Überragendes öffentliches Interesse für Erneuerbare: Defizite in der bayerischen Verwaltungspraxis

Im Bild ein Mensch und eine Grafik CO2-runter als Symbol für überragendes öffentliches Interesse für Erneuerbare.Foto: Tierney / stock.adobe.com
Bayerische Wasserkraftverbände fordern die konsequente Berücksichtigung des überragenden öffentlichen Interesses der erneuerbaren Energien. Bisher gebe es erhebliche Defizite in der Verwaltungspraxis.

Die Vereinigung Wasserkraftwerke in Bayern e.V. (VWB) und der Landesverband Bayerischer Wasserkraftwerke eG (LVBW) bekräftigen die Forderungen aus dem „Bayernplan Energie 2040“. Sie fordern zudem, ein überragendes öffentliches Interesse für Erneuerbare, das in Gesetzen auf EU-, Bundes- und Landesebene verankert ist, endlich zu beachten. Man müsse diesem das notwendige Gewicht in Genehmigungsverfahren und anderen Verwaltungsentscheidungen einräumen. „Dafür ist es dringend nötig, dass die zuständigen bayerischen Staatsministerien Vollzugshinweise, die bei jedem Verwaltungshandeln mit Bedeutung für die Energiewende zu beachten sind, an die ihnen unterstellten Behörden richten“, sagt Martin Schröder, Vorstand der VWB. Denn an ihre Weisungen seien die Beamten gebunden. 

Erhebliche Defizite in der Verwaltungspraxis

Die bayerischen Wasserkraftverbände VWB und LVBW sehen in der Verwaltungspraxis erhebliche Defizite bei der Berücksichtigung des gesetzlich angeordneten überragenden öffentlichen Interesses der Erneuerbaren. Am Beispiel der Wasserkraftbranche: In Bayern dauert es derzeit durchschnittlich sieben Jahre, bis die Zulassung einer Wasserkraftanlage erteilt ist. Wenn es schnell geht, liegt die Zulassung nach drei Jahren vor. „Bei solchen Zeiträumen könne man die Energiewende nicht schnell genug umsetzen, so Schröder. So könne man auch das Potenzial der grundlastfähigen kleinen Wasserkraft zur Dekarbonisierung und Sicherung der Energieversorgung nicht heben.

Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) hat im Februar 2023 eine schriftliche Dienstanweisung zur „Berücksichtigung der erneuerbaren Energien und des Klimaschutzes bei Verwaltungsentscheidungen“ an die Landratsämter und Regierungen, an die Wasserwirtschaftsämter und das Bayerische Landesamt für Umwelt herausgegeben. „Die Vollzugshinweise des StMUV sind ein Schritt in die richtige Richtung. Sie müssen aber jetzt von den unteren Behörden, von den Landratsämtern und den Wasserwirtschaftsämtern, beachtet werden. Dafür muss das Ministerium sorgen. Das StMUV steht weiter in der Pflicht“, so Schröder. Für die Wasserkraft sei zudem eine Dienstanweisung des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) nötig, da dieses für die Fischerei und Fischereifachberater der Bezirke zuständig ist. „Außerdem sollte sich auch das Bayerische Innenministerium um eine gesetzeskonforme Umsetzung des Vorrangs kümmern, da erneuerbare Energien kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung der öffentlichen Sicherheit dienen.“ Ohne eine ausreichende Energieversorgung sind die Existenz des Staates, die öffentliche Ordnung und jeder Einzelne gefährdet.

Umweltministerium als Vorbild

Landwirtschafts- und Innenministerium sollten sich an dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz orientieren, appelliert Martin Schröder im Namen der Wasserkraftverbände. Das Umweltministerium verlangt in seiner Dienstanweisung vom Februar 2023, dass man die besondere Bedeutung der erneuerbaren Energien und des Klimaschutzes in allem staatlichen Handeln berücksichtigt, sofern im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben Entscheidungsspielräume bestehen. „Der durch geltende Gesetze begründete, regelhafte Vorrang der erneuerbaren Energien vor anderen Schutzgütern muss in unserem Rechtsstaat von den Behörden beachtet werden und es braucht deutlich mehr Tempo bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen“, so Schröder.

Laut einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom März 2022 kann man einer Maßnahme nicht entgegen halten, dass sie nur einen geringen Beitrag zum Klimaschutz leistet. „Das heißt, auch kleinere Mengen regenerativer Strom sind nach der gesetzlichen Gewichtung ein wertvoller Beitrag. Ohne Zweifel wird die kleine Wasserkraft dadurch gestärkt“, so der VWB-Vorstand. 

Überragendes öffentliches Interesse für Erneuerbare in Gesetzen auf EU-, Bundes- und Landesebene 

Folgende Gesetze untermauern den Vorrang der erneuerbaren Energien in Verwaltungsentscheidungen:

  • Auf EU-Ebene schreibt die Dringlichkeitsverordnung zur schnelleren Genehmigung erneuerbarer Energien (Verordnung (EU) 2022/2577), die zum 30.12.22 in Kraft trat, in Artikel 3, Absatz 1 das überwiegende öffentliche Interesse fest.
  • Im Bundesklimaschutzgesetz (KSG), § 13, Abs. 1 Satz 1, gibt es das sogenannte Berücksichtigungsgebot: „Die Träger öffentlicher Aufgaben haben bei ihren Planungen und Entscheidungen den Zweck dieses Gesetzes und die zu seiner Erfüllung festgelegten Ziele zu berücksichtigen.“
  • Im Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) 2023, § 2, heißt es: „Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen sowie den dazu gehörigen Nebenanlagen liegen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit.“
  • Im Bayerischen Klimaschutzgesetz, das am 1. Januar 2023 in Kraft trat, ist der gleiche Passus wie im EEG zu finden, was die Bedeutung der Erneuerbaren Energien im Landesrecht stärkt.
  • Gemäß EEG 2023, § 2, gilt der Vorrang des Klimaschutzes so lange, bis die Stromerzeugung in Deutschland nahezu treibhausgasneutral ist.

4.5.2023 | Quelle: VWB, LVBW | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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