Lackmann an Habeck: Offener Brief gegen Energie-Subventionen für Industrie

Portraitfoto Johannes LackmannFoto: Wilfried Hiegemann - fotoideen.com
Johannes Lackmann, Chef von Westfalenwind
Die Industriestrompreise bis 2030 zu subventionieren, hält Johannes Lackmann, Chef von Westfalenwind für „den komplett falschen Weg“.

In einem offenen Brief wendet sich Johannes Lackmann ausführlich an den Bundesminister Robert Habeck (Grüne). Er bezieht sich auf das Arbeitspapier von Habecks Bundesministeriums für Umwelt- und Klimaschutz vom 5. Mai. Darin seien einige notwendige Maßnahmen adressiert, die eine günstige Stromversorgung der Industrie auf Basis Erneuerbarer Energien erleichtern sollen. Lackmann begrüßt ausdrücklich die Initiative des Ministers, einen wettbewerbsfähigen Industriestandort Deutschland zu erhalten. Er mahnt aber auch: „Diese Subventionen werden mehr Schaden anrichten als Nutzen stiften.“ Die weiteren Worte, die Lackmann für die Energie-Subventionen zugunsten der Industrie findet, sind nicht gerade diplomatisch.

Berichtigung: Lackmanns Unternehmen WestfalenWind hatte ihn in einer Mail als langjährigen Präsidenten des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE) vorgestellt. Diese Position gab er jedoch schon im Januar 2008 auf, weil er sich in der Funktion eines Lobbyisten nicht mehr wohl fühlte. In einer früheren Version dieses Solarserver-Artikels war die Funktionsbezeichnung fälschlicherweise übernommen und die Aussage dem BEE zugeschrieben worden. Die Aussagen Lackmanns entsprechen aber offenbar nicht den Positionen des Verbandes.

Energieintensive Grundstoffe dort produzieren, wo Energie günstig ist: bye, bye Stahl…

Lackmann betont in seinem jetzt veröffentlichten Brief an Habeck die Rolle der „Arbeitsteilung“ für den Industriestandort Deutschland. „Nicht jede energieintensive Grundstoffproduktion muss in Deutschland verbleiben“, schreibt er. Es gehe darum, länderspezifische Standortvorteile zu nutzen. Wenn sich diese durch Klimaschutzmaßnahmen veränderten, gelte es, das „im Grundsatz zu akzeptieren und nicht eine Zementierung des Status quo durch gigantische Subventionsvolumina zu betreiben.“ Die Produktion von Rohstahl, Aluminium oder Ammoniak solle besser da stattfinden, „wo die günstigsten Standortbedingungen herrschen“.  Solarserver berichtete über ein Demoprojekt für die Nutzung von grünem Wasserstoff für die Stahlproduktion in Hamburg.

Lackmann räumt ein, dass es Situationen und Technologien gebe, bei denen die Politik gegensteuern müsse, zum Beispiel um Abhängigkeiten zu vermeiden. Grundlage sei dass „genügend Wertschöpfungsketten und Arbeitsplätze im Land verbleiben oder hinzugewonnen werden können. Das treffe in Deutschland in großem Umfang zu.

Höhere Energiepreise sollen Innovationen in der Industrie begünstigen

Viele energieintensive Produkte würden deshalb regional hergestellt, weil der Transport im Verhältnis zum Warenwert zu teuer und aufwändig sei. Dazu zählt Lackmann „viele Baustoffe, Lebensmittel oder Hygienepapier“. Hohe Energiepreise würden deren Kosten stark steigern. Die geplanten Energie-Subventionen würden jedoch verhindern, dass die Industrie mit sparsameren Fertigungen oder neuen, weniger energieintensiven Produkte aufwarte. Dazu zählt Lackmann zum Beispiel Holz statt Beton oder Zellulosedämmstoffe statt PU-Schaum. Drohende soziale Verwerfungen müsse man durch Sozialpolitik ausgleichen.

