Solarthermie: Themen und Herausforderungen der Zukunft

Westfassade Kloster Banz, Bad Staffelstein - hier findet diese Woche das Symposium Solarthermie statt.Foto: Guido Bröer
Kloster Banz ist in diesen Tagen wieder Treffpunkt der Solarthermie-Branche
Welchen Beitrag kann die Solarthermie für die Zukunft der Wärmeversorgung leisten? Und wie kann die Solarwärme-Branche zukünftige Geschäftsfelder besser erschließen, auf denen die Technologie ihre Stärken ausspielen kann. Das sind die Themen, mit denen sich in dieser Woche etwa 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim traditionsreichen Solarthermiesymposium in Kloster Banz, Bad Staffelstein, befassen.

Geht man nach dem Geschäftsklimaindex, den der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) quartalsweise unter seinen im Solarthermie-Bereich tätigen Mitgliedsunternehmen erhebt, so bewegt sich die Geschäftslage seit fast drei Jahren auf sehr hohem Niveau. Damit laufen die Geschäfte der Branche aktuell offenbar deutlich besser, als es sich in deren Geschäftserwartung für die Zukunft niederschlägt. Letztere bewegt sich laut BSW-Index derzeit nur ungefähr auf dem Durchschnittsniveau der vergangenen zwei Dekaden. Und das, obwohl seit zwei Jahren die in Deutschland verkaufte Kollektorfläche endlich wieder leicht wächst – nach einem Jahrzehnt stetigen Schrumpfens. Und wenngleich durch die Gaskrise und die Debatte über das Gebäudeenergiegesetz (GEG) das Thema Wärmewende erstmals überhaupt die gebührende Aufmerksamkeit erfährt.

Doch gerade in der Solarthermiebranche löst die konkrete Aussicht auf einen in absehbarer Zeit rein erneuerbaren Heizungsmarkt nicht nur Euphorie aus. Im Gegenteil. Es treibt die in Banz versammelte Expert:innen-Gemeinde um, ob und wie die Solarthermie in einem von Wärmepumpen und Wärmenetzen dominierten Markt ihren Platz finden wird. Neu ist das Thema nicht, aber es ist geradezu brisant geworden durch die disruptive GEG-Reform, die 65-Prozent erneuerbare Energie in neuen Heizungen zur Pflicht machen soll.

Neue alte Hoffnungsträger: PVT, Prozesswärme, Solare Wärmenetze

Und genau das spiegelt sich auch im Programm der Bad Staffelsteiner Leitveranstaltung der Solarthermie-Branche. Stand der erste Symposiumstag gestern weitgehend im Zeichen großer Solarthermieanlagen für Fern- und Nahwärmenetze, so nehmen im weiteren Fortgang der Tagung heute und morgen diverse Kombinationsmöglichkeiten von Solarthermie und Wärmepumpen breiten Raum ein. Ganz hoch im Kurs liegt dabei das Thema PVT, also die Kombination von Solarthermie und Photovoltaik in einem Kollektor. Zusammen mit der industriellen Prozesswärme dürfen diese beiden Geschäftsbereiche, solare Wärmenetze und PVT, derzeit als die „heißen” Themen der Solarthermie gelten.

„Wieder einmal” – so entfährt es jedem langjährigen Chronisten dazu fast zwangsläufig. Denn in allen drei Fällen handelt es sich um Hoffnungsträger, deren theoretisch große Potenziale schon seit Jahrzehnten in Fachkreisen erörtert werden. Dennoch fristet jeder für sich bislang nur ein Nischendasein. Zusammen brachten sie es im Durchschnitt der vergangenen Jahre auf maximal zwei Prozent des deutschen Kollektormarktes. Nur 2022 kletterte der Anteil dieser Nischenanwendungen an den Inbetriebnahmen – vor allem durch die beiden großen Fernwärme-Solaranlagen in Greifswald und Lemgo – auf knapp fünf Prozent. Doch vielleicht kann sich das ja nun tatsächlich ändern, wenn auch von politischer Seite die Wärmewende jetzt erstmals ernsthaft gepuscht wird. Zweifellos sind derzeit einige Meilensteine zu verzeichnen.

