Windgipfel: Viele Hausaufgaben für Politik und Unternehmen
Die Wind-an-Land-Strategie lag schon vor, als sich Habeck mit der Windbranche zum 2. Windgipfel traf. Aber die Debatte war dann doch so intensiv, dass sich die anschließende Präsentation der Ergebnisse vor der Presse verzögerte. Man habe allerdings nicht zu sehr gestritten, so Habeck, das Treffen habe vielmehr einen konstruktiven Geist gezeigt. Mit diesem Geist und der Strategie komme die Diskussion zu einem vorläufigen Abschluss. In dieser Legislatur sei für die Windkraft schon vieles gemacht worden, betont Habeck. Und jetzt gehe es immer tiefer in Details. Dabei sei dies aber auch weiterhin als offener Prozess zu sehen.
Die Windenergie-an-Land-Strategie hat das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) laut Habeck gemeinsam mit anderen Ministerien entwickelt. Das Papier sei fachlich geeint und alle Ministerien könnten damit leben. Aber es fehle noch der letzte Haken, den die Koalition daran setzen müsse.
Windgipfel präsentiert Maßnahmen
Habeck weist im Anschluss an den 2. Windgipfel darauf hin, dass die Regierung schon eine Reihe von Maßnahmen insbesondere zur Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren in Gang gebracht habe. Auch seien schon die entsprechenden Gesetze beschlossen worden. Dennoch zeigt sich in der Windenergie-an-Land-Strategie, dass noch eine Reihe von Hausaufgaben zu erledigen sind, um die Ausbauziele bei der Windenergie zu erreichen. Der Zubau habe im ersten Quartal dieses Jahres um 30 Prozent zugelegt, berichtet Habeck: „Wir sehen wirklich Erfolge.“ Bis zu 4 Gigawatt neue Windleistung hält der Minister in 2023 für machbar. Aber die Regierung wolle in den kommenden Jahren auf einen Zubau von 10 Gigawatt jährlich kommen.
Und um das zu schaffen, müssen Engpässe beseitigt werden. Das beginnt schon bei den Transporten, die für die Windbranche ein ernstes Anliegen sind. „Da ist ein Flaschenhals“, sagt Habeck. Die Strategie beschreibt hier klar die Probleme, die beim derzeitigen Transport über die Straße tägliche Praxis sind: „Die Genehmigungsprozesse für diese Transporte sind derzeit komplex, kostenintensiv, langwierig und bürokratisch. In der Folge führt die derzeitige, regional teils sehr unterschiedliche Genehmigungspraxis bei Windenergieprojekten und auch beim Stromnetzausbau zu großen Verzögerungen, massiv steigenden Kosten und Unsicherheiten in der Projektplanung und -realisierung.“ Hier soll es in Absprache mit Bundesverkehrsminister Volker Wissing zu Erleichterungen kommen.
Verlagerung von Windkrafttransporten auf Wasserstraßen
Habeck will Verkehr aber auch verlagern. Hier sieht er Potenzial in den Wasserstraßen. Diese könnten wesentlich mehr Transporte vor allem über die Langstrecke übernehmen. Aber noch fehlen nach Aussage des Ministers dafür die Umschlagplätze, um in den Häfen Windkraftrotoren und -masten wieder auf Züge und vor allem LKW umladen zu können. Ziel ist es Hubs für Windenergieanlagen und Kabeltrommeln an den Wasserstraßen einzurichten. Dafür erforderlich sind digitale Hafendaten einschließlich von Kai- und Krankapazitäten sowie Gleisanschlüssen. Noch zu erstellen ist auch eine vollständige Übersicht über die Hafenkapazitäten bis Mitte 2023. Außerdem sind Anreize erforderlich, um die Binnenwasserstraßen für die Windbranche zu erschließen. So ist laut Strategie eine Selbstverpflichtung der verladenden Wirtschaft erforderlich, die Wasserstraßen im Hauptlauf für Windenergieanlagenteile und Kabeltrommeln verbindlich zu nutzen. Denn auch die Hafenbetreiber und Reeder brauchen Investitionssicherheit.
Die Transportproblematik zeigt bereits, an welchen Details der Ausbau der Windkraft hakt. Noch entscheidender ist es, die Flächen zu erschließen und die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Hier waren Regierung und Bundestag auch bereits tätig. Doch wie der 2. Windgipfel zeigt, benötigen die Behörden in den Ländern und Kommunen weitere Hilfestellungen. Notwendig seien „Leitplanken, Leitfäden, Vollzugshinweise“, sagt Armin Willingmann, Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt. Und er forderte eine „authentische Auslegung des Urhebers“. Er meint damit nähere Erläuterungen von Seiten der Bundesministerien zu den beschlossenen Gesetzen. Wenn es etwa um den Vorrang der erneuerbaren Energien gegenüber bestimmten Belangen des Naturschutzes gehe, vermisse er hier klare Auslegungen.
Starke Beteiligung am Windgipfel
Insgesamt zwölf Handlungsfelder mit jeweils einer Reihe von Maßnahmen umfasst die Windenergie-an-Land-Strategie. Eingeflossen sind in sie 160 Stellungnahmen von Verbänden, Ländern und Unternehmen. So sollen künftig Geschäftsmodelle außerhalb es EEG, vor allem direkte grüne Stromlieferverträge (Power-Purchase-Agreements – PPA) besser flankiert werden. Die Genehmigungsverfahren sollen weiter vereinfacht und beschleunigt werden. Dem Repowering will die Regierung speziell über Vollzugsleitfäden mehr Rechtssicherheit geben.
Und recht konkrete Ideen gibt es, um die Flächensicherung zu vereinfachen. Derzeit erhalten Projektierer häufig keinen Einblick in Grundbücher und müssen laut BMWK die Eigentümer der Grundstücke über Umwege ermitteln. Das soll künftig leichter sein. Zudem will das Ministerium eine Duldungspflicht prüfen: Sie würde Grundstückeigentümer:innen – gegen Entschädigung – dazu zwingen, ihre Flächen temporär für Baumaßnahmen und dauerhaft für die Verlegung von Anschlussleitungen zur Verfügung zu stellen. Flankieren möchte das BMWK dies durch neue Beratungs- und Förderangebote für Kommunen. Allerdings stehen alle Maßnahmen laut Strategie unter einem Finanzierungsvorbehalt.
Um den gesellschaftlichen Rückhalt zu stärken, erklärt die Strategie zum Ziel, mit einer hohen Akteursvielfalt und Instrumenten wie der finanziellen Beteiligung der Kommunen die Akzeptanz vor Ort zu erhöhen und durch Beteiligungsmodelle auch die wirtschaftliche Teilhabe an den Wind-Investitionsprojekten zu ermöglichen. Willingmann plädiert allerdings dafür, dies möglichst unkompliziert zu machen. Für erstrebenswert hält er hier eine bundeseinheitliche Lösung, um einen Flickenteppich mit unterschiedlichen Lösungen in den Bundesländern zu vermeiden.
23.5.2023 | Autor: Andreas Witt
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