Max Peters: Gesetze helfen bei der Wärmewende
Solarthemen: Vor fast drei Jahren mit der Novelle des Klimaschutzgesetzes wurde die kommunale Wärmeplanung in Baden-Württemberg eine gesetzliche Verpflichtung. Wie sieht kurz zusammengefasst Ihre Zwischenbilanz aus?
Max Peters: Wir haben Stand heute eine Handvoll eingereichter Wärmepläne, die auf die Verpflichtung der großen Kreisstädte zurückzuführen sind. Daneben liegen uns weitere Pläne von kleineren Gemeinden vor, die freiwillig sehr früh gestartet sind. Das heißt, wir können jetzt in der Fläche noch nicht viel zu den Ergebnissen sagen. Wir haben aber in den vergangenen zweieinhalb Jahren beobachtet, dass der Prozess, der mit der Verpflichtung einhergegangen ist, sehr gut angenommen wurde. Die systematische Betrachtung der Wärmewende am runden Wärmeplanungstisch ist in jeder Gemeinde ebenso wichtig wie der fertige Plan selbst.
Die Wärmeplanung ist in der Praxis ein echter Multiakteursprozess. Natürlich ist es auch so, dass im Dialog der verschiedenen Stakeholder, wie der Kommune, den Energieversorgern und Netzbetreibern, Zielkonflikte auftreten können. Diese haben aber im Grunde immer schon bestanden und werden sich stellenweise aufgrund der Energiekrise und schnellen Transformation weiter zuspitzen. Die gute Nachricht ist, dass diese Konflikte innerhalb des Wärmeplanungsprozesses zumindest teilweise in Lösungen münden können. Dazu hat hauptsächlich die gesetzliche Verpflichtung geführt. Ohne sie wäre es sehr schwierig, diese Prozesse in Gang zu bringen – wie bei so vielen anderen Themen der immer noch freiwilligen Zusatzaufgabe „Klimaschutz“.
Warum ein Gesetz?
Sie sagen, das Gesetz sei ein Auslöser für den Prozess. Doch warum braucht man ein Gesetz? Die Prozesse wären auch auf freiwilliger Basis möglich.
Das stimmt. Elf Gemeinden plus die zwei Masterplan-Kommunen, Heidelberg und Stuttgart, haben schon vor der gesetzlichen Verpflichtung an ähnlichen Konzepten wie der kommunalen Wärmeplanung gearbeitet. Es ist aber wichtig zu sehen, dass erst mit der gesetzlichen Verpflichtung die Finanzierung der Wärmepläne aus Mitteln des Landes zur Verfügung gestellt und auch dauerhaft gewährt wird. Das spricht für die gesetzliche Regelung, denn damit macht das Land die Wärmeplanung zum Teil der Daseinsvorsorge. Dafür spricht außerdem, dass eine Planungsaufgabe, die den Charakter einer neuen Umweltfachplanung besitzen soll, möglichst standardisiert und gleichzeitig im Land ausgerollt wird. So werden die Pläne in den Kommunen vergleichbar.
Welchen Vorteil hat das?
Wir können bei einer Gesamtschau auf alle Pläne energiewirtschaftliche Trends, Märkte und Bedarfe darstellen und analysieren. Das wird eine Aufgabe der KEA-BW sein. Diese Vergleichbarkeit erreichen wir nur dann, wenn das Land die dafür erforderlichen Standards vorgibt. Ein wichtiger Punkt ist auch, wie rechtsverbindlich ein solcher Wärmeplan in einer Gemeinde sein kann. Wie genau müssen sich die Verantwortlichen an diesem Plan orientieren, wie weit soll die Mitwirkung der von der Planung betroffenen Stakeholder gehen? Wie stark ist deren Zustimmung zu den Eignungsgebieten und der Strategie gefordert? Müssen sie und der Gemeinderat den Plan nur zur Kenntnis nehmen oder auch an dessen Umsetzung konstruktiv mitarbeiten?
Dies betrifft in hohem Maß die Energieversorgungsunternehmen. Für die Rechtsverbindlichkeit von Wärmeplänen brauchen wir eben eine gesetzliche Grundlage. Erst dann kann man sie zum Beispiel bei der Aufstellung von Bebauungsplänen berücksichtigen oder nachrichtlich in den Flächennutzungsplan aufnehmen (heute noch Theorie). In Baden-Württemberg haben wir über das Gesetz eine gute Basis für die notwendige Wärmewende geschaffen. Diese gesetzliche Verpflichtung wurde von der ersten Minute an sehr gut angenommen.
Was der Gesetzgeber vorgeben muss
Was sind denn aus Ihrer Sicht wichtige Bestandteile eines solchen Gesetzes?
Man muss sich bei einem solchen Gesetz überlegen, welche Zielrichtung man verfolgen will. In Baden-Württemberg haben wir einen recht informellen Weg gewählt – auch mit Blick darauf, dass es beim Start eine neue Aufgabe mit einigen Unbekannten war. Gleichzeitig gab man den Kommunen großen Gestaltungsspielraum, auch in Richtung Maßnahmenumsetzung. Daher hat das Land bislang als Ergebnis des Wärmeplanungsprozesses einen informellen kommunalen Fachplan zum Ziel. Es gibt im Grunde auch nur wenige gesetzliche Verpflichtungen: Erstens muss die Gemeinde den Plan unter Beteiligung der Öffentlichkeit erarbeiten und weiterschreiben. Zweitens muss sie ein klimaneutrales Zielszenario für das Jahr 2040 mit einem Zwischenziel 2030 entwerfen. Drittens muss die Kommune den Plan am Ende dem zuständigen Regierungspräsidium vorlegen. Darüber hinaus wurden nur sehr wenige weitere Vorgaben gemacht.
Würde man weitreichendere Verbindlichkeiten und möglicherweise eine Anbindung etwa an das Gebäudeenergiegesetz anstreben, müsste man darüber diskutieren, welche gesteigerte Rechtsverbindlichkeit ein kommunaler Wärmeplan mit seiner bislang strategischen Flughöhe haben kann. Und: Inwiefern ist eine alleinige Ausrichtung auf den Wärmesektor dann noch zielführend? Es ist in meinen Augen eine Frage der Weichenstellung: Ist es eher informell, dann könnten neue Gesetze wie in Baden-Württemberg vergleichsweise abstrahierend, das heißt schlank ausfallen und der Wärmeplan auf der strategischen Ebene angesiedelt bleiben. Oder soll die Verbindlichkeit gesteigert und die Planung hin zu einer integrierten Infrastrukturplanung ausgebaut werden?
Ich bin kein Jurist, aber aus meiner Sicht wäre es lohnenswert, sich zuerst Gedanken darüber zu machen, wie das Verhältnis zwischen der gewünschten Rechtsverbindlichkeit und dem Umfang sowie dem Inhalt des Wärmeplans ist. Daraus kann man im zweiten Schritt ableiten, wie Festlegungen im Wärmeplan dazu aussehen müssen, damit er an nachfolgende Planungsebenen und den ordnungsrechtlichen Rahmen zu Heizungstausch und Neubau andocken kann.
Datenermächtigung
Das Gesetz in Baden-Württemberg gibt den Kommunen auch Rechte. Dazu gehört die gebäudescharfe Erfassung von Energieverbräuchen. Ist das erforderlich?
Ich halte eine Datenermächtigung in einem klar definierten, übersichtlichen Umfang für zwingend erforderlich. Ein Punkt sind zum Beispiel die Energieverbräuche leitungsgebundener Energieträger von Nichtwohngebäuden. Denn gerade beim Wärmebedarf und damit auch beim Thema Prozesswärme bieten Wärmekataster keine hinreichende Berechnungsgrundlage. Ein anderes Beispiel ist das Kesselalter, das aus dem Auszug des elektronischen Kehrbuchs des Bezirkschornsteinfegers entnommen wird. Damit lässt sich der Zeitpunkt der möglichen Transformation im Quartier abwägen. Und es gibt weitere Daten, die für einen kommunalen Wärmeplan benötigt werden. Aber egal ob es personenbezogene Daten sind oder solche, die kritische Infrastrukturen oder mögliche Geschäftsgeheimnisse betreffen, jede Datenlieferung und spätere Veröffentlichung folgt klaren Regeln zum Schutz dieser Daten. Auch um den Umgang mit den Daten unmissverständlich und sicher zu organisieren, ist eine gesetzliche Grundlage für die Wärmeplanung wichtig.
Die gute Nachricht dazu lautet: In Baden-Württemberg klappt das in der weit überwiegenden Mehrheit der Gemeinden mit ihren Netzbetreibern, Versorgern und Bezirksschornsteinfegern ausgezeichnet. Datenschnittstellen haben wir etwa in den Programmen der Schornsteinfeger. Auch die großen Netzbetreiber haben Schnittstellen in ihren kommunalen Plattformen eingerichtet. So lassen sich die notwendigen Daten sicher, schnell und datenschutzkonform übermitteln. Wichtig hier ist mir zu betonen, dass mit einer gebäudescharfen Datenerhebung nicht der Schwerpunkt der strategischen Planung hin zur Detailplanung verschoben werden sollte.
Wärmeplan als Strategisches Element
Nun ist ein Wärmeplan kein Selbstzweck. Ziel ist eine klimagerechte Wärmeversorgung. Was bringt eine kommunale Wärmeplanung, was bringt ein Gesetz dazu tatsächlich für den Ausbau erneuerbarer Energien?
Der Wärmeplan ist ein strategisches Instrument an der Schnittstelle Stadtplanung, Energie und Klimaschutz. Damit findet die Kommune zusammen mit den relevanten Stakeholdern zu einer gemeinsamen Sprache, um das weitere Vorgehen zum Beispiel bei der Gebietsentwicklung zu vereinbaren. Und damit es nicht allein bei der Strategieformulierung bleibt, sieht das Land bewusst die Verpflichtung vor, mit mindestens fünf Maßnahmen aus dem kommunalen Wärmeplan innerhalb der ersten fünf Jahre nach seiner Erstellung zu beginnen.
Damit wird der nächste Schritt angeschoben. Das sind nicht unbedingt investive Maßnahmen, das ist nicht zwingend ein Wärmenetz oder eine Wärmepumpenoffensive. Aber es geht darum, dass aus einem kommunalen Wärmeplan ersichtlich wird, wo und wann eine Kommune mit der konkreten Planung beginnen kann. Also etwa die Frage beantworten zu können, wo ein Quartierskonzept am dringlichsten ist oder wo mit der Nachverdichtung eines Wärmenetzes begonnen wird. Der kommunale Wärmeplan liefert die Orientierung, die wir brauchen, um die anstehenden Detailplanungen gezielt angehen zu können.
16.6.2023 | Interview: Andreas Witt
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