Frage gewesen, erklärt Widmaier. Die kommunale Wärmeplanung habe aber zu einer neuen Qualität der Systematik geführt. So sei es auch leichter gefallen, parallel eigene Stadtwerke zu gründen und sich auf eine millionenschwere Investition zu verständigen. „Anfagns habe ich nicht gedacht, dass wir das mit Stadtwerken selbst machen”, erinnert sich Widmaier. Aber damit sei letztlich auch Geld zu verdienen, das so direkt wieder in die Gemeinde fießen kann.
Entwicklung im Griff haben
Mit der kommunalen Wärmeplanung habe Rutesheim die künftige Entwicklung besser im Griff, ist Widmaier überzeugt. Und dabei geht es ihr auch darum, den Wärmeausbau nicht allein durch die betriebswirtschaftliche Brille zu betrachten, sondern auch die nicht so optimal geeigneten Gebäude einzuschließen. „Sonst fällt ein Teil unserer Bürgerinnen und Bürger unter den Tisch.”
Biberach befinde sich in der ersten, etwa ein bis zwei Monate dauernden Phase der Wärmeplanung, berichtet Lisa Schröder, die kommunale Klimaschutzmanagerin. Es gehe nun zunächst um die Datenabfragen. Hilfreich sei dabei, dass das Land Baden-Württemberg die rechtlichen Grundlagen geschaffen hat, um die Daten auch gebäudescharf zu erheben. Wie Schröder einräumt, sei das Verfahren aber für alle Beteiligten noch neu. So müssten die sowieso gut ausgelasteten Schornsteinfeger noch daran arbeiten, die jeweiligen Gebäudedaten für die Weitergabe aufzubereiten. Dagegen stünden die Daten von der Gasversorgung recht schnell zur Verfügung.
Zentrale Veranstaltungen für Bürgerinnen und Bürger hat es in Biberach zur kommunalen Wärmeplanung bislang nicht gegeben. Dies sei geplant, sobald die Daten und erste Zwischenergebnisse vorliegen, so Schröder. Allerdings sei das Interesse in der Bevölkerung am Wärmethema bereits spürbar. Schon vor ein paar Jahren habe sich Biberach – noch ungeachtet der jetzt geforderten Wärmeplanung – entschlossen, das Nahwärmenetz in der Innenstadt auszubauen. Hier sei die Kommune rechtzeitig aktiv gewesen, wie sich jetzt zeige. Und dies werde von den Bürger:innen auch durchaus honoriert, erfährt die Klimaschutzmanagerin bei interessierten Anfragen. So kann sie auch erklären, dass das Netz perspektivisch noch weiter ausgebaut werden soll. Und dafür biete die kommunale Wärmeplanung nach ihrem Abschluss eine gute Grundlage.
Ulm arbeitet bereits seit etwa zwei Jahren an der kommunalen Wärmeplanung, Die Großstadt habe also schon damit begonnen, bevor sie zur gesetzlichen Pflicht geworden sei, erklärt Ulrich Willmann, Abteilungsleiter für Strategische Planung im Stadtplanungs- und Umweltamt von Ulm. Für die Ausschreibung der Leistung seien allerdings die von der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA BW) bereit gestellten Informationen und das Lastenheft sehr hilfreich gewesen. Willmann lobt auch, dass das Land die datenschutzrechtliche Grundlage geschaffen hat, um die Energieverbrauchsdaten für jedes einzelne Gebäude erhalten zu können.
Dennoch sei die Datenbeschaffung sehr aufwendig, sagt Fabian Briemle, der als Ulmer Klimaschutzmanager die kommunale Wärmeplanung eng begleitet. Die Stadt sei zunächst von einer einjährigen Bearbeitungszeit ausgegangen. Dass es nun länger gedauert hat, hänge auch mit der Verzögerung bei der Datenbeschaffung zusammen. So empfiehlt er anderen Kommunen, damit frühzeitig zu beginnen und zum Beispiel schon vor dem Start des externen Büros mit der kommunalen Wärmeplanung Kontakte zu den lokalen Schornsteinfeger:innen zu knüpfen und sie auf die neue Aufgabe vorzubereiten. Denn offenbar liegen die Daten zu den einzelnen Gebäuden nicht auf Knopfdruck bereit.
Personalstellen wichtig für kommunale Wärmeplanung
Die Städte und Gemeinden sollten sich auch schon vor dem Start der Planung darüber klar werden, dass sie das externe Büro aktiv begleiten. So habe Ulm zunächst unterschätzt, dass mit dem Büro und weiteren Akteuren sehr viele Termine und Workshops – auch verwaltungsintern – erforderlich sind. Briemle schätzt, dass ein Viertel bis zu einem Drittel einer Stelle im Klimaschutz oder der Stadtplanung zur Begleitung der kommunalen Wärmeplanung vorgesehen werden soll. Wobei die Arbeitsbelastung phasenweise nach Aussage von Briemle sehr unterschiedlich ist.
Willmann betont, dass die kommunale Wärmeplanung in einer Stadt als gut vernetztes und nicht losgelöstes Projekt verstanden werden sollte. So sei es sehr wichtig, dass die Stadtwerke als Fernwärmegesellschaft direkt immer mit am Tisch gewesen sind. Denn es sei auch klar, dass die eigentliche Arbeit erst nach der Erstellung des kommunalen Wärmeplans beginnt. Auch darüber sollten sich Städte und Gemeinden im Klaren sein. So könne Ulm schon auf reichlich Erfahrung zurückgreifen.
Die Fernwärme basiere schon jetzt zu 65 Prozent auf erneuerbaren Energiequellen. „Was wäre, wenn das Kohle oder Gas wären”, fragt Willmann. „Dann müssten wir anders denken.” Und nicht alle Städte könnten so auf vorhandene Biomasse bauen. In Ulm werden nach Aussage von Willmann rund 1.000 Hektar Ackerfläche nur für die Biogasanlagen genutzt. Soll die Wärmeversorgung ausgedehnt werden, so stellt sich damit natürlich die Flächenfrage. Diese wird in der kommunalen Wärmeplanung von Ulm noch nicht beantwortet. Willmann weist aber darauf hin, dass für Solarthermie vor allem die Dächer noch stärker zu nutzen seien.
Ein Jahr ist machbar
Heidelberg stehe kurz vor dem Abschluss der Wärmeplanung, berichtet Florian Friedrich von der Abteilung Energie und Klimaschutz der Stadt. Und vor etwa einen Jahr am 1. April habe ein Dienstleistungskonsortium mit der Arbeit begonnen.
Als aufwendig sieht Friedrich die Datenerfassung. „Das braucht Zeit.” Denn auch wenn es in Baden-Württemberg die gesetzliche Grundlage gibt, seien die Daten bei den Schornsteinfegern nicht direkt verfügbar. Und ebenso dauere es, bis man von den Unternehmen Angaben etwa zum Abwärmepotenzial erhält. Aktuell lägen diese Daten beim Dienstleister. Heidelberg hat aber schon vorgesehen, sie aggregiert ins kommunale geografische Informationssystem (GIS) aufzunehmen.
Wichtig ist aus Sicht von Friedrich, bei der Wärmeplanung „auf jeden Fall alle Schlüsselakteure früh zu beteiligen. Das betreffe die Stadtgesellschaft. So sei von den Bürger:innen in einer Infoveranstaltung zum Zwischenstand durchaus Input zur Wärmeplanung gekommen. Zum anderen sei es hilfreich, die relevanten städtischen Verwaltungsbereiche zu beteiligen. „Die ganze Stadt wird umgekrempelt”, beschreibt Friedrich die Relevanz der Wärmeplanung. Und dabei gehe es auch darum, nicht zu warten, bis die Wärmeplanung fertig ist, sondern „frühzeitig ins Machen zu kommen”.
So starteten Prozesse parallel, wie etwa die Standortsuche für eine Großwärmepumpe für Wärme aus dem Neckar. „Hier in Heidelberg wird es auf einen großen Ausbau der Fernwärme in der Ebene hinauslaufen”, weist Friedrich darauf hin, dass in der Stadt schon im Vorfeld und parallel zur Wärmeplanung deren Konsequenzen verdeutlicht wurden. Der Energieexperte der Stadt sagt aber auch: „Ohne Klimaschutz und Wärmeplanung wäre der Prozess nicht angestoßen worden.”
Öffentlichkeit früh informieren
„Und es ist wichtig, frühzeitig zu informieren”, empfiehlt Friedrich. Das fördere die Akzeptanz. So sei bei der Infoveranstaltung der Zuspruch sehr hoch gewesen. „Gerade auch beim Fernwärmeausbau besteht ein riesiges Interesse. Alle wollen schnell weg vom Gas”. Und so sei auch kein Widerstand bei Baumaßnahmen zu erwarten. „Das gibt uns Rückenwind”, betont Friedrich.
In Pforzheim wird gerade der Abschlussbericht der Wärmeplanung fertiggestellt. Sie habe gezweifelt, ob die in einem Jahr zu stemmen sei, erzählt Dorothea Nultsch von der Abteilung Klimaschutz: „Ich fand das sportlich.” Aber es sei gelungen.
Ausschreibung für kommunale Wärmeplanung gut vorbereiten
Pforzheim hat sich schon bei der Ausschreibung viel Mühe gegeben. Zu einer Vorauswahl seien elf und in der zweiten Runde vier Planungsbüros eingeladen worden. Und das habe sich auch bewehrt, berichtet Nultsch.
Der wichtigste Tipp der Energiemanagerin an andere Kommunen lautet: „Man sollte darauf achten, dass man Büros auswählt, die sowohl dezentrale als auch zentrale Wärmeversorgungssysteme in den Blick nehmen. Manche Büros fokussieren sich allein auf den Stadtkern und die Wärmenetze.” Im Ergebnis komme es dann aber zu vielen weißen Flecken ohne Lösungsansatz für die Wärmewende.
Und wichtig sei es auch, die Wärmeplanung als fortlaufenden Prozess zu denken. Sie arbeite mit einem Kollegen bereits an der Fortschreibung, sagt Nultsch. Denn auch wenn das externe Büro sehr gute Arbeit geleistet hat, müsse an Details gefeilt werden.
Es sei ratsam, sich bereits im Vorfeld Gedanken über personelle Ressourcen zu machen. Eine Kommune solle darauf achten, die zu erledigende Arbeit in Ausschreibungen gut zu definieren und so an das Büro auszulagen. Denn sonst bliebe zu viel Arbeit etwa für die Datenbeschaffung an der Kommune hängen. Die Zeit sei aber besser in die Begleitung zu investieren, so Nultsch. So würden sich die kommunalen Mitarbeiter:innen meist besser mit den Flächenkonkurrenzen auskennen, die die Büros nicht im Blick hätten.
Autor: Andreas Witt
© Solarthemen Media GmbH
Dieser Artikel ist original in der Ausgabe 4/2023 der Zeitschrift Energiekommune erschienen. Energiekommune ist der Infodienst für die lokale Energiewende. Er erscheint monatlich. Bestellen Sie jetzt ein kostenloses Probeabonnement mit drei aktuellen Ausgaben!