Energie-Subventionen konterkarieren Emissionshandel und „belohnt Faulheit“ der Industrie

Der Emissionshandel sollte eigentlich dafür sorgen, dass Emissionen einen verursachergerechten Preis erhalten. Sie gelte seit langem als das zentrale Instrument der Klimapolitik.

„Es gab in 2022 ein gewisses Verständnis, die abrupte Explosion einiger Energiepreise für wenige Monate sozialpolitisch und industriepolitisch abzufedern“, so Lackmann. Ein hochsubventionierter „Brückenstrompreis“ bis 2030 konterkariere hingegen für lange Zeit genau die Anstrengungen, die das Emissionshandelssystem hier endlich auslösen sollte.

Der Preisschock habe bereits zu einem Umdenken geführt, viele Industriebetriebe würden sich um eine verlässliche Versorgung auf Basis erneuerbarer Energien bemühen. Dadurch bekomme auch der Windenergie-Ausbau lokalpolitisch mehr Priorität. Mit einem auf Jahre garantierten Strompreis von 6 Cent pro kWh würde man hingegen „genau die Firmen belohnen, die bisher zwar gejammert aber nichts gemacht haben“.

Lackmann nennt Namen: Thyssen könne in Duisburg laut LEE NRW ein Viertel seines Strombedarfs allein durch Windenergie auf dem eigenen Firmengelände decken, tue das aber als „nicht relevant“ ab. Eine Eisengießerei in Bielefeld, die in der Presse über hohe Energiekosten klagte, habe nicht auf das Angebot seiner Windenergie-Firma Westfalenwind reagiert, diesen Strom günstig zu liefern. Zudem hätten die wenigsten Betriebe ihre großen Dachflächen, Fassaden, Freiflächen oder Parkplätze mit Photovoltaik-Anlagen ausgestattet, obwohl sich dies rechnen würde.

Es könne nicht sein, dass die „Faulheit von Firmenchefs künftig kompensiert wird durch staatliche Subventionen.“ Er warnt davor, dass Firmen dadurch den Anschluss verlieren würden. Das sehe man an Angela Merkels Einsatz gegen schärfere Emissionsgrenzwerte. „Unsere Autoindustrie hat derzeit alle Mühe, den Rückstand aufzuholen und es ist noch keineswegs sicher, ob ihr das gelingen wird“, schreibt Lackmann.

Auch Ökostrom-Profiteure bekommen ihr Fett weg

Doch auch vor Energiewende-Unternehmen macht Lackmann nicht halt. „Wenn von einigen Projektierern für Windstandorte Pachten bis zu 30 % der Umsatzerlöse bezahlt werden, ist das ein direktes Maß dafür, um wieviel die EEG-Vergütung für Windstrom zu hoch ist“, schreibt er. Statt diese zu senken, habe die Bundesregierung die Höchstpreisgrenzen für Ausschreibungen erhöht. Statt günstigen Strom an die Industrie zu liefern, würden Windstromerzeuger so lieber über das EEG hohe Erlöse erzielen.

Auch die einseitige Marktprämie des EEG kritisiert Lackmann. Wer einerseits einen über das EEG garantierten Mindestpreis erhalte, müsse im Gegenzug höhere am Markt erzielte Erlöse in einen Fonds zurückführen, um diese an die Stromkunden auszuschütten.

Weitere Kritik gilt dem Referenzertragsmodell für Windparks im EEG. Momentan führe das zu dichte und damit ineffiziente Bebauen guter Standorte zu Mehreinnahmen. Dies lasse sich leicht korrigieren.

Lobend erwähnt Lackmann den Ansatz, Strom für die Sektorenkopplung zu nutzen statt abzuregeln. Die aktuelle Anforderung an die Lieferung an Firmen über eine Direktleitung mache dies aber „faktisch unmöglich“. Zudem sei es nicht vertretbar, mit 2,05 Cent zu besteuern, Erdgas aber nur mit 0,55 Cent pro kWh.

11.05.2023 | Quelle: Johannes Lackmann – Westfalenwind | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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