Mieterstrom soll durch Solarpaket einfacher werden

Luftbild: Mieterstromanlagen auf einer Siedlung mit Mehrfamilienhäusern.Foto: Kara / stock.adobe.de
Mieterstrom-Anlagen (Symbolbild)
Mieterstrom ist zu kompliziert und kommt nicht in die Gänge. Das soll sich mit der neuen Photovoltaikstrategie der Regierung ändern – wieder einmal. Klappt es nun wirklich?

Wer ein Eigenheim hat, kann bekanntlich direkt von günstigem Solarstrom profitieren. Wer in einem Mehrparteienhaus lebt, hat diese Chance in aller Regel nicht. Das Konzept „Mieterstrom“ sollte das eigentlich ändern. Doch es ist so umständlich, dass sich trotz Förderung kaum etwas tut. Reformen haben daran bisher nichts geändert. Die jüngste Photovoltaikstrategie der Regierung vom Mai 2023 verspricht mit einem Solarpaket von Gesetzesänderungen erneut eine „Entbüro­­kratisierung“ für den Mieterstrom.

Virtueller Summenzähler spart viel Aufwand

Das für viele Praktiker wichtigste Thema ist allerdings schon abgeräumt: der virtuelle Summenzähler. „Der spart 2000 bis 8000 Euro pro Projekt“, sagt Michael Vogtmann, Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) Franken. So viel kostet ein physischer Summenzähler am Hausanschluss. Er war bisher nötig, um die Flüsse von Netz- und Solarstrom zuordnen zu können. Im virtuellen Modell geschieht das mithilfe von intelligenten Verbrauchszählern. Der virtuelle Summenzähler kam im parlamentarischen Verfahren zum Smart Meter Rollout in letzter Sekunde ins Gesetz (siehe Solarthemen-Artikel vom 26.4.23. „Da haben wir Parlamentarier die Bundesregierung also sogar überholt“, erklärt Konrad Stockmeier, der bei der FDP-Bundestagsfraktion für Energiepolitik zuständig ist.

Mieterstrom lohnt sich häufiger

Der Mieterstrom-Anbieter Einhundert, der für den virtuellen Summenzähler gekämpft hatte, rechnet damit, dass sich das Mieterstrommodell allein dadurch in 50 Prozent mehr Gebäuden lohnt. Angesichts der bisher niedrigen Zahlen ist das allerdings nicht allzu viel.

Ein ebenfalls bereits abgehakter Punkt sei die seit Jahresanfang geltende Umsatzsteuerbefreiung, so Vogtmann.

Die zweite große Neuigkeit für den Mieterstrom ist die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung im Mehrparteienhaus. Genau genommen muss man sagen: Verboten ist das bisher auch nicht. Es ist nur durch kein Gesetze definiert oder gar gefördert.

Gesetz für Gemeinschaftliche Solarstrom-Versorgung

Die DGS Franken hat dieses Vakuum mit eigenen Musterverträgen für die gemeinsame Solarstromnutzung befüllt. Mehrere Hundert Muster seien verkauft worden, eine Klage gegen das Modell habe es bisher nicht gegeben, berichtet Vogtmann.

Doch für eine neue Breitentechnologie ist ein Gesetz dann doch eine solidere Grundlage. Bei der gemeinschaftlichen Eigenversorgung soll der auf oder am Gebäude erzeugte Solarstrom mithilfe intelligenter Zähler anteilig den verschiedenen Parteien hinter dem Hausanschluss zugerechnet werden. Der Reststrom kommt vom gewohnten Anbieter. „Dass die Mieter ihre bisherigen Stromanbieter behalten können, ist vor allem bei Bestandsgebäuden eine große Erleichterung“, findet Vogtmann. Von diesem müssten die Mieterstromanbieter die Kunden sonst nämlich erst einmal abwerben. Ein weiterer Pluspunkt: Die Mieterstromfirmen müssen sich nicht mehr um den Reststromeinkauf kümmern. Das spart nicht nur Arbeit, sondern eliminiert auch einen preislichen Risikofaktor. Dieses neue Modell solle auch für vermietete Gewerbeimmobilien anwendbar sein, heißt es in der PV-Strategie.

Bilanzierungsmodell noch offen

Noch offen ist, wie genau die Messkonzepte für den virtuellen Summenzähler und die Zurechnung eigentlich aussehen sollen. Die Photovoltaikstrategie des Bundeswirtschaftsministeriums verweist dabei auf Österreich als Vorbild. Dort ist die gemeinschaftliche Stromversorgung schon seit 2017 gesetzlich verankert, etwa 1.000 Projekte sind bisher umgesetzt.

Für die Zuordnung des Stroms gibt es zwei Optionen: Die statische Zuordnung legt für jede Partei einen Anteil am jeweils erzeugten Solarstrom fest, zum Beispiel zehn Prozent. Wer seinen Solarstromanteil in einer bestimmten Viertelstunde nicht verbraucht, hat ihn quasi automatisch ins Netz gespeist. Bei der dynamischen Zuordnung wird der Solarstrom gemäß des momentanen Stromverbrauchs im Haus verteilt. Wer mittags viel Strom braucht, ist hier im Vorteil. Der Eigenverbrauch ist dabei unterm Strich höher.

Stockmeier von der FDP sieht weiteres Potenzial zur Vereinfachung darin, den Solarstromverkauf direkt über die Betriebskostenabrechnung abzuwickeln. „Strom muss nicht automatisch verkauft werden”, sagt auch Vogtmann. Zu den DGS-Vorlagen gehören zum Beispiel auch Verträge für eine Inklusivmiete, die den lokal erzeugten Solarstrom beinhalten.
Mögliche Lösungen gibt es also. Wenn sich die Koalition nicht wieder über Details streitet, könnte der Entwurf für das Solarpaket I am 21. Juni vom Kabinett beschlossen werden. Die erste Lesung im Bundestag wäre dann am 12. Oktober möglich, die dritte und letzte Lesung am 10. November. Am 24. November müsste das Solarpaket dann noch durch den Bundesrat.

Solarpaket zielt auf mehr Photovoltaik im Geschosswohnungsbau

Zustimmungspflichtig ist es aber nicht. „Mit der Umsetzung der PV-Strategie des Wirtschafts- und Klimaministeriums wird der Zubau von PV-Aufdachanlagen auf Geschosswohnungsbauten stark steigen“, ist sich Bernhard Herrmann, Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen, sicher.

In den Diskussionsprozess will sich auch die SPD-Bundestagsfraktion einbringen. Nina Scheer, Sprecherin für Klimaschutz und Energie der Fraktion, sagt, ihre Partei wolle sich insbesondere auch dafür einsetzen, das Modell einer gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung so auszugestalten, dass auch nicht gewerbliche Akteure, etwa Wohnungseigentümergemeinschaften, ohne viel Bürokratie gemeinsam den Strom vom Dach oder aus dem Garten nutzen können. „Im Detail wird es darum gehen, möglichst viele weitergehende Vereinfachungen zu schaffen”, betont Scheer.

Steuergesetze für Photovoltaik-Mieterstrom ändern

Für die zweite Runde, also das in der PV-Strategie beschriebene „Solarpaket II“, ist der Zeitplan noch nicht so klar. Mehrfach ist die Rede davon, dass einige Punkte noch mit den Stakeholdern diskutiert werden müssen.

Zu diesem Paket gehören alle steuerlichen Fragen wie Stromsteuer, Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer. Vogtmann von der DGS kritisiert zum Beispiel, dass private Wohnungseigentümergemeinschaften und andere kleine Akteure nicht bereits von den „überbordenden Meldepflichten“ für den verkauften Strom befreit wurden.

Hoffnung liegt im Kapitel 3.7, das sich mit den Themen Stromsteuer, Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer befasst. Dort heißt es, dass „Anlagenbetreibende ohne zu versteuernde Strommengen“ von Anmelde- und Anzeigepflichten befreit werden sollen. Relevant ist das vor allem für die Solarstromlieferung innerhalb eines Gebäudes. Diese ist zwar nicht stromsteuerpflichtig, muss bisher aber trotzdem gemeldet werden.

Solarpaket II entlastet gemeinnützigen Mieterstrom-Anbieter

Für alle Vermieter:innen, die selbst Mieterstrom anbieten wollen, verspricht das Solarpaket II zudem, dass die Solarstromerzeugung- und -lieferung weder zu einer gewerbesteuerlichen Infizierung noch zum Verlust der Gemeinnützigkeit führen soll. Grünen-Politiker Herrmann erwartet, „dass das Finanzministerium gemeinsam mit dem Wirtschafts- und Klimaministerium zügig Gesetzesentwürfe vorlegt“.

Nicht zu verwechseln ist die gemeinsame Eigenversorgung mit dem bereits im Koalitionsvertrag angekündigten Energy Sharing. „Energy Sharing ist ein komplett anderer und weitergehender Ansatz als die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung“, stellt Viola Theesfeld vom Bündnis Bürgerenergie klar.

Ist Energy Sharing möglich?

Beim Energy Sharing fließt der gemeinsam erzeugte Strom durchs öffentliche Netz bis zu den jeweiligen Haushalten der Erzeugergemeinschaft. Auch hier ist man in Österreich weiter, Energiegemeinschaften gibt es dort seit 2021. Sie profitieren unter anderem von reduzierten Netzentgelten. In Österreich müssen sich alle Mitglieder der Gemeinschaft im selben Netzkonzessionsgebiet befinden wie die Erzeugungsanlage. „In anderen Ländern ist Energy Sharing räumlich enger definiert und betrifft oft nur wenige Personen, ist also eher ein nachbarschaftlicher Stromhandel“, erklärt Theesfeld.

Die Strategie bleibt aber schwam­mig in dieser Angelegenheit. Die Bundesregierung will „in der zweiten Jahreshälfte eine Diskussion mit den Stake­holdern anstoßen“. Dabei soll nicht nur diskutiert werden, wie vereinfachte Regeln und reduzierte Netzentgelte für gemeinsam lokal erzeugten Strom aussehen könnten, sondern auch, ob es diese überhaupt geben soll. Es seien schließlich „viele Aspekte mitzudenken“, wie der Verbraucherschutz, der Strommarkt und die Netze. Das klingt nicht, als ob die von der Europäischen Union seit 2018 geforderten Regeln zum Energy Sharing bald kommen würden.

15.6.2023 | Autoin: Eva Augsten
© Solarthemen Media GmbH

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