Meilensteine der solaren Fernwärme

Für die solare Fernwärme ist so eine Wegmarke sicherlich die jüngst offiziell angekündigte 60.000 Quadratmeter Kollektorfläche messende Solarthermieanlage der Stadtwerke Leipzig. Und nicht minder interessant: Im nordhessischen Dorf Bracht wird in diesem Sommer mit dem Bau einer genossenschaftlich organisierten solaren Dorfwärmeversorgung begonnen, die es auf einen solaren Deckungsgrad von für Deutschland einmaligen 67 Prozent bringen soll. Möglich macht dies vor allem ein Saisonalspeicher nach dänischem Vorbild, den die Bürgerenergiegenossenschaft in Kombination mit einer Großwärmepumpe und zwei Holzkesseln betreiben wird. In den Sommermonaten soll die Solarthermieanlage mit ihren 13.000 Quadratmetern Kollektorfläche das Netz mit 180 Gebäuden allein versorgen. Gleichzeitig wird sie aber den größeren Teil ihrer Energieernte in den Saisonalspeicher laden können. Im Winter soll dann eine Wärmepumpe mehr oder weniger konstant den Speicher als Wärmequelle nutzen. Die Wärmepumpe erhöht die Temperaturspreizung im Erdbeckenspeicher, mindert somit dessen erforderliches Volumen und die Baukosten des Speichers.

67 Prozent solarer Deckungsanteil für ein ganzes Dorf

In einem neuartigen Betriebskonzept, dessen Effekt die Solarthermie-Expert:innen um Professor Klaus Vajen an der Uni Kassel durchgerechnet haben, läuft stets als Unterstützung der Wärmepumpe einer der beiden verschieden großen Biomassekessel mit. Die Biomasse wird also in Bracht nicht nur zu Spitzenlastzeiten eingesetzt, sondern sorgt dauerhaft, immer wenn die Wärmepumpe gebraucht wird, für den letzten Teil des Temperaturhubs auf die erforderliche Netztemperatur von 70 bis 80 Grad Celsius. Indem sie nur für einen begrenzten Teil des gesamten Temperaturhubs zuständig ist, kann die Wärmepumpe somit stets hohe Wirkungsgrade erzielen. In der Jahresbilanz sollen die Solarkollektoren mehr als zwei Drittel des Wärmebedarfs decken. 25 Prozent trägt die Biomasse bei und lediglich 8 Prozent des Energieverbrauchs der Wärmepumpenstrom. Zugleich stellt dieses Betriebskonzept sicher, dass die Wärmepumpe keine Stromspitzen verursacht, die in extremen Kälteperioden oder in der berüchtigten „Dunkelflaute” das Stromnetz belasten würden.

Wärmenetz als wirtschaftlichere Lösung (auch) auf dem Land

Den Forschungsarbeiten der Uni Kassel zu Bracht ist es auch zu verdanken, das eine hochgradig solare Wärmeversorgung nunmehr als das in diesem Fall wirtschaftlich deutlich überlegene Konzept gelten darf. Auf Betreiben des Fördergebers, des hessischen Wirtschaftsministeriums, hat nämlich das Kasseler Forschungsteam vor der Investitionsentscheidung auch eine alternative Lösung durchgerechnet. In diesem Szenario wäre in der dörflichen Gemeinde die Effizienz der Gebäude mit einer forcierten Sanierungsrate von drei Prozent pro Jahr individuell anspruchsvoll gesteigert und wo möglich wären die Gebäude auf Wärmepumpen umgerüstet worden, um bis 2045 auf den gleichen Verbrauch an Bioenergie für den Restbedarf zu kommen wie das avisierte Wärmenetz.

Aus dem Vergleich ging das solare Wärmenetz als klarer Sieger hervor. Das Ergebnis der Kasseler Uni hat in einer unabhängigen Untersuchung später die hessische Energieagentur HessenEnergie bestätigt. Hinzu kommt der ökologische Vorteil, dass der Klimaeffekt beim Wärmenetz sofort nach dessen Inbetriebnahme einsetzt, sodass allein in der Übergangszeit von zwei Jahrzehnten während der eine Sanierung des gesamten Gebäudebestandes laufen würde, im konkreten Wärmenetz-Szenario enorme CO2-Mengen eingespart werden. Fazit von Klaus Vajen: „Solare Nahwärme ist ökonomisch absolut konkurrenzfähig und beschleunigt die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung ländlicher Gebiete signifikant.”

Prozesswärme – Nachfrage steigt

Um Größenskalierung und Saisonalspeicherung geht es mittlerweile auch im Bereich der solaren Prozesswärme, die vor allem aufgrund der geringen Gaspreise in den vergangenen Jahrzehnten als Lösung für die Industrie kaum voran gekommen ist. Das scheint sich aktuell allerdings zu ändern. „Wenn das vielleicht nicht so schnell geht in Deutschland, dann eben in Frankreich oder anderswo”, sagt Torsten Lütten, Geschäftsführer der hiesigen Niederlassung des finnischen Kollektorherstellers Savosolar, der in den letzten Jahren einige große Kollektorfelder an Industrieunternehmen in Frankreich verkaufen konnte. Aktuell sei in diesem Bereich eine sehr hohe Nachfrage zu verzeichnen, berichtet Lütten.

Das bestätigt auch Roger Hackstock, Geschäftsführer des österreichischen Solarthermieverbandes Austria Solar. Belegen kann er diese durch die Gaskrise offenbar wesentlich gesteigerte Nachfrage nach Prozesswärme-Solaranlagen mit einer ganzen Reihe konkreter Projekte. Eines davon ist die Machbarkeitsstudie des österreichischen Textilunternehmens Simona Alexe greeniXcloud, das mit PVT-Kollektoren, Hochtemperatur-Wärmepumpe und einem 20.000 Kubikmeter fassenden Wärmespeicher seine Energieversorgung revolutionieren will.

PVT – vielfältige Konzepte

Und auch das zarte Pflänzchen PVT, die kombinierte Strom- und Wärmeerzeugung in einem Kollektor, könnte jetzt vor einem Wachstumsschub stehen. Der entscheidende Gamechanger für PVT ist die Wärmepumpe, die sich anschickt, im Heizungsmarkt sehr schnell die Gas-Brennwerttechnik als dominierenden Technologie abzulösen. Die Wärmepumpe braucht einerseits Strom, profitiert andererseits von einer vortemperierten Wärmequelle, wie sie die Solarthermie – allemal im Vergleich zu konventionellen Luftwärmepumpen – bieten kann. Und so ist der deutsche Technologie-Vorreiter für die PVT-Technik, Consolar aus Lörrach, längst nicht mehr allein auf weiter Flur.

Aufgrund seiner jahrelangen Erfahrung konnte der technische Kopf des Consolar-Teams, Ulrich Leibfried, in einem gut besuchten Vortrag heute morgen in Kloster Banz Untersuchungsergebnisse präsentieren, die einige Vorbehalte gegen Kombi-Kollektoren widerlegen. Insbesondere sei es ein Vorurteil, dass die Kombination zweier Solartechnologien bei geringer Sonneneinstrahlung weitgehend ohne Effekt bleibe und somit für das jahreszeitlich bedingte Effizienzproblem der mit ihnen verbundenen Wärmepumpen keine Vorteile bringe. Immerhin schafft es das untersuchte PVT-System auch im Winter, die von den Heizstäben in klassischen Luftwärmepumpen verursachten Strom-Bedarfsspitzen deutlich zu vermindern. Voraussetzungen seien freilich eine entsprechend große Auslegung von Wärmepumpe und Speicher auf 100 Prozent des Bedarfs, sodass ein Elektroheizstab nur im Notfall einspringen müsste, erklärt Leibfried anhand der Forschungsergebnisse. Hintergrund ist, dass das Consolar-System auch bei geringer Solar-Einstrahlung noch als recht wirksamer Luftkollektor arbeitet. An die Netzverträglichkeit einer Erdreichwärmepumpe reicht das PVT-Wärmepumpen-System zwar nicht ganz heran, der „normalen” Luftwärmepumpe ist es allerdings in technischer Hinsicht weit überlegen.

PVT erreicht hohe Flächeneffizienz

Für eindeutig überholt hält Korbinian Kramer, Forschungsgruppen-Leiter am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE), auch einen weiteren Vorhalt gegen PVT – den Einwand der geringen Flächeneffizienz. Ja, gesteht Kramer zu, vor 20 Jahren habe man wohl in vielen Fällen noch richtig gelegen mit der Annahme, dass das Energiepotenzial eines Daches sich effizienter mit jeweils einer PV- und einer Solarthermieanlage nebeneinander habe nutzen lassen als mit einem PVT-Kollektor. Aber betrachte man am Markt vorhandene Systeme als Gesamtsystem inklusive Wärmepumpe, dann, so Kramer, lasse sich die Frage, ob PVT flächeneffizienter sei als zwei Systeme nebeneinander, inzwischen leicht beantworten: „Die Antwort ist ein klares Ja.”

10.5.2023 | Autor: Guido Bröer
© Solarthemen Media GmbH

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