Photovoltaik und Wind im Netzentwicklungsplan: Wo stehen die Anlagen?
Die Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, Amprion, TenneT und TransnetBW haben am 24. März den ersten Entwurf des Netzentwicklungsplans (NEP) Strom 2037/2045 veröffentlicht und an die Bundesnetzagentur übergeben. Das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE hat hierfür die Regionalisierung der erneuerbaren Energien modelliert. Das Modell zeigt, in welchen Regionen der Netzentwicklungsplan besonders viele Windenergie- und Photovoltaik-Anlagen für die Energiewende berücksichtigen muss.
Der nun im Entwurf vorliegende Netzentwicklungsplan beschreibt erstmals ein Stromnetz, mit dem Klimaneutralität bis 2045 erreicht werden kann. Strom spielt dabei eine zentrale Rolle, da die Dekarbonisierung der Sektoren Industrie, Verkehr und Gebäude überwiegend durch direkte oder indirekte Elektrifizierung erfolgt.
Der NEP geht davon aus, dass sich der Stromverbrauch durch die Elektrifizierung auf mehr als 1.000 TWh verdoppelt. Um diese Strommengen zu erzeugen, rechnet der NEP mit einer Verfünffachung der installierten Leistung aus Erneuerbaren auf bis zu etwa 700 GW im Jahr 2045. Diese hohe Leistung in das Stromnetz zu integrieren und gleichzeitig dessen sicheren Betrieb zu gewährleisten, erfordere einen weiter beschleunigten Netzausbau.
Die Erstellung des Netzentwicklungsplans ist ein komplexes Verfahren mit mehreren Stufen. Im Jahr 2022 war der sogenannte Szenariorahmen festgelegt worden, auf dem der Entwurf des NEP nun aufbaut. Dabei sind drei Szenarien berechnet worden. Das Szenario A geht von einer Dekarbonisierung durch höheren Anteil von Wasserstoff aus, insbesondere in der Industrie. Szenario B setzt hingegen auf eine intensive Elektrifizierung in Kombination mit Effizienz auf der Nachfrageseite. Das Szenario C geht von starker Elektrifzierung bei geringer Effizienz aus. Alle Details zum Netzentwicklunsplan gibt es hier.
Regionalisierungsmodell zeigt, wo stärkster Photovoltaik- und Windenergie-Ausbau zu erwarten ist
Die Regionalisierungsstudie des Fraunhofer IEE liefert die Grundlage für die eigentliche Netzplanung. Sie zeigt im Modell postleitzahlenscharf, wie sich der erwartete Zubau von Windkraft- und Photovoltaikanlagen im Raum verteilt.
Dafür nahmen sich die Forschenden die Energiegewinnungsformen Windenergie an Land, Freiflächen- und Dachflächen-Photovoltaik vor. Sie verorteten für jede Technologie vorhandene und geplante Anlagen. Die Leistung dieser Windenergie- und Photovoltaik-Anlagen zogen sie von den im Netzentwicklungsplan genannten „Mantelzahlen“ ab. Dabei handelt es sich um Leistungsvorgaben je Bundesland. So erhielten sie die noch zu installierte Leistung je Bundesland.
Im nächsten Schritt betrachteten sie bekannte Potenzialflächen und in Analysen ermittelte Potenzialflächen. Dabei berücksichtigten sie Verfügbarkeit, Eignung, Bodengüte und mögliche Nutzungskonflikte. Nach und nach „bebauten“ sie im Modell diese Flächen, bis die Mantelzahlen für das jeweilige Land und die Technologie erreicht waren. „Dabei konnten wir auf Erfahrung in der Potenzialflächenanalyse sowie auf neue Daten und Methoden aus kürzlich abgeschlossenen Projekten zurückgreifen“, so Carsten Pape, der die Studie am Fraunhofer IEE geleitet hat. „Indem wir bei der Regionalisierung neben detaillierten Geodaten der Ausschluss- und Eignungsflächen auch Konfliktpotenziale einbeziehen und etwa bei Aufdach-PV-Anlagen die historische Zubaudynamik in die Berechnungen aufnehmen und in die Zukunft extrapolieren, können wir realistische Anlagenverteilungen darstellen“, erläutert Pape weiter. Karten zeigen sowohl den Anlagenbestand als auch die beiden Modellszenarien, die dem NEP zugrundeliegen.
Windenergie an Land: einige Regionen schon fast am Ziel
Insgesamt rechnen die Modelle bei der Windenergie an Land ungefähr mit einer Verdreifachung der Nennleistung bis 2045. Einzelne Regionen wie die Westküste in Schleswig-Holstein, die westfriesische Nordseeküste, aber auch das Paderborner Land, haben ihre langfristigen Leistungsziele schon fast erreicht. In anderen Regionen rechnet das Modellierungsteam wegen verschiedener Restriktionen kaum mit einem Ausbau der Windenergie. Beispiele hierfür sind die Rhein-Main-Metropolregion, das Ruhrgebiet sowie der Nationalpark Harz.
Photovoltaik: Aufdach-Anlagen im Süden, Freiflächen-Anlagen an Autobahnen und im Osten
Bei der Photovoltaik betrachtete das Modellierungsteam Aufdach-PV-Anlagen und Freiflächenanlagen mit zwei verschiedenen Modellen. Große, über das EEG-geförderte Freiflächenanlagen würden beispielsweise oft an Autobahn- und Schienenrandstreifen gebaut. Die meisten Aufdach-PV-Anlagen entstünden hingegen auf Einfamilienhäusern. Dies spiegele sich in der räumlichen Anlagenverteilung wider.
Bei der Aufdach-PV rechnen die Forschenden mit besonders starkem Ausbau im Süden und Westen Deutschlands. Pape erklärt das mit der unterschiedlichen Strahlungs- und Gebäudeverteilung. „Da der Zubau außerdem aus historischen Daten extrapoliert wird, zeigen bislang weniger aktive Kommunen auch zukünftig relativ wenig Ausbau“, erklärt er.
Bei den PV-Freiflächenanlagen kommen neben der Einstrahlung die Flächenverfügbarkeit und der Bodenwert zum Tragen. Neben der bevorzugten Nutzung von Autobahn- und Schienenrandstreifen sieht das Modell auch hier einen verstärkter Zubau im Süden. Auch in den neuen Bundesländern rechnen die Forschenden mit einem dynamischen Ausbau, da dort schon heute viele Anschlussgesuche vorliegen, die ebenfalls in die Zukunft extrapoliert werden.
25.4.2023 | Quelle: Fraunhofer IEE | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH