Habecks Solarpaket I: nächster Schritt der „Photovoltaik-Strategie“
„Osterpaket“ war 2022 – ein Jahr später soll jetzt das „Solarpaket I“ weitere Erleichterungen und Verfahrensbeschleunigungen speziell für die Photovoltaik bringen. Das kündigte Minister Robert Habeck auf dem zweiten sogenannten Photovoltaik-Gipfel mit Branchenvertreter:innen am 5. Mai an. Nachzulesen sind die geplanten Maßnahmen in der rund 45-seitigen „Photovoltaikstrategie“, die das BMWK jetzt präsentierte.
Solarpaket I vor der Sommerpause
Dieses Strategiepapier identifiziert elf Handlungsfelder für die das BMWK jeweils kurz- und längerfristige Maßnahmen ankündigt. Kurzfristig will Habeck ein „Solarpaket I“ schnüren, über das noch vor der Sommerpause das Bundeskabinet entscheiden soll. Danach würden die Gesetzesnovellen ans Parlament gehen, sodass etliche Neuregelungen wohl spätestens Anfang 2024 in Kraft treten könnten.
Und offenbar kann sich der Wirtschaftsminister bei diesen Planungen der Unterstützung der Solarwirtschaft für seine PV-Pläne gewiss sein. Zur Vorstellung der Strategie nach dem sogenannten Solargipfel am 5. Mai hatte Habeck den Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW), Carsten Körnig, mit aufs Podium geholt. Und Körnig lobte die Solarstrategie des BMWK: Sie sei geeignet, das notwendige Marktwachstum von jeweils 30 Prozent in den kommen vier Jahren anzureizen: „Das was ich heute hier gesehen habe, stimmt mich sehr zuversichtlich, dass wir das Tempo auch schaffen werden.“
Dass nach dem Beseitigen erster Stolpersteine für PV-Anwender und PV-Branche im ersten Regierungsjahr der Ampel nun Habeck kurzfristig weitere Nägel mit Köpfen machen will fand ebenfalls Körnigs Anerkennung: „Wir begrüßen das Vorhaben des Bundeswirtschaftsministeriums außerordentlich, ein Solarbeschleunigungspaket zu schnüren.“
Solarpaket I addressiert ein halbes Dutzend Themen.
Enthalten sind darin Maßnahmen für mehr als Hälfte der 11 Handlungsfelder, die das Ministerium in seiner Solarstrategie identifiziert hat (s. Kasten S. 5). Offenbar will Habeck zunächst auf denjenigen Gebieten aktiv werden, auf denen sein eigenes Ministerium mehr oder weniger allein zuständig ist und somit eher wenig Konflikte mit anderen Ressorts und Koalitionspartnern zu erwarten sind.
An erster Stelle stehen hier die PV-Freiflächenanlagen. 11 Gigawatt sollen davon ab 2026 jährlich neu entstehen, also 50 Prozent des vom Ministerium avisierten jährlichen Gesamtvolumens von 22 Gigawatt (GW). Damit dies möglich wird, möchte das BMWK weitere Planungsvereinfachungen erreichen, drückt dies in der PV-Strategie allerdings noch etwas vage – lediglich als Prüfabsicht – aus. So sei zu „prüfen“, ob PV-Freiflächenanlagen, die mit Ausnahme von schmalen Streifen entlang von Autobahnen und zweigleisigen Bahnstrecken bislang im Aussenbereich nur nach einem erfolgreichen Bebauungsplanverfahren errichtet werden dürfen, nicht bereits innerhalb des Solarpakets I noch weiter privilegiert werden könnten.
Privilegierung ausweiten?
Erforderlich wäre dazu eine weitere Änderung des Paragraphen 35 im Baugesetzbuch (BauGB). In der PV-Strategie heißt es dazu, es solle „eine an bestimmte Voraussetzungen geknüpfte oder eine auf bestimmte Technologien beschränkte Privilegierung im Außenbereich geprüft werden, z. B. auf Flächen innerhalb der Flächenkulisse für PV-Freiflächenanlagen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes wie Agri-PV-Anlagen oder bei kleinen, hofnahen Anlagen“. Darüber hinaus möchte das BMWK aber kurzfristig auch ein generell vereinfachtes Bebauungsplanverfahren für PV-Freiflächenanlagen „prüfen“.
Baunutzungsverordnung ändern
Bereits im Bundestag angekommen ist die Vorlage des Bundeskabinetts zur Änderung der Baunutzungsverordnung. Mit ihr sollen Freiflächen in Gewerbe- und Industriegebieten künftig quasi überall möglich werden. Dortige Grundstücksflächen, auf denen die Bebauung normalerweise auf 80 Prozent der Grundfläche beschränkt ist, sollen künftig mit PV-Modulen bis zu 100 Prozent bedeckt werden dürfenn, sofern der Bebauungsplan nicht anderes vorschreibt.
Einen kleinen Webfehler des EEG möchte das BMWK beseitigen, indem künftig die sogenannten benachteiligten Gebiete auch für solche Solaranlagen geöffnet werden, die nicht auf einen Zuschlag in einer BNetzA-Ausschreibung angewiesen sind. Damit würden dort auch ausschreibungsfreie Freiflächenanlagen unter 1 MW beziehungsweise Bürgersolaranlagen bis 6 MW ermöglicht.
PV in benachteiligten Gebieten: Opt-out statt Opt-in
In den benachteiligten Gebieten, deren Öffnung für EEG-geförderte PV-Anlagen bislang eines ausdrücklichen Beschlusses des jeweiligen Landesgesetzgebers bedarf, möchte das BMWK vom derzeitigen „Opt-in-“ auf ein „Opt-out“-Verfahren umstellen. Bislang haben nur 9 von 16 Ländern ihre benachteiligten Gebiete für PV geöffnet – und das teils mit recht unterschiedlichen Einschränkungen. Das BMWK will nun durchsetzen, dass in diesen Gebieten in allen Bundesländern grundsätzlich PV-Anlagen gefördert werden können, sofern ein Land dies nicht ausdrücklich ausschließt.
Bürgerenergie auf neuen Arealen
Ausweiten will das Ministerium auch die Möglichkeit, die Kommunen auf Basis von § 6 EEG an den Erlösen von PV-Analgen beteiligen zu dürfen. Künftig soll dies nicht nur für klassische Freiflächenanlagen zum zulässigen Standard werden, sondern auch für schwimmenden PV-Anlagen und solche auf baulichen Anlagen wie Deponien oder Lärmschutzwällen.
Die Frage, ob diese Zahlungen des Anlagenbetreibers an Kommunen, die bislang nach dem EEG rein freiwilliger Natur sind, künftig zur Pflicht werden könnten, spricht das BMWK in der PV-Strategie zwar an, lässt sie allerdings noch offen. Im Zuge des Solarpakets I soll dazu zunächst nur ein Rechtsgutachten erstellt werden.
Im Diskurs vor mit dem Landwirtschafts- und dem Umweltministerium möchte das BMWK außerdem erreichen, dass sogenannte „Biodiversitäts-PV-Anlagen auf den künftig nach der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU vorgeschriebenen zu extensivierenden (GLÖZ) Flächen entstehen können. Aus Sicht von Habecks Team hätte das sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile. Bereits für das Solarpaket I hofft das BMWK mit den anderen Ressorts eine gemeinsame Definition von „Biodiversitäts-PV“ zu entwickeln und innerhalb der Regierung beschlussreif zu machen.
Erleichterungen für Dachanlagen
Auch für Dachanlagen will das Ministerium bis zum Sommer etliche gesetzgeberische Baustellen eröffnen. So sollen PV-Anlagen auf bestehenden Gebäuden im Außenbereich wieder eine EEG-Vergütung bekommen können. Im Zuge der sogenannten „Solarstadl“-Regelung hatte der Gesetzgeber diese Möglichkeit 2012 abgeschafft, nachdem zahlreiche landwirtschaftlich privilegierte Gebäude offenkundig hauptsächlich zu dem Zweck entstanden waren, eine geförderte PV-Anlage zu tragen.
Des Weiteren möchte das Ministerium auch für Dachanlagen einen Repowering-Anreiz einführen, so wie er für Freiflächenanlagen gilt. Damit könnten bei einem vorzeitigen Austausch des Solargenerators verbleibende Vergütungsansprüche von der Altanlage auf die Neue übergehen.
Meldepflichten reduzieren
Vor allem einige bürokratische Hürden für Dachanlagen möchte das BMWK abbauen. Betreibt jemand eine volleinspeisende Anlage und eine zweite zum vorrangigen Eigenverbrauch nebeneinander auf dem Dach, so soll er sich die bislang vorgesehene jährliche Meldung beim Netzbetreiber, welche der Anlagen als Volleinspeiseanlage läuft, künftig sparen können. Nur bei Änderungen wird der Netzbetreiber zu informieren sein.
Auch die EEG-Regeln zur Anlagenzusammenfassung will das BMWK entschlacken. Für das Solarpaket verspricht es: „Wer sich eine PV-Anlage auf sein Dach bauen will, soll nicht davon abhängig sein, ob sein Nachbar oder seine Nachbarin die gleiche Idee ein paar Monate zuvor hatte.“
Zugleich sollen technische Anforderungen für die Direktvermaktung von Kleinanlagen bis 25 kW vermindert werden. Das soll die Eintrittsbarriere für solche Anlagen in die freiwillige Direktvermarktung senken. Aber auch für Anlagen über 100 kW mit Direktvermarktungspflicht möchte das BMWK Hindernisse beseitigen.
Gartenanlagen per Solarpaket I vereinfachen
PV-Anlagen im Garten von Wohnhäusern fördert das EEG seit 1.1.2023, aber nur dann, wenn das Dach nachweislich ungeeignet ist. Doch eine Verordnung, die laut EEG 2023 die Kriterien dafür genauer regeln soll, gibt es bislang nicht. Vor diesem Hintergrund möchte das BMWK nun bis zum Inkrafttreten allgemeiner Regeln annehmen, dass das Dach des Hauses nicht geeignet ist, wenn ein Anlagenbetreiber eine Anlage im Garten in Betrieb nimmt.
Noch relevanter als Garten-PV könnte die „gemeinschaftliche Gebäudeversorgung“ mit PV-Strom sein, die seit 2021 nach EU-Recht überfällig ist und deren Einführung das BMWK jetzt plant. Damit würde eine Alternative zum Mieterstrommodell geschaffen, die in kleinen Mehrfamilienhäusern unbürokratische Solarstromnutzung ermöglichen soll. Aber auch das bestehende Mieterstrommodell will Habeck jetzt entbürokratisieren. Ebenso die Regeln zur Nutzung von Balkonsolaranlagen, auf die Mieter und Wohnungseigentümer bald ein Recht bekommen sollen.
In diesem Artikel konnten nur einige der geplanten Maßnahmen des Solarpakets I erwähnt werden. Die „Photovoltaik-Strategie“ des BMWK findet sich unter diesem Link im Internet.
Die 11 Handlungsfelder der BMWK-Photovoltaikstrategie:
Freiflächenanlagen:
Ab 2026 geplant ist ein Zubau von 11 GW pro Jahr. Dafür müssen ausreichend Flächen zur Verfügung stehen und Planungs- und Genehmigungsverfahren schneller werden. Nutzung innovativer Konzepte wie Agri-PV, soll Flächenkonkurrenzen vorbeugen.
Dachanlagen:
Mit der PV-Strategie will das BMWK dem Segment der größeren Gebäudeanlagen im Gewerbe einen Schub geben. Auch im Bereich kleiner PV-Anlagen enthält die Strategie Verbesserungen und Vereinfachungen. Ziel sind 11 GW Zubau pro Jahr ab 2026.
Mieterstrom/gemeinschaftliche Gebäudeversorgung:
Um Dächer von Mehrfamilienhäusern stärker für Photovoltaik zu nutzen will das BMWK ein neues Modell zur gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung einführen. Es soll die Vor-Ort-Nutzung von Solarstrom für alle Parteien im Haus ermöglichen. Zugleich will das BMWK das bestehende Mieterstrommodell weiterentwickeln.
Balkon-PV:
Bürokratie soll für Kleinstanlagen bis 800 Watt weitgehend entfallen und die Anlagen sollen schnell angeschlossen werden können.
Netzanschlüsse:
Netzanschlüsse sowohl von Freiflächenanlagen als auch von Dachanlagen will das BMWK deutlich beschleunigen und vereinfachen. Für größere Dachanlagen sollen die verantwortlichen Gremien den Zertifizierungsprozess vereinfachen und es ist ein Wegerecht für Netzanschlüsse geplant.
Akzeptanz:
Unter diesem Stichwort behandelt die PV-Strategie die finanzielle Beteiligung der Kommunen. Zugleich will das BMWK Regeln für die Bürgerenergie vereinfachen.
Steuerrecht:
Der Abbau steuerrechtlicher Hürden gelingt nur in Verbindung mit dem Finanzministerium. Das BMWK will sich unter anderem bei der Gewerbe- und der Erbschaftssteuer für weitere Verbesserungen für die PV einsetzen.
Industrie:
In Deutschland und Europa sollen wieder industrielle Produktionskapazitäten für die ganze Wertschöpfungskette entstehen, sodass heische Produktion die steigende Nachfrage zu maßgeblichen Teilen decken kann.
Fachkräfte:
Die Zahl der Fachkräfte zur Herstellung, Planung, Installation und Wartung von PV-Anlagen soll gesteigert werden, u.a. durch passende Ausbildungsangebote und Fortbildungen.
Technologieentwicklung:
Das kommende 8. Energieforschungsprogramm soll die Technologieentwicklung entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Photovoltaik voranbringen.
Europäischer Rahmen:
Das BMWK will den schnelleren PV-Ausbau auch europäisch vorantreiben. Dazu will es etwa die Solarenergie-Strategie der Europäischen Union und den Rahmen des „Fit for 55“-Paketes nutzen.
19.5.2023 | Autor: Guido Bröer
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