RED III – Europa forciert die Erneuerbaren

Die Flagge der Europäischen Union vor einem Gebäude der EU-Kommission. Die Fassade schimmert bronzen. Darauf unter einer weiteren Flagge der EU der Schriftzug "REPowerEU". Abgebildet sind auch Handwerker, die den Schriftzug zu befestigen scheinen - sie sind ein Bild. Flagge, Schriftzug und Handwerker sind Teile eines Banners an der Fassade.Foto: Guido Bröer
Mit der in der Nacht zum 30. März erzielten Einigung zwischen EU-Parlament und dem Rat der Mitgliedsstaaten stehen die Bedingun­gen der neu aufgeleg­ten Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) jetzt fest. Auf den ersten Blick ändert sich dadurch für Deutschland nicht viel. Doch man­che Gesetzesinitiative der deut­schen Ampelregierung, zum Beispiel im künfti­gen Gebäudeenergie­ge­setz oder zur Beschleunigung der Planungsverfahren für Energieprojekte, wird durch die RED III europarechtlich dauerhaft abgesichert.

Zwei Jahre läuft bereits das europäische Gesetzgebungsverfahren, das eine Anschlussregelung für die 2018 beschlossene und aktuell geltende Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) schaffen soll. In dieser Zeit ist die Messlatte mehrfach höher gelegt worden, dass das reguläre Gesetzgebungsverfahren kaum nachkam. Im Brüsseler Jargon ist deshalb nicht ganz klar, ob aktuell noch an der RED III gearbeitet wird, oder ob das, was im Trilog jetzt beschlossen wurde, bereits als RED IV zu bezeichnen ist.

Mit dem „Fit-for-55”-Paket 2021 hat die EU-Kommission neue Maßstäbe gesetzt, die sie – nach dem russischen Angriffskrieg – mit dem RE-Power-EU-Plan forcierte.

Die RED III gibt nun einerseits neue Ziele für den relativen Anteil erneuerbarer Energien insgesamt und in den einzelnen Sektoren vor. Andererseits benennt sie auch – mehr oder weniger im Detail – Mittel und Methoden, die den Mitgliedsstaaten zur Verfügung stehen, um ihre Ziele zu erreichen.

Legislativ-Verfahren für RED III läuft noch

In den sogenannten Trilogverhandlungen zwischen EU-Parlament und dem Rat der Mitgliedsstaaten ging es dabei zuletzt noch um einige wesentliche Streitpunkte, die nun mit dem erzielten Kompromiss vom Tisch sind. Allerdings ist der genaue Wortlaut dieses Kompromisses noch nicht bekannt, denn bis der Beschluss in den Richtlinientext eingearbeitet sein wird, werden noch einige Wochen vergehen. Erst dann können Parlament und Rat ihm noch formal zustimmen. So lange der Originaltext nicht vorliegt, sind Aussagen zu den Details noch mit einer gewissen Vorsicht zu genießen.

Üblicherweise ist die Zustimmung zu Trilogergebnissen zwar nur noch eine Formsache. Aber beim Thema Verbrenner-Aus hat die deutsche Bundesregierung – getrieben vom Koalitionspartner FDP – erst jüngst gezeigt, dass es auch anders laufen kann und dass politische Gepflogenheiten auf EU-Ebene keine Naturgesetze sind.

Feilschen um Prozente

Somit lässt bislang das Trilogergebnis zur RED III, wie es von den Verhandlungspartnern in diversen Pressemitteilungen verbreitet wurde, noch einige Deutungsspielräume zu. Zuvorderst beim übergeordneten Ziel für den Anteil erneuerbarer Energien, der für das Jahr 2030 benannt wird. Er soll dann zwar, wie von der EU-Kommission vorgeschlagen und vom Europäischen Parlament gefordert, über alle Sektoren bei mindestens 45 Prozent des Endenergieverbrauchs in der EU liegen.

Doch auf Druck der Mitgliedstaaten sind davon nur 42,5 Prozent als verbindliches Ziel einklagbar. Die übrigen 2,5 Prozent gelten lediglich als „indikatives”, also unverbindliches Ziel. Diese zusätzlichen CO2-Einsparungen sollen, wie es in einer Mitteilung des deutschen Wirtschafts- und Klimaschutzministeriums (BMWK) etwas schwammig heißt, „durch weitergehende freiwillige Beiträge der Mitgliedstaaten oder durch gesamteuropäische Maßnahmen erreicht wer­- den”.

Allemal legt die EU mit der RED III nun die Messlatte für 2030 wesentlich höher. Gelten nach RED II bislang 32,5 Prozent für 2030 als Zielmarke, so muss sich laut BMWK das Ausbautempo demgegenüber bis 2030 notwendigerweise verdoppeln, um mindestens 42,5 Prozent zu erreichen.

Regenerativbranche und Umweltverbände kritisieren gleichwohl den Trilogkompromiss zur 2,5-prozentigen Absenkung des verbindlichen Ziels gegenüber dem vorherigen Parlamentsbeschluss. Wobei die zugleich beschlossenen verbindlichen Sektorziele durchaus als ambitioniert gelten können. Beispielsweise für den Wärmesektor: 49 Prozent Regenerativanteil am Endenergieverbrauch von Gebäuden.

Umstritten bleibt dabei aber weiterhin die Rolle der Bioenergie, die bislang den Löwenanteil bei der Regenerativenergie im Wärmesektor beiträgt. Während der Beschluss des Europaparlaments zur RED III vom 14. September 2022 noch deutliche Schranken für die energetische Verwendung von Waldholz gesetzt hatte, haben sich im Trilog eher die Interessen von Ländern mit starker Holzindustrie durchgesetzt. So soll weiterhin die Verwendung von Waldholz auch in Großkraftwerken legal bleiben und lediglich Rundholz in „Industriequalität” soll von energetischer Verwertung ausgeschlossen werden.

1,1 % mehr EE-Wärme pro Jahr

In deutlichen Schritten Richtung CO2-Vermeidung geht es freilich mittels der – erstmals verbindlichen – Vorgabe für den Wärmesektor, den Regenerativanteil um 1,1 Prozent pro Jahr zu erhöhen. Zugleich gibt es den unverbindlichen Richtwert für die Fernwärme- und -kältenetze: 2,3 Prozent Steigerung von Erneuerbaren und Abwärme pro Jahr. Für viele Versorger, deren Verbände sich lange erfolgreich gegen verbindliche Ziele gewehrt hatten, bedeutet das durchaus eine Zeitenwende.

Letztlich geben diese europäischen Vorgaben im Wärme- wie im Strom­sektor aber auch der Bundesregierung die nötige Sicherheit, um bei der 65-Prozent-Regel im neuen Gebäudeenergiegesetz jedem Wärmenetzanschluss ebenso wie dem Einbau von Wärmepumpen den Vertrauensvorschuss zu geben, dass die Energie aus den Netzen ausreichend treibhausgasreduziert sein wird.

Auch für den Strombereich wird die RED III für Deutschland vor allem mehr Rechts- und somit Investitionssicherheit bringen. Beispielsweise soll sie die europäischen Vorgaben für die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Regenerativenergie-Anla­gen verstetigen. Die im vergangenen Jahr per EU-Notfallverordnung beschlossenen Vereinfachungen beziehen sich nämlich bislang nur auf solche Genehmigungsverfahren von Windenergieanlagen und Hochspannungsstromnetzen, die vor dem 30. Juni 2024 beginnen.

Entsprechend hatten Bundestag und Bundesrat die Anfang März 2023 auf Basis der EU-Verordnung beschlossenen Änderungen in diversen Bundesgesetzen befristet. Das Trilogergebnis zur RED III soll diese Verfahrensbeschleunigungen nun nach Aussage des BMWK dauerhaft absichern. Beispielsweise können Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) für regenerative Einzelprojekte künftig entfallen, sofern bereits eine strategische UVP auf Ebene der Raumordnung vorliegt.

Des Weiteren soll nun in ganz Europa zum Standard werden, was der deutsche Gesetzgeber in Gesetzen wie dem EEG, dem EnWG und bald wohl auch dem GEG vormacht: Der Bau von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien soll im „überragenden öffentlichen Interesse” liegen. Dadurch soll der Klimaschutz viele andere öffentliche Belange europaweit ausstechen.

RED III adressiert auch den Verkehr

Im Verkehrssektor erhöht sich das bereits laut RED II verbindliche Ziel von 14 Prozent Regenerativanteil in der RED III auf 29 Prozent. Wobei es nach dem Trilog nun ein verbindliches Unterziel geben soll, das sich auf eine Kombination von strombasierten Regenerativkraftstoffen und Biokraftstoffen bezieht. Dieses Unterziel liegt bei 5,5 Prozent, wovon 1 Prozent durch strombasierte synthetische Kraftstoffe abgedeckt werden soll.

Wasserstoff in der Industrie

Neu ist in der RED III auch eine Wasserstoffvorgabe für die Industrie. Die Unternehmen müssen bis 2030 mindestens 42 Prozent des eingesetzten Wasserstoffes aus erneuerbaren Energien beziehen. Bis 2035 muss dieser Anteil auf 60 Prozent steigen. Der Regenerativanteil am Energieverbrauch der Industrie soll jedes Jahr insgesamt um 1,6 Prozent wachsen.

Für den Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) erscheint nicht einsichtig, dass Teile der neuen Wasserstoffwirtschaft zunächst auf sogenanntem blauem Wasserstoff aus Erdgas basieren sollen. „Wasserstoff muss von Anfang an grün sein. Teure fossile Brücken können wir uns nicht mehr leisten”, sagt BEE-Präsidentin Simone Peter.

Immerhin ist es aber im Trilog gelungen, das Ansinnen einer Reihe atomkraftfreundlicher Staaten abzuwenden, die mit Atomstrom erzeugten Wasserstoff gern als „grünen Wasserstoff” deklarieren wollten. Dies soll auch künftig in der EU ebensowenig erlaubt sein, wie die Anrechnung von Atomstrom-Wasserstoff auf das Gesamtziel für erneuerbare Energien.

Allerdings sollen Mitgliedsstaaten, deren Industrie 2030 – etwa mittels Atomstrom – weniger als 23 Prozent fossilen Brennstoff nutzt, einen 20-Prozent-Abschlag auf das Regenerativ-Wasserstoff-Ziel in der Industrie erhalten.
Auch einen der heikelsten Punke der Energiewende adressiert die RED III: den Fachkräftemangel. Artikel 18 widmet sich ausführlich dem Problem von Ausbildungs- und Qualifizie­rungs­maßnahmen. Unter anderem soll jedes Land seine Strategien zur Hebung von EE-Jobs in seinen Energie-und Klimaschutzplänen beschreiben und ein Installateurverzeichnis für den Bereich der erneuerbaren Energien öffentlich zur Verfügung stellen.

24.4.2023 | Autor: Guido Bröer